23. »Morgen ist Samstag.«

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Im Schutze der Bäume verwandelten wir uns. Meine blauen Schuppen fielen im dunklen Grün des Waldes kaum auf, Luke dagegen stach wie ein Leuchtstrahler hervor. »Soll ich es versuchen oder du?«, fragte Luke. »Mach du es. Schließlich hast du deine ersten Gedankenübertragungsversuche auch bei Alecya gemacht«, meinte ich.

Er ging jedoch nicht weiter darauf ein und schloss konzentriert die großen Drachenaugen. Luke konzentrierte sich wohl nicht nur auf Alecya, sondern auch auf mich, denn ich konnte mithören. »Alecya? Ist alles in Ordnung bei euch?« Niemand antwortete. Enttäuscht schlug ich mit meinem Schwanz auf den Boden, sodass ein paar dünnere Äste knirschend zerbrachen.

»Na toll. Sie hört dich nicht! Ich wusste es«, murrte ich. »Dann versuch du es doch«, fauchte Luke. Ich stellte mir Alecya ganz genau vor. Ihre feinen blonden Haare, die blaugrauen Augen. »Alecya, kannst du mich hören?«, fragte ich und versuchte, laut und deutlich zu sprechen.
Ganz schwach vernahm ich ihre Stimme. »Connie?«, fragte sie ungläubig.

»Hast du meine Nachricht erhalten?« Ihre Stimme war so leise, kaum wahrnehmbar. Ich hatte recht gehabt! Der Traum war wirklich eine Nachricht von Alecya gewesen!! »Was ist passiert?«, fragte ich besorgt. »Wieso sollen wir schnell kommen?« »Das spielt keine Rolle. Fliegt so schnell wie möglich her! Es ist sehr wichtig! Tiana ist in Gefahr.« Erschrocken sah ich Luke an.

Das klang schlimm! Er jedoch starrte mich nur ratlos an. Klar, er hatte das Gespräch ja gar nicht mitbekommen. »Gut.« Alecyas Stimme war nur noch ein Flüstern. Dann wurde die Verbindung unterbrochen. Ich war mir ganz sicher, dass sie mich jetzt nicht mehr hören konnte. In kurzen Sätzen erklärte ich Luke die Situation. »Wir sollten sofort aufbrechen!«, drängte Luke und raschelte mit den Flügeln.

Ich jedoch ließ diese verschwinden und damit meinen ganzen Schuppenpanzer. »Sofort jetzt mit Sicherheit nicht! Überleg doch mal: für uns mag es ja normal sein, aber was sagen die anderen Leute dazu, wenn zwei Drachen mal eben über den Himmel fliegen? Bei Dunkelheit ist es viel sicherer! Außerdem müssten wir so unsere Eltern nicht anlügen.«

Lukes Augen glühten noch kurz rot auf, dann stand auch er als ganz normaler Mensch vor mir. »Also gut. Treffen um halb neun hier.« Ich verkniff mir eine Bemerkung zu seinem beherrschenden Ton und nickte, ehe wir uns am Feldrand trennten und unsere Wege nach Hause liefen.

***

Ich konnte einfach nicht stillsitzen. Seufzend stand ich zum zehnten Mal auf und setzte mich dann gleich wieder hin. Ich könnte eine Rezension für meinen Buchblog schreiben, aber dazu müsste ich mal dieses Buch weiterlesen! Ich kam seit zwei Stunden nicht weiter als Seite zwei. Es war zum Verrücktwerden!
Mit ausgebreiteten Armen ließ ich mich aufs Bett fallen.

Viertel nach sieben. Entschlossen packte ich meinen Bademantel und zog ihn über den dicken Pullover und die Skinnyjeans. Dann tappte ich über die Treppe nach unten. »Mum, Dad? Ich geh ins Bett«, informierte ich sie. Erstaunt sah Mary Ida von ihrem Smartphone auf. »So früh? Bist du etwa krank?« Ich schüttelte nur den Kopf und gähnte. »Nein, nur müde.

Und ich schreibe morgen eine Klassenarbeit.« »Morgen ist Samstag«, stellte Mum fest. Verdammt.
»Ja, ähm, Herr Biedermeier hat da so einen Tick. Samstags schreiben die Schüler wohl angeblich bessere Noten«, stammelte ich mit rotem Kopf. Schnell drückte ich Mum einen Kuss auf die Stirn - wobei ich aufpasste, dass der Bademantel nicht verrutschte - und flüchtete in mein Zimmer.

Dort pellte ich mich aus dem Mantel und hängte mir meine Laufschuhe an den Bändern um den Hals. Auf Socken huschte ich die Treppe wieder hinunter zur Haustür. Langsam drückte ich die Klinke herab und zwängte mich durch den Türspalt nach draußen. Mit klopfendem Herzen machte ich mich auf den Weg zum Treffpunkt. Ich war viel zu früh, aber länger hielt ich es daheim einfach nicht mehr aus.

Wie es schien, war ich nicht die Einzige: im schwachen Schein der halb kaputten Straßenlaterne stand Luke mit tief in den Hosentaschen vergrabenen Händen. Er grinste mich an. »Du bist zu früh.« »Du auch«, entgegnete ich und senkte die Stimme. »Gleich ist es dunkel. Und da wir beide schon mal da sind, schlage ich vor, dass wir gleich aufbrechen.« Luke verzog das Gesicht. »Aber bitte keine Loopings. Ich hasse Achterbahnen.«

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt