63. »Du bist nicht allein.«

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Ich sah auf und blickte in Tymians Augen. »Tatsächlich?« Meine Stimme glich nach wie vor einem Schleifsteingeräusch.
»Ja.« Er sah in die Ferne und schien einen Moment ganz weit weg. »Auch ich bin nicht hier aufgewachsen. Ist eine lange Geschichte, nicht wirklich wichtig.

Aber du hast jemanden, dem du vertrauen kannst, der dich niemals im Stich lassen würde, nach dem, was du erzählt hast: Luke. Und auch, wenn du uns noch nicht lange kennst, sag ich dir: die Allianz hat ehrliche Absichten.

Hier ist niemand hinter dir her, weil du besondere Kräfte hast und irgendwie wertvoll für uns sein könntest.
Es kommt nicht darauf an, ob du Kräfte hast. Es geht darum, ob du für das Gute einstehst.«

Bei seinen letzten Worten blickte er mir direkt in die Augen, was mich endgültig aus meinem Graben der Enttäuschung hob. Bedächtig nickte ich. Meine verkrampften Finger lockerten sich.

Nach einer weiteren kurzen Zeit des Schweigens zog Tymian mich hoch. »Lass uns zurückgehen. Es wird trotz Frühling nachts ganz schön kühl hier draußen.« Einträchtig liefen wir zurück zu den Höhleneingängen.

»Du bist nicht allein, denk dran«, verabschiedete Tymian sich, bevor er mit den Schatten der Umgebung verschmolz. Irgendwie hatten seine Worte mir etwas geholfen.
Aber ich wollte trotzdem nicht zurück zu Alecya, in diese Höhle, in die Einsamkeit.

So beschloss ich, einfach zu den Jungs zu gehen. Immerhin wusste Luke noch nichts von Alecyas Lüge... Ich war mir nicht sicher, ob das auch lieber so bleiben sollte, bei seiner Impulsivität...

***

Als ich in die Höhle trat, die Luke und Connor seit unserer Ankunft bewohnten, wurde ich ehrlich überrascht. Eigentlich hatte ich gedacht, die beiden würden zeternd gegenüberstehen, vielleicht ein bisschen Geschrei; aber jeder saß beziehungsweise lag auf seinem Lager und beachtete den anderen nicht.

Connor hatte sich zur Seite gedreht und tat so, als würde er schlafen - zumindest sah er verdächtig verspannt aus - , Luke saß dem Eingang abgewandt mit düsterem Gesichtsausdruck auf seiner Matratze, die Decke über die Schultern gezogen.
»Luke?«, fragte ich und näherte mich ihm. Er sah kurz zu mir und rückte dann zur Seite, damit ich Platz hatte. »Was ist los? Wieso bist du nicht nebenan und schläfst?«, fragte er leise. »Stress mit Alecya«, flüsterte ich zurück und rutschte neben ihm auf die Matratze.

»Na, was hältst du davon: Connor zieht zu Alecya, dann haben wir beide unsere Ruhe«, scherzte Luke. Ich konnte sein Grinsen förmlich spüren. »Gute Idee«, murmelte ich. »Ich kann auf all das nur zu gerne verzichten!«

***

Blinzelnd öffnete ich die Augen und bewegte mich langsam. Mein Rücken schmerzte und plötzlich war da kein Bett mehr, nur noch Leere, und ich fiel. Mit einem lauten Plumps landete ich auf dem Höhlenboden.

Wieso war das Bett auf einmal so klein? Ach ja, es war Lukes Bett. Und er lag noch darin, was für mich weniger Platz bedeutete. Ich musste irgendwann im Verlauf unseres Gespräches eingeschlafen sein.

Moment...ich war hergekommen, weil...
Die Erkenntnis traf mich endlich. Alle gestrigen Ereignisse prasselten wie kleine, spitze Kiesel auf mich ein und ich wollte mich nur noch davor verschließen.

Wie um alles in der Welt sollte ich Luke das mit Alecya beibringen?
Fahrig schob ich mir die zerzausten Haare aus dem Gesicht, die dabei unangenehm ziepten. Als mein Blick auf die zerkratzten Handrücken fiel, musste ich an diesen Traum denken, den ich gehabt hatte.

Der Gang war dunkel. Es war wieder ein so realistischer Traum, wie der davor...mit Jason. Nur dass es diesmal kalt war. Außerdem roch es muffig und man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Dann wurde mir bewusst, dass ich schon wieder nicht alleine in meinem Traum war.

Schritte näherten sich, waren fast schon bei mir angekommen. Schnell drückte ich mich flach an die Wand, denn Personen aus meinen Träumen wollte man nicht wirklich kennen lernen. Die Dunkelheit würde mich vor der anderen Person sicher verbergen.

Doch das Unvermeidliche geschah - die Schritte stoppten genau vor mir und kamen noch näher! Als ich eine Hand spürte, die meine Schulter streifte, bekam ich fast einen Herzinfarkt. Ich reagierte blitzschnell, holte aus und klatschte der Person eine.

Es fühlte sich an, als ob ich das Gesicht getroffen hätte.
Dann rannte ich los. Nun ja, ich WOLLTE losrennen, doch mein Schlag hatte wohl nicht ausgereicht. Zwei starke Arme schlangen sich von hinten um meine Taille und drückten mich wieder gegen die Wand, wobei sich ein Stein unangenehm in meine Wange bohrte.

Die Kälte des Steins betäubte mein Gesicht und ich zappelte, um mich befreien zu können, was mir jedoch mehr schlecht als recht gelang. Eine Taschenlampe flammte auf und mir wurde ins Gesicht geleuchtet.

Ich kniff die Augen zusammen und wollte mir die Hand schützend vors Gesicht halten, was aber ohne freie Arme schlecht möglich war. »Connie?« Im selben Moment wurde ich losgelassen und das Licht wieder ausgemacht. Die leicht raue Stimme meines Gegenübers erinnerte mich an jemanden ganz Bestimmten...

Ein frohes (und leicht verspätetes) neues Jahr euch!

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt