𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝙵𝚞̈𝚗𝚏𝚞𝚗𝚍𝚟𝚒𝚎𝚛𝚣𝚒𝚐

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Neun Monate vor dem Unfall: 

Es war der erste Schultag unseres letzten Jahres. Auch, wenn wir alle irgendwie ein wenig traurig darüber waren, nur noch solch eine kurze Zeit miteinander zu haben, konnte mein Leben nicht besser laufen. Ich konnte es noch immer nicht glauben, dass Blake und ich in den Sommerferien unseren inoffiziellen Jahrestag gefeiert hatten.

Es war zwar schon immer ein ständiges Hin und Her gewesen, weil Blake mehr Stimmungsschwankungen hatte als ich, aber ich war zuversichtlich, dass wir diese Phase endgültig beendet hatten.

Kaum betrat ich den Klassenraum fiel mir ein neues Gesicht auf. Dieser Jemand saß auf meinem Platz, den ich schon immer als erste beanspruchte.

Entschlossen ging ich zu meinem Platz und sprach den Neuen an.
»Entschuldigung, ich glaube, du sitzt auf meinem Platz!«, stachelte ich ihn an. Mir entwich sofort die Farbe aus dem Gesicht, als er eine unerwartete Antwort gab. »Ach ja? Das glaube ich nicht. Hier ist doch freie Platzwahl oder nicht?«

Meine Kinnlade klappte herunter, als er belustigt anfing zu grinsen.
»Nicht für diesen Platz!«, zickte ich und der Fremde bewegte sich endlich von dem Stuhl herunter, doch nicht ohne mich neugierig zu mustern, bevor ich mich setzen konnte.

»Ich bin übrigens Julian! Schön, dich kennenzulernen!«, stellte er sich vor.
»Finde ich nicht!«, quittierte ich die Situation und ließ mich auf meinem Platz fallen. Der Neue entfernte sich mit einem Kopfschütteln und ließ sich weiter hinten auf einem Stuhl nieder.

Wut keimte in mir auf. So sollte das letzte Jahr nicht anfangen. Besonders nicht, weil ich das ungute Gefühl hatte, dass dieser Junge eine Menge Ärger bedeutete.

Gegenwart:

Da ich dringend einen anderen Zufluchtsort brauche, weil Julian über das Wochenende selbst wegfährt, verkrieche ich mich bei Jo. Ich habe sowieso das dringende Bedürfnis, mal wieder mit ihr allein zu sprechen.

»Wie läuft es eigentlich bei dir und Simon?«, bringe ich nur schwer über die Lippen. Jo sitzt im Schneidersitz auf ihrem Bett und presst bei meiner Frage fest die Lippen zusammen. Wir finden es beide noch etwas seltsam, über dieses Thema zu sprechen.

Aber ich habe anerkannt, dass es letztendlich ihre Entscheidung ist. Außerdem scheinen sie irgendwie glücklich zu sein, auch wenn ich sie kaum zusammen sehe.

»Du musst dich übrigens in meiner Gegenwart nicht anders mit ihm verhalten. Ich finde die Vorstellung von euch beiden zwar immer noch komisch, aber das heißt nicht, dass du gar nicht mehr zu uns kommen kannst.«

Das habe ich Jo schon einmal klargemacht, aber sie scheint es auch jetzt noch nicht richtig zu realisieren.

»Danke. Ja, es läuft gut.« Mehr äußert sie sich nicht dazu. Weil ich mir auf einmal auch gar nicht mehr sicher bin, ob ich weitere Details möchte, schweige ich einfach.

»Blake hat mich letztens angesprochen, wann du das nächste Mal beim Arzt bist. Ich glaube, er will dich dort überraschen oder so.«

Abwertend verziehe ich das Gesicht und lasse meine Arme zur Seite fallen. »Dieser Typ akzeptiert einfach kein Nein.«

»Naja, ihr habt schon schlimmere Zeiten überstanden. Er hat noch nie nach nur ein paar Wochen aufgeben, wenn es mal wieder ein On und Off bei euch war.«

Ich seufze. »Ja aber allein, dass es schon immer so war, zeigt doch, wie falsch es ist. Warum kapiert er es denn nicht?« Gibt es denn gar keinen Weg, Blake endlich loszuwerden?

»Und mit Julian ist das anders?«, versucht Jo mich vorsichtig auszuquetschen.

»Nach all diesem Theater habe ich anerkannt, dass ich etwas für Julian empfinde. Ich kann es nicht leugnen. Nicht nach allem, was passiert ist«, antworte ich ohne eine Sekunde nachzudenken.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें