Am selben Abend noch packte ich meine Sachen. Einen großen Wanderrucksack voll, mehr würde ich sowieso nicht transportieren können. Mein Handy, Notizblock und Stifte, Wechselklamotten für sieben Tage und drei wiederverwendbare Wasserflaschen, dann waren zwei Drittel voll. Aus unserer Küche klaute ich heimlich eine große Packung Müsliriegel, Schokolade und ein paar Konservendosen.
An den Seiten quetschte ich noch ein paar Äpfel dazu, dann war der Rucksack voll. Dann transportierte ich die Zeitungen der letzten zwei Wochen so unauffällig wie möglich in mein Zimmer, wo ich sie in meinen großen Reisekoffer stopfte - meine Mom würde mir nie abnehmen, dass ich nur einen Rucksack für das SMV-Seminar brauchte! Zu allerletzt schlachtete ich noch mein Sparschwein, denn ohne Geld würden wir sicher nicht weit kommen.
Meine Armbanduhr zog ich an, genau wie eine warme Jacke. Die Frühlingsabende waren immer noch frisch, vor allem bei wolkenlosem Himmel. Dann lag ich angezogen und mit offenen Augen im Bett und hoffte auf Schlaf. Doch der kam einfach nicht, egal was ich auch tat. In letzter Hoffnung legte ich mich falsch herum auf den Bauch und konnte mich wenigstens etwas entspannen. Die Minuten verstrichen, aber ich schlief einfach nicht ein.
Seufzend legte ich mich wieder richtig herum ins Bett und dachte daran, was in den letzten Stunden passiert war. Nach der Schule waren Luke und Connor mit »Husten« zum Sekretariat gegangen und hatte sich krank gemeldet. Ich würde morgen anrufen und mich ebenfalls abmelden. Die armen anderen in der Klasse dachten bestimmt, es würde irgendwas herumgehen. Aber, ehrlich gesagt, waren mir die anderen momentan so ziemlich egal.
Es ging darum, Tiana zu helfen. Alecya hatte keinen Zweifel daran gelassen, wie ernst es um die Freundin stand. Ich wälzte mich hin und her. Konnte ich mich wirklich auf Connor verlassen? Konnten wir alle uns auf ihn verlassen? Das war wohl die große Frage, die mit Sicherheit auch Luke quälte.
Da fiel mir siedend heiß ein, was ich vergessen hatte: eine Landkarte! Auch wenn wir keine Ahnung hatten, wohin unser Weg uns führen würde, schadete es nichts, wenigstens zu wissen wo man war. Nachdem ich auch die Karte eingepackt hatte, übermannte mich endlose Müdigkeit. Endlich.
***
Piep! Komisch, seit wann machten Lehrer Piepgeräusche? Piep! Mit einem Ruck fuhr ich hoch und starrte mit klopfendem Herzen auf das Zifferblatt meines Weckers. Doch mein Traum von endlosem Nachsitzen im Lehrerzimmer war nicht das, was mich so aufregte - es war die Tatsache, dass mir nur noch eine Stunde bis zum Aufbruch blieb! In Windeseile putzte ich die Zähne und schleifte sowohl mein echtes als auch das Pseudo-Gepäck die Treppe herunter in den Hausflur.
Angezogen war ich ja schon, also schaufelte ich mir die Cornflakes in solch einer Geschwindigkeit in den Mund, dass meine Mom ganz seltsam guckte. »Aufgeregt?«, fragte sie mich nur kurz mit hochgezogenen Augenbrauen, woraufhin ich kurz und zackig nickte, bevor ich zur Haustür düste und mir die Schuhe anzog. »Ich hab euch lieb, ich meld' mich!«, rief ich über die Schulter, packte meinen Rucksack und den Koffer und zog die Haustür hinter mir zu.
Dann atmete ich erst mal tief durch, sah mich verstohlen um und ließ die Flügel wachsen. Niemand beobachtete, wie ich durch mein geöffnetes Zimmerfenster flog, den Koffer unters Bett stellte, zurück auf die Straße flog und dann, als wäre nichts weiter geschehen, zu Lukes Haus spazierte. Ich hoffte, dass Luke und Connor miteinander auskamen. Mein Vertrauen in Connor war nicht grenzenlos, aber ich hatte das Gefühl, ihm vertrauen zu können.
Ich war nicht naiv; theoretisch könnte er unsere ganze Mission sabotieren, aber was sollte ihm das bringen?
Die kleinen Zierbäumchen, die in dreieckigen Grünanlagen die Straßen säumten, wurden fast von der Dunkelheit verschluckt. Einzig und allein die wenigen Straßenlaternen, die noch funktionierten, spendeten ein wenig Licht.
Als ich den Kopf in den Nacken legte, sah ich die rosafarbenen Verfärbungen am Horizont, die den Aufgang der Sonne ankündigten.
Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen und alles war perfekt, so perfekt wie die letzten Sterne, die noch am Himmel funkelten. Dann wehte ein kalter Luftzug um mein Gesicht und verwirbelte meine Haare. Ich musste mich beeilen, wenn ich pünktlich sein wollte. Der Rucksack auf meinem Rücken wog plötzlich schwer. Ich zwang mich, weiterzugehen, bis zur Lindenstraße, in der Luke wohnte.
Ganz große und unglaubliche Neuigkeiten! Für dieses Buch gibt es jetzt einen Trailer! Ihr findet ihn bei AlexStylex im Buch Edit Paradise. Viel Spaß beim Anschauen, es ist fantastisch geworden!
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