𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚅𝚒𝚎𝚛𝚞𝚗𝚍𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐

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Eine Woche vor dem Unfall:

Julian und ich sahen uns nicht mehr oft. Wenn wir es taten, dann nur um zu streiten. Manchmal ging es sogar so weit, dass ich die letzten neun Monate Beziehung mit Julian komplett in Frage stellte.

Ich stellte mir die Frage, ob es nicht einfach von vorne rein besser gewesen wäre, mit Blake zusammen zu bleiben.

Doch selbst, wenn Julian so etwas sagte wie: »Dann geh doch zurück zu Blake! Ich bin mir sicher, er nimmt dich freudig wieder auf und stellt dich wie eine Trophäe zurück in sein Regal!«, wusste ich, dass ich es nicht konnte.

Ja, Blake und ich hatten eine lange Vergangenheit. Länger als Julian und ich...

»Du weißt, dass das nicht stimmt, Julian. Es hatte Gründe, warum es im Sommer endgültig vorbei war mit Blake. Und einer davon warst du.«

Gegenwart:

Solange es ging, habe ich es heraus gezögert meine Familie kennenzulernen. Und ich meine nicht Simon und meine Eltern. Ich meine meine Großeltern, Tanten und so weiter. Mom und Dad wollen sie alle einladen und ich solle endlich meine Cousine kennenlernen.

Aber ich möchte nicht noch mehr Leute enttäuschen. Ich sehe es manchmal in Jo's Gesicht, wenn sie sich die alte Emilia zurückwünscht. Die, die noch alle Erinnerungen hat.

»Wie ist sie denn so?«, quetsche ich Jo aus. Sie kennt Luca, meine Cousine, seit wir klein waren.
Kurz verkrampft sich ihr Gesicht. »Nett«, bringt sie gezwungen hervor.

»Ach ja?« Ungläubig richte ich mich auf. »Sie ist, sagen wir, sehr hyperaktiv. Früher meintest du immer, sie sei schlimmer als deine Mutter, und das sagt alles. Ständig fällt ihr etwas Neues ein, worüber man unbedingt tratschen muss. In Wirklichkeit interessiert es niemanden.«

Ich schnaufe kurz und verkneife mir ein Grinsen. Dummerweise kann ich mir durchaus vorstellen, dass das Quassel-Gen in der Familie liegt. Manchmal erwische ich mich selbst dabei, wie ich in dieser Sprachwelt versinke.

Aber es ist weniger geworden, seit ich mich mehr darauf konzentriere, anderen zu zuhören, statt den Fokus auf mich selbst zu legen.
»Sie allerdings«, fährt Jo fort, »interessiert sich für deinen Basketballer!«

»Blake?« Erstaunt ziehe ich die linke Augenbraue nach oben. Jo nickt und dreht sich in ihrem Schreibtischstuhl ständig im Kreis.

»Soll sie ihn doch haben. Ich will ihn nicht mehr!«, lache ich über mich selbst und klemme mir lästige Strähnen hinters Ohr.

Auf Jo's Schreibtisch liegt ein Haargummi und ich entscheide mich schnell für einen lockeren Dutt. Endlich bin ich diese Mähne los. Für einen kurzen Moment bewundere ich Jo's dunklen glatten Haare.

Sie hat nie damit zu kämpfen. Meistens trägt sie sie offen, aber dann umranden die Strähnchen ihr markantes Gesicht und ihre Augen kommen zum Vorschein.

Meine Locken sind zwar schön, aber die reinste Hölle bei der Pflege. Wenn ich sie auch nur mit dem Kamm berühre, verwandle ich mich in einen Löwen.

»Muss ich Angst haben vor dem Wochenende?«, will ich von Jo wissen. Es ist zwar meine Familie, leider muss ich dennoch zugegen, dass Jo sie besser kennt als ich.

»Nein, Quatsch! Deine eine Omi bringt immer Schokolade mit!«, kichert sie vor sich hin. Das klingt nach etwas, worauf man sich freuen kann.

Weil ich Tortellini so sehr mag und gerade dringend Kohlenhydrate brauche, schlage ich vor, etwas zu bestellen. Jo gönnt sich eine Pizza und alles scheint für den Moment perfekt.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now