𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚉𝚠𝚎𝚒𝚞𝚗𝚍𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐

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Zwei Wochen vor dem Unfall:

Wieder einmal hatte ich mich rausgeschlichen, nur um bei ihm zu sein. Nichts war mir wichtiger als die Zeit mit Julian.

Gerade sah es nicht besonders gut aus. Blake war wieder aufgekreuzt und machte uns ständig einen Strich durch die Rechnung. Ich wusste, dass meine Eltern nach wie vor begeistert von ihm waren. Trotz vieler Versuche sie umzustimmen.

Sie wussten nicht, was ich wusste. Sie hatten keine Ahnung, wozu er in der Lage war. Auch wenn ich mir so sehr gewünscht hätte, ihm eins auszuwischen, ich konnte es ihnen nicht sagen. Wenn ich auch nur daran dachte, drohte die Gefahr einer Panikattacke.

Deshalb wollte ich so viel Zeit wie möglich mit Julian verbringen. Er lenkte mich ab und ganz besonders: Er zeigte mir, was es wirklich bedeutete, geliebt zu werden. Obwohl auch er mittlerweile an seine Grenzen stieß.

Ich betrat also leise den knarrenden Boden des kleinen Häuschens im Extragarten und schloss hinter mir die Tür.
»Hey!«
»Hey!«
Damit war mein Abend gerettet.

Gegenwart:

Wir lassen es so aussehen, als gingen Simon und ich zusammen in die Stadt. Niemals sonst würden unsere Eltern mir erlauben, mich mit Julian zu treffen. Vor allem, da sie noch davon ausgehen, dass ich mit Blake zusammen bin.

In mir zieht sich alles immer weiter zusammen, umso näher wir der Landschaft kommen. Simon bekommt eine ausführliche Wegbeschreibung.

Obwohl es sich ewig her anfühlt, als ich hier mit Jacob herkam, erkenne ich jeden einzelnen Baum wieder.

Die Pflanzen blühen in ihrer vollen Pracht und es ist wie ein Tanz, den die Blätter aufführen, wenn sie vom Wind gestoßen werden. Ständig unterschätze ich die Schönheit der Natur. Zusammen mit dem wolkenlosen Himmel ist das der perfekte Sommertag.

Mein kurzes T-Shirt über meinen Shorts flackert bei dem Fahrtwind und dem offenen Fenster. Ich ignoriere die Hitze der prallen Sonne und lehne trotz der Schmerzen meinen Arm aus dem Fenster.

Es ist eine angenehme Abkühlung im Gegensatz zu der Luft im Auto. Auch Simon hat sein Fenster geöffnet, sodass nun von beiden Seiten der Wind meine Haare zerzaust.

Unsere kleine Spritztour mit offenen Fenstern bereue ich in dem Moment, als ich aus dem Auto aussteige und mich im Spiegelbild des Autos sehe. Erschrocken fasse ich mir an den Kopf. Meine Haare sehen aus, als hätte noch bis vor kurzem ein Vogelnest darin gewütet.

Simon tritt aus dem Wagen aus und läuft darum herum. Er nimmt einige Strähnen in die Hand und streicht sie glatt. »Das fällt doch gar nicht auf!«, versucht er mich zu beruhigen. Ich schüttle langsam den Kopf. Egal, jetzt kann ich es sowieso nicht mehr ändern.

Schnell schnappe ich mir meine Unterlagen von der Rückbank und verabschiede meinen Bruder mit einer kurzen Umarmung.

Ich habe keine Ahnung, was er bei unserem Fakeausflug macht, aber ich bin mittlerweile so aufgeregt, dass ich über nichts anderes mehr nachdenken kann als Julian.

Der Rosenstrauß ist mir noch so in Erinnerung, wie ich ihn zurückgelassen habe. Geheimnisvoll, ruhig, angenehm. Jedoch muss ich zugeben, dass heute deutlich mehr los ist als sonst.

Kinder rutschen hier und da und ältere Leute nicken mir freundlich zu. Ich spüre, wie sie mir hinterher sehen. Vermutlich haben sie hier alle ihre eigene kleine Gemeinschaft und ich bin fremd. Oder sie erkennen mich sogar aus früheren Zeiten und fragen sich, warum ich sie nicht wieder erkenne.

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Inzwischen will ich nichts lieber als aus dieser Hitze raus und in das kleine gekühlte Häuschen.

Das Haus von Julians Familie ist am ruhigsten. Ob er überhaupt schon da ist? Soll ich einfach reingehen oder hier auf Julian warten?

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now