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"Guten Morgen."

Müde blinsle ich ein paar Mal gegen das Licht. Eine Sekunde lang muss ich überlegen was ich in Wincents Bett mache, doch dann fällt es mir wieder ein.

Mir fällt alles wieder ein und ich muss unwillkürlich lächeln.

"Warum lächelst du?", fragt mich Wincent.

Ich drehe meinen Kopf und sehe ihn an.

"Darum.", sage ich und ziehe ihn sanft in meine Arme.

Es tut so gut Wincent endlich in meinen Armen zu haben mit dem Wissen, dass es mehr zu bedeuten hat. Es bedeutet so viel mehr. Aber bedeutet es das auch für Wincent?

"Du weißt, dass wir über so vieles miteinander reden müssen, oder?", frage ich leise.

"Ja, das werden wir auch.", entgegnet er und küsst mich sanft auf mein Schlüsselbein.

"Kommt ihr mit Frühstücken?"

Erschrocken zucken Wincent und ich zusammen und drehen uns zu Mama, die gerade die Tür aufreißt.

"Mama!", schreie ich entsetzt.

Ich fühle mich wieder einmal ertappt, obwohl nichts passiert ist. Das stimmt nicht, es ist einiges passiert. Zwischen Wincent und mir hat sich letzte Nacht alles auf einen Schlag verändert. Aber dennoch gibt es keinen Grund wieso mir die Situation gerade unangenehm sein müsste. Mama hat Wincent und mich schließlich gestern Morgen auch schon gemeinsam im Bett gesehen.

"Ja, was denn? Ihr seid doch immerhin nicht nackt.", zuckt sie lachend die Schultern. "Und, was ist jetzt? Kommt ihr?"

Ich versuche ein Kissen nach ihr zu werfen, was mir kläglich misslingt. Es landet auf halber Strecke auf dem Boden, was aber vielleicht auch daran liegt, dass Wincent und ich uns nachwievor in den Armen liegen und ich mich nicht wirklich umdrