9. »Es wird dir gefallen.«

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Am darauf folgenden Tag nahm ich mir fest vor, Luke zum Trainieren zu überreden. Diese Drachensache war einfach nicht mein Ding. Ich brauchte ein wenig Normalität.

Außerdem wollte ich ihm von Connors seltsamem Verhalten wegen seiner Schuppenfarbe erzählen, vielleicht konnte er sich einen Reim darauf machen. Bevor ich aber losging, schaute ich noch einmal in den Spiegel.

Ich ließ die Schuppen hervortreten und prüfte, ob es mehr geworden waren. Jetzt reichten mir die blauen Dinger bis zum Kinn und über die Hälfte meiner Brust. Wie es wohl bei Luke aussah? Schnell ließ ich sie wieder verschwinden und ging zum Frühstück.

Der Geruch von frischem Kaffee empfing mich wie jeden Morgen, als ich die Treppe zum Esszimmer hinunterstieg.
Mich überraschte, dass meine Eltern Mary Ida und Mike beide schon am Esstisch saßen und erwartungsvoll in meine Richtung schauten.

Meine Mutter trug ihre hellbraunen Haare wie immer streng zusammengeknotet in einem Dutt, mein Vater hatte seinen Laptop, hinter dem er sich sonst durchgehend verschanzte, zur Seite gestellt.

Misstrauisch setzte ich mich an meinen Platz und schüttete Cornflakes in meine Schale. Da meine Eltern immer noch bedeutungsvoll schwiegen, goss ich hastig noch Milch über die Cornflakes und begann zu essen.

Unruhig schob ich das Tischtuch in Falten und löste diese gleich wieder.
Endlich unterbrach Mike das spannungsgeladene Schweigen. »Morgen haben Mary und ich eine kleine Überraschung für dich!«

Beinahe verschluckte ich mich an der Milch. Hatte ich mich verhört? »Wir gehen campen!«, fügte Mary Ida begeistert hinzu. Jetzt verschluckte ich mich wirklich. Hustend krallte ich mich an der Tischkante fest. »Was?«

Die Gesichter meiner Eltern leuchteten wie Weihnachtsbäume. »Wir gehen übers Wochenende campen, ist das nicht großartig?«, wiederholte Mike. »Sicher«, keuchte ich. »Wow.« Das letzte Mal, dass wir einen Ausflug gemacht hatten, war vor zwei Jahren zu meinem vierzehnten Geburtstag gewesen.

Und das letzte Mal, dass wir einen Campingausflug gemacht hatten...daran hatte ich schon keine Erinnerung mehr. »Wo...geht es denn hin?« »Eine Campingwiese, ungefähr zwei Stunden entfernt. An einem Waldrand, aber hauptsächlich auf einem Feld. Es wird dir gefallen«, erklärte Mary Ida.

Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Es gibt noch eine Überraschung.« Ohje. Was denn jetzt noch...? »Du darfst jemanden mitnehmen! Wir werden ein paar geschäftliche Ausflüge machen, bei denen du nicht mitkommen kannst. Das wäre ja dann langweilig für dich.

Also haben wir uns überlegt, dass du eine Freundin oder so mitnehmen könntest.« Erleichtert atmete ich auf und widmete mich wieder meinen Cornflakes. Natürlich fuhren wir nur hin, weil ihr Job es verlangte. Alles andere wäre echt seltsam gewesen.

Es war klar, wen ich mitnehmen würde. Luke natürlich. Er würde sich freuen, mal aus Welshnam herauszukommen. Seine Familie hatte kaum Geld, und seine vier Geschwister machten es auch noch schwerer. Ich wusste, wie selten sie wegfuhren.

»Ich nehme Luke mit«, meinte ich nebenbei. Mike sah mich scharf an. »Einen Jungen?« Mary Ida legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm. »Sie hatte die Wahl. Und Luke ist anständig.« Mike knurrte unwillig, widersprach aber nicht. Ich stand auf.
»Ich muss dann mal los!« Ich verabschiedete mich, schnappte die Schulsachen und lief los. Gerade noch rechtzeitig huschte ich in die Englischstunde. Frau Safrit erzählte irgendetwas über das Past Progressive, oder so, und ich nutzte die Zeit, um einen Zettel zu schreiben.
»Campingausflug, dieses Wochenende. Du kommst mit«, kritzelte ich in mein Vokabelheft und schob es unauffällig in sein Sichtfeld. Lukes Augen weiteten sich, als er den letzten Satz las. Er malte einen fetten Smiley unter meine Worte.

Keine Frage, er freute sich. In der ersten Pause stürzte er sich schon auf mich. »Ist das dein Ernst? Wo soll es hingehen? Oh man, ich freu mich so! Du bist genial, Connie!« Ich erzählte es ihm.

Mit einem verschwörerischen Zwinkern meinte er schließlich: »Also ich weiß, was ganz unten versteckt in meinem Gepäck liegt. Mein Bogen!« Begeistert lachte ich. »Super Idee!« Auf einmal fragte eine Stimme von hinten: »Was ist eine super Idee?«

Ich wirbelte herum - es war Connor. »Ach...wir haben nur über die neuesten Spickzettel - Methoden gesprochen«, flunkerte ich rasch. »Und welche Methode war so super?«, fragte Connor begeistert. Panisch überlegte ich.

»Ähm. Der. Mit...äh...« »...der mit dem Flaschenetikett«, ergänzte Luke. Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu. In diesem Moment klingelte der Pausengong und befreite uns aus der misslichen Lage. »Wir müssen zum Unterricht!«, rief ich und wollte loslaufen.

»Seit wann hast du es so eilig, in den Unterricht zu kommen?«, fragte Connor verwundert. »Ach...Frau Safrit ist immer so pünktlich!«, murmelte ich mit hochrotem Kopf, packte Luke und stiefelte los, ohne mich noch einmal umzudrehen.

Kopfschüttelnd ließ Luke sich hinterherschleifen und meinte nur: »Was mischt der sich einfach so in unser Gespräch ein?! Nur weil er auch Schuppen hat? Aufdringlicher Kerl.« Ich behielt meine Meinung lieber für mich.

Dragons-Magische VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt