4. »Das geht mich sehr wohl etwas an.«

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Eigentlich wollte ich es nicht zugeben, aber bis zum Schulschluss hatte ich gerätselt, worüber Connor mit mir sprechen wollte, was so wichtig war. Ging es um meinen Blog? Womöglich sogar um Luke? Es gab ja noch nicht so viele Themen, über die wir sprechen konnten; ich meine, wir kannten uns erst seit gestern.

Das konnte man nicht gerade als vertraut bezeichnen. Ein erschreckender Gedanke durchzuckte mich, den ich aber gleich wieder verwarf. Woher sollte er schon wissen, dass ich mich heimlich im Bogenschießen übte? Das war absurd.

Nun, als Connor neben mir den Weg durch das alte Viertel Welshnams schlenderte, platzte ich fast vor Neugier, traute mich aber nicht, ihn so direkt danach zu fragen. Stattdessen tat ich so, als studierte ich den Riss im Asphalt neben dem Fußgängerstreifen und schielte hin und wieder zu ihm hinüber.

Den Rucksack hatte Connor nur über eine Schulter geworfen, wie es gerade viele Leute an unserer Schule machten und er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Seine leicht krausen Haare wippten leicht beim Gehen und die matte Nachmittagssonne warf einen leichten Bronzeschimmer auf die Strähnen.

Gerade wagte ich wieder einen Blick, als Connors Blick meinen traf. Ein Grinsen umspielte seine Lippen, was seine Gesichtszüge fast kindlich aussehen ließ. »Wie weit ist es noch?«, fragte er und ließ den Blick über die tristen Häuserzeilen schweifen. »Gleich da vorne«, antwortete ich schnell und beschleunigte meine Schritte.

»Hinter dem beigefarbenen Haus mit dem großen Tor.« Das Haus gehörte unseren Nachbarn, den Millers. Sie waren etwas...exzentrisch, um es mal freundlich auszudrücken. Wer kam denn sonst auf die bescheuerte Idee, ein fettes, knallrotes Eisentor vor das Grundstück zu setzen, das höher als die Garage war und dem restlichen Stil des Hauses nicht mal ansatzweise schmeichelte?

Nun, das war nicht mein Problem. Vielleicht entsprach mein Geschmack einfach nicht dem der Millers, aber wundern würde es mich nicht, wenn ich damit nicht die Einzige war. Ein leises, mir nur allzu vertrautes Klicken ertönte, als ich unsere Haustür aufschloss und, gefolgt von Connor, eintrat.

Der vertraute Geruch ließ mich für einen Moment den Stress der letzten Stunden vergessen und ein leises Seufzen entwich meinen Lippen. »Hast du Durst?«, fragte ich Connor, während meine Schultasche geräuschvoll neben dem Schuhregal landete und führte ihn in Richtung Küche. Auch hier hatte der Ordnungswahn meiner Mom die Oberhand gewonnen.

Das Geschirr war bereits in die Spülmaschine geräumt und diese gestartet worden, wie das leise Brummen verriet. Connor schüttelte leicht den Kopf und umfasste die Lehne eines der herumstehenden Holzstühle. »Was ist denn jetzt eigentlich so wichtig, dass es nicht in der Schule besprochen werden konnte?«, erkundigte ich mich und füllte mir selbst ein Glas mit Leitungswasser.

Ein leises Knarzen ertönte, als Connor sich auf dem Stuhl niederließ. »Glaubst du an Magie?« Fast hätte ich das Glas fallen gelassen, so unvermittelt kam diese Frage, was ich schnell mit einem Lachen zu kaschieren versuchte. »Äh - wie?«

Mein verständnisloser Blick traf Connors, der die blauen Augen leicht zusammengekniffen hatte und mich prüfend musterte. Er sah todernst aus. »Hör zu, ich weiß, wie das jetzt klingt. Aber ich hatte da etwas gesehen...und deshalb muss ich mit dir darüber reden. Dringend.« Trotz dass ein Verdacht in mir keimte, mimte ich weiter die Unwissende.

»Ja, klar...was...was hast du denn gesehen?« Connors Fingerspitzen trommelten auf den Küchentisch und mit einem Mal kam es mir vor, als würde die Spülmaschine immer lauter werden. Ich war kurz davor, ihn einfach rauszuwerfen. Unvermittelt stand er plötzlich vor mir und streckte die Hand aus.

Bevor ich reagieren konnte, hatte er sich bereits meinen Arm gegriffen und den Ärmel hochgeschoben, sodass dieser meinen Ausschlag entblößte. Es hatte sich ausgebreitet. Mittlerweile hatte sich das Blau, das bisher nur angedeutet gewesen war, so sehr intensiviert, dass es schon fast unecht aussah.

Mein Herz begann zu trommeln. »Oh mein Gott – ich muss sofort zum Arzt! Sofort!!« Meine Stimme überschlug sich und ich wich zurück. »Hör mir zu! Du darfst damit nicht zum Arzt gehen!«, drängte Connors Stimme, die ich aber gar nicht richtig wahrnahm.

***Stand der Überarbeitung***alte Version ab hier***

Da klingelte mein Handy.

