56. »Sie nennt sich Attica.«

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Gemeinsam mit Matt stiegen Tymian, Alecya und ich die Treppen wieder hoch und gelangte durch einen weiteren der vielen Tunnel wieder ans Tageslicht. Allerdings kletterten wir von dem schmalen Sims am Ausgang eine Leiter hoch und betraten den nächsten Gang.

Augenblicklich schlug uns der Geruch von gebratenem Speck und frischen Brötchen in die Nase und eine laute Geräuschkulisse fröhlicher Stimmen empfing uns. Der Gang machte einen Knick und wieder hatte ich das Gefühl, in unserer Schule zu sein.

Eine große Cafeteria füllte den hellen Raum und eine lange Ausgabetheke, hinter der Menschen mit Schürzen standen, säumte eine Seite davon. Lange, voll besetzte Tischreihen standen davon ausgehend und überall...saßen Leute, im Alter von mir, aber auch Erwachsene und sogar Kinder entdeckte ich.

Es sah aus wie in einem Hotel, als wären all diese Leute hier zu Hause. Und da wurde mir bewusst: das hier war ihr Zuhause. All diese Leute hier mussten in diesem Versteck leben, aber sie waren glücklich.
Ich glaubte nicht, dass ich das tun konnte.

Meine Eltern warteten auf mich. Ich konnte mich nicht ewig hier verstecken, aber wie sollte ich jemals in der Welt draußen ein normales Leben führen können, ohne meine Familie da mit hineinziehen, wenn ich ein Drachenwandler war? Ich musste mir wirklich etwas einfallen lassen.

»Connie?«, fragte Tymian und ich wurde mir bewusst, dass er mir eine Frage gestellt hatte. »Was?«, fragte ich blinzelnd und versuchte, die finsteren Überlegungen zu verscheuchen. »Da hinten sind eure Freunde. Wollt ihr euch zu ihnen setzen?«, wiederholte Tymian geduldig.

Ich ließ meinen Blick noch einmal über die Tischreihen gleiten und entdeckte Luke und Connor, die in ein wildes Streitgespräch vertieft waren. Was auch sonst.

Neben ihnen hockte ein genervt wirkender Teamon und winkte, sobald er uns entdeckt hatte, seinen Bruder zu sich. Es war wie beim letzten Mal genauso verwirrend, die beiden nebeneinander zu sehen. Einzig Tymians blaue Strähne verriet, wer da vor einem stand.

Alecya schob sich zwischen die beiden Streithähne und fragte, an Luke gerichtet: »Und, hattet ihr auch Schwertkampftraining?« Mit finsterer Miene nickte Luke, während ich mich auf die andere Seite der Bank neben ihn setzte.

»Aber der Verräter meinte, betrügen zu müssen!«, giftete Luke und krallte sich in seiner Serviette fest. »Gar nicht wahr!«, rief Connor dazwischen. »Ich habe nur ein bisschen Extrakraft eingesetzt!« Luke bedachte ihn nur mit einem tödlichen Blick, den sein Rivale feurig erwiderte.

Alecya, die bisher auffallend still gewesen war, stieß die beiden mit jeweils einem Ellbogen an. »Jungs, wir sollten uns dringend darauf einigen, nicht ständig zu streiten.« Luke blickte wütend auf sein Rührei, seine grün-braunen Augen funkelten aufgebracht.

Teamon seufzte, anscheinend erleichtert, dass das Gezanke ein Ende gefunden hatte. Ich blickte auf und einem Mädchen direkt in die Augen. Sie saß einige Bänke entfernt, und doch bohrte sich ihr Blick in mich hinein, starr und ohne zu blinzeln.

Ich konnte ihre Augenfarbe auf die Ferne nicht erkennen, aber sie waren auffallend hell, was ihren starren Blick nur noch gruseliger machte.

Die braunen Augenbrauen zusammengezogen und ihre Lippen zusammengepresst wandte sie die Augen unvermittelt ab und sagte etwas zu ihrem Nebensitzer, wobei ihre langen braunen Haare anmutig in ihr Gesicht schwangen.

Ich konnte nicht erkennen, mit wem sie sprach, da eine Gruppe Menschen mir die Sicht versperrte, aber in meinem Magen bildete sich ein ungutes Gefühl. »Wer ist das Mädchen da?«, fragte ich an Teamon gerichtet. »Sie nennt sich Attica«, antwortete er verwundert. »Warum?«

Ich schüttle nur den Kopf und wandte mich ab. Bestimmt reagierte ich mal wieder über. Wir waren jetzt sicher. Alecya und ich stellten uns in die Schlange, um unsere Tabletts in Empfang zu nehmen, und ich vergaß Attica nach und nach.

Es gab einfach so viel Anderes, was im Moment wichtiger war. Unser größtes Problem war nach wie vor Tiana, die ich mir nur mit großen Schuldgefühlen in Erinnerung rief. Wir hatten kein Heilmittel, aber möglicherweise, ganz vielleicht gab es noch Hoffnung.

Und dazu musste ich nur unbemerkt ins Labor gelangen und das dicke Buch, das auf einem der Pulte gelegen hatte und den Titel »Heilmittel gegen Flüche« getragen hatte, etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Ich wusste nicht, wie viel die anderen den Mitgliedern der Allianz, unter anderem Tymian, verraten hatten, aber vermutlich wussten sie noch nichts über Tiana.

Ich konnte nicht auf ihre Hilfe zählen, aber dank Contulas' Hilfsbereitschaft hatte ich etwas in der Hand, was meinen völlig verrückten Plan möglich machte: Unsichtbarkeit.

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