𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝙽𝚎𝚞𝚗𝚣𝚎𝚑𝚗

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Sechs Monate vor dem Unfall:

Julian die guten Nachrichten zu überbringen, war das Highlight meines Tages.
»Und ihr habt euch wirklich getrennt?«, wollte er erneut die Bestätigung. Dauerhaft nickte ich und grinste ihn freudig an.

»Ja, es ist endlich vorbei. Mal wieder. Ich hoffe ich muss das nie wieder tun!«

Gegenwart:

Mein nächster Arzttermin ist erst in wenigen Tagen. Die Abstände zwischen den Kontrollen werden immer größer. Für mich macht es ehrlich gesagt wenig Sinn überhaupt hinzugehen, weil von Anfang an feststand, dass ich mich nie wieder erinnern werde.

In einigen Punkten wüsste ich gerne, was es mit meiner Vergangenheit auf sich hat. Bei Julian zum Beispiel. Wieso sagt er mir nicht einfach, was los ist? Und was, wenn er wirklich nicht der Grund dafür ist, dass alle Geheimnisse haben? Wenn es jemand anderes ist? Blake?

Ich bin spät dran für ein Treffen mit Jo zum Lernen. Eigentlich plane ich, die Hintertür zu nutzen, um schneller zum Auto zu gelangen. Doch aus irgendeinem Grund treibt es mich zur Haustür.

Im Büro direkt nebenan höre ich meinen Vater sprechen. Erst denke ich, dass er telefoniert, bis ich auch Mom's Stimme erkenne. Sie diskutieren im Flüsterton, was mich nur noch interessierter macht.

Leise schleiche ich mich näher an die angelehnte Tür an. Dad gibt Mom wütende Anweisungen.
»Sie muss zu diesem Termin! Wir wissen nicht, was das für Folgen hat!«

»Was soll ich ihr denn sagen, wenn Doktor Roland sie untersucht?«, fragt Mom in genau dem gleichen Ton.

»Was weiß ich? Sag, es ist eine Kontrolle!« Ich höre Mom seufzen. »Ich hasse es, sie anzulügen. Sie hat schon so viel verloren!«

Dad spricht tröstend. »Ich weiß. Aber sie würde mit der Wahrheit nicht zurechtkommen. Nicht, nachdem dieser Kerl ihr das angetan hat!«

Danach herrscht Schweigen, bis ich leise Schritte vernehme und panisch zurück nach oben stürme.

Ich kann einfach nicht glauben, was ich da gerade gehört habe. Zweifellos ging es um mich und das gefällt mir ganz und gar nicht. Was meinten sie mit dem Arzttermin? Ich habe tatsächlich geglaubt, es handle sich schlicht ergreifend um eine weitere Kontrolle. Jetzt habe ich da so meine Bedenken.

Zu viele Fragen kommen auf. Eine nach der anderen schießen sie mir in den Kopf. Aber ich kann mir keine davon beantworten. Welchen Kerl meinte Dad? Julian oder Blake?

Ich habe keine Ahnung, was ich noch glauben soll. Immerhin habe ich von so vielen gesagt bekommen, dass Julian hier der Idiot ist. Selbst meine Eltern glauben das. Aber in Julians Gegenwart ist es einfach ganz anders.

Vielleicht weiß ich unterbewusst, dass Julian mir von vornerein die Wahrheit sagte. Wahrscheinlich sollte ich einfach mal auf meinen Bauch hören und mir nicht ständig über alles den Kopf zerbrechen.

Da gibt es nur ein Problem. Mein Bauch sagt mir, Julian zu glauben. Dieser hasst mich vermutlich dank unseres Streits vor einigen Tagen.

In der Schule sind wir uns ständig aus dem Weg gegangen. Seine Worte haben mich verwirrt und ich bin wieder unschlüssig darüber, was ich als Nächstes tun soll.

Noch steht fest, dass ich mit dem Training aufhöre, aber was ich mit Blake mache, weiß ich nicht.

All diese Gedanken summen mir wie Mücken durch den Kopf, während ich ganz vergessen habe, dass Jo mich umbringt, wenn ich nicht auf der Stelle losfahre.

Vor dem Schlafzimmer meiner Eltern direkt neben der Treppe begegne ich Mom, die mich augenblicklich freundlich anlächelt. Ich kann ihre Geste nicht erwidern und verziehe den Mund zu einem schmalen Strich.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now