Fassungslos sah ich Connor an - er hatte mein Geheimnis erfahren! Was er jetzt tun würde? Wieder schrillte es. Ich warf einen Blick auf Connor, der noch immer meinen Arm anstarrte, und nahm ab. »Ja?«

»Hey Connie.« Das klang atemlos und nach Luke. »Was gibt's?« »Connie! Ich...meine Schuppen...sie sind...« »...blau«, unterbrach ich ihn. »Ähm, nein. Deine etwa? Also meine sind rot!« »Sorry, ich muss dich zurückrufen. Tschüss!«, unterbrach ich ihn noch einmal und beendete das Gespräch.

Dann wandte ich mich mit wild klopfendem Herzen wieder Connor zu. Der starrte mich an und fragte schließlich: »Wer weiß noch davon? Wer war am Telefon?« »Das geht dich nichts an«, knurrte ich unwirsch. Zu meiner Verblüffung lachte er laut auf.
»Das geht mich sehr wohl etwas an. Mehr als du denkst.« Meine Miene sah wohl wie ein Fragezeichen aus, denn Connor fügte schnell hinzu: »Mir ist das auch mal passiert. Als du dich so benommen hast, hatte ich schon einen Verdacht. Niemand läuft an einem solch warmen Tag mit Jacke herum, es sei denn, er will etwas verbergen.«

Mit großen Augen schaute ich ihn an. Das war doch nicht möglich. »Wo sind dann deine Schuppen?«, brachte ich heraus. Das schien ihn zu amüsieren. Wieder lachte er, diesmal fast lautlos. »Was ist daran denn so witzig?«, zischte ich eingeschnappt.

Das war doch echt dämlich. Er antwortete. »Ich habe sie verborgen.« »Das geht?!« »Aber sicher. Du brauchst dafür nur eine gute Konzentration. Sieh her.« Er streckte mir seine Hand mit der Handfläche nach oben hin.

Erst färbte sich eine kreisrunde Stelle blass, dann traten immer deutlicher die Rillen hervor, bis die Stelle mit Drachenschuppen voll war und schließlich nahmen diese einen grauen Glanz an, wie dunkles Perlmutt.

Dann verblassten die Schuppen wieder, bis nur noch normale Haut zu sehen war. »Wenn die Verwandlung abgeschlossen ist, wird es leichter«, erklärte Connor. »Versuch es doch auch mal!« Ich starrte meine Armbeuge an und stellte mir vor, wie die blauen Schuppen verschwanden. 

Aber es tat sich schlicht gar nichts! Verflucht! Warum konnte ich das nicht?! »Spätestens, wenn die Flügel und der Schweif ausgebildet werden, solltest du es können. Sonst wird es etwas seltsam für die Menschen, die dich sehen«, warnte er mich.

Darauf wäre ich selbst gekommen.
»Warum?«, fragte ich Connor. »Warum ist das mir passiert? Und wieso jetzt?« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich finde jedenfalls, das ist das Beste was mir je passiert ist!«

Begeistert breitete er seine Arme aus. Verständnislos starrte ich ihn an. »Mit Drachenschuppen herumlaufen findest du klasse?« Tadelnd sah er mich an. »Das meinte ich nicht. Jedenfalls nicht nur. Das Fliegen, Connie! Das finde ich klasse! Und...die Fähigkeiten.« »Fähigkeiten?!«

»Das ist bei jedem anders. Da kann ich dir auch nicht helfen. Es kann sein, dass man gar keine hat. Oder eben eine besondere. Wie gesagt, ist bei jedem anders.« Das wurde ja immer besser! Ich fuhr mir durch die Haare und ließ mich auf den Schreibtischstuhl sinken.

»Was...ist denn deine Fähigkeit?«, fragte ich und kam mir ziemlich blöde dabei vor. Ein Glitzern trat in Connors Augen. »Ich habe sehr große Kraft.« Das klang ja nicht so 'besonders'. Er merkte, dass ich wohl nicht sehr beeindruckt war und ging auf mein Bett zu.

Es war ein großes, schweres Bett aus Mahagoni; um es nur bewegen zu können brauchte man zwei Mann. Doch Connor packte den Rost und hob es mühelos hoch in die Luft. Vor Staunen klappte mir der Mund auf. »Wie...?«

Mit bitterem Gesichtsausdruck stellte er das Bett wieder ab und sah mich an. »Ich dachte lange, ich wäre der Einzige. Aber du bist wie ich.« Und Luke auch... Ich überlegte, es Connor zu sagen, aber vielleicht war das ja keine gute Idee. Also hielt ich die Klappe.

»Verrätst du mir jetzt, wer am Telefon war?«, bat er. Ich schüttelte den Kopf. Da wurde Connor wütend. Er zitterte am ganzen Körper und, ich hatte bestimmt Halluzinationen, aber falls nicht, färbten sich seine Augen vom leuchtenden Blau in ein bedrückendes Grau.

»Schön«, zischte er und rauschte aus der Tür. Ich wollte ihm folgen, aber er war schon an der Haustür und schlug diese hinter sich zu. Was war denn das gewesen?!

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt