53. »Nur noch einmal.«

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Von da an konnte ich es gar nicht abwarten, meine neue Fähigkeit auszuprobieren. Ich suchte sofort nach der blasslila Flamme und ließ sie sich in meinem Körper ausbreiten. Das überraschte Aufkeuchen meiner Freunde bestätigte mir, dass es funktioniert hatte.

»Was...«, stotterte Alecya. Connor begriff am schnellsten, was passiert war. »Cool«, meinte er. Ich ließ die Unsichtbarkeit fallen und grinste Contulas an. Er zwinkerte mir zu und verschwand im Tunneleingang. »Lasst uns mal unsere Schlafplätze ansehen«, sagte ich munter.

Connor nickte und sah erwartungsvoll in Richtung Tunnel. Luke und Alecya hingegen hatten sich wohl noch nicht an meine seltsamen Kräfte gewöhnt. Zugegeben, ich auch nicht.

***

Unsere Schlafplätze entpuppten sich als Höhlen mit Nischen in den Wänden, in denen Matratzen lagen. Wir hatten sogar ein Fenster - im Abstand von ein paar Zentimetern waren kleine Löcher in den Stein gemeißelt, durch die Tageslicht drang. Es war wunderschön.

Die Jungs waren nebenan untergebracht. Ihre Höhle sah unserer zum Verwechseln ähnlich, bis wir unser Gepäck abstellten und die Sachen auspackten. Während ich meine Kleider tauschte, dachte ich darüber nach, was die Zwillinge gesagt hatten.

Wie sollte ich in der kurzen Zeit, in der ich hier war, nur teilweise so gut kämpfen lernen wie sie? Ich musste in Zukunft jeden Schritt außerhalb des Verstecks der Allianz fürchten, konnte nicht mehr so sorglos wie früher durch die Straßen wandern.

Worüber ich mir früher keine Gedanken gemacht hatte, schien jetzt als Herausforderung des Schicksals. Und was war mit meinen Eltern? Wie sollte ich jemals wieder ein normales Leben führen, wenn ich von den Darks verfolgt wurde? Ich blickte zu Alecya, die mit dem Rücken zu mir in ihrem Rucksack herumwühlte.

Hatte sie eine Familie, und wenn ja, wo war sie? Warum lebte sie allein in der Wildnis mit ihrer Freundin? Ich hatte sie nie danach gefragt. Auch jetzt kam mir die Frage nicht über die Lippen. Stattdessen fiel das Heimweh über mich her wie ein hungriger Tiger. Ich kauerte mich auf die Matratze.

Ich war müde, was nicht erstaunlich war, nach der Anstrengung. Auch Alecya legte sich hin.
Mein Bett kam mir vor wie der himmlischste Ort auf Erden und trotz dass Alecya sich ständig herumwälzte - wahrscheinlich aus Sorge um Tiana - war ich schnell eingeschlafen.

***

Das Zimmer war dunkel bis auf ein Fenster, durch das Sonnenstrahlen fielen und den tanzenden Staub zum Glitzern brachten. Zwei Personen hielten sich in dem Raum auf, eine saß am Schreibtisch, die andere stand daneben. Es waren Acrain und Jason, was mein Herz schon wieder auf Hundertachtzig brachte.

Acrain beachtete mich nicht und starrte weiterhin mit wütendem Gesicht zu Jason. Dieser hingegen starrte mich fassungslos an. In diesem Moment wirbelte Acrain herum und stürmte an mir vorbei durch die Tür. Ich wunderte mich, denn er schenkte mir keinen Blick, obwohl ich im ersten Moment fürchtete, gleich als Hackfleisch zu enden.

Kaum war Acrain aus dem Raum, sprang Jason auf, durchquerte das Zimmer mit großen Schritten und packte meinen Arm. Er drückte mich mit ausgestrecktem Arm an die Wand, bevor er mich losließ. »Was - zum - Teufel - tust - du - hier?!«, zischte er durch seine zusammengepressten Zähne.

»Ich - was?!« Seit wann fragten sich Personen in Träumen, warum der Träumer dort war? »Na, wie bist du hier hereingekommen? An allen vorbei, ohne Acrain aufzufallen? Er hat dich nicht mal beachtet!« »In Träumen taucht man doch immer irgendwo auf. Da geht es nicht um Logik«, meinte ich entnervt.

Konnte man wenn man schon träumte, etwas Schönes träumen? »Träume?!«, sagte Jason und sah mich an, als wäre ich ein pinkes Pony. »Verdammt, du stehst hier in meinem Arbeitszimmer. Das ist kein Traum! Ich bin hellwach!« Das ergab keinen Sinn.

»Ich bin ganz einfach eingeschlafen. Jetzt bin ich hier. Welchen eindeutigeren Beweis gibt es dafür, dass dies ein Traum ist?«, erwiderte ich und sah ihn ungeduldig an. »Allerdings habe ich meinem Unterbewusstsein doch verboten, von dir zu träumen. Mist, mist, das ist peinlich.

Na ja, dein echtes Ich wird das zum Glück nie erfahren...«, murmelte ich vor mich hin. Dafür erntete ich erneut einen Blick, als hätte ich psychische Probleme. »Nur noch einmal. DU. TRÄUMST. NICHT!«, rief Jason und fuhr sich durch die Haare.

»Aber wie kann das sein...das geht doch nicht...es sei denn...nein. Du kannst das nicht sein und getan haben. Das ist einfach nicht möglich...« Sein Gebrabbel ging mir ordentlich auf die Nerven. Ich träumte. Und die Person in meinem Traum beteuerte, es wäre keiner.

War das nicht Standard? Ich beschloss, den Traum zu beenden. Bekanntlich half Schmerz, also ging ich zum Schreibtisch, packte eine Stecknadel und rammte sie mit Schwung in meinen Finger. Es tat verdammt weh, aber half nichts. Dieser Traum wurde ja immer blöder!

Ich schüttelte meine Hand, um das Piksen der Nadel zu vertreiben. »Au au au, verdammt!« Jason sah mir mit undefinierbarem Ausdruck zu. Alles verschwamm um mich herum, wurde unscharf, wie durch einen Weichzeichner gefiltert.

Die Schwärze verschlang alles und als ich blinzelte, lag ich in einer Höhle auf meiner Matratze, die Sonne, die durch die Löcher drang, malte Kringel an die Wand. Endlich wach. Was für ein Horrortraum!

Ich starrte auf meinen pochenden Finger. Ein kleines Einstichloch war zu sehen und langsam, ganz langsam bildete sich der erste Blutstropfen.

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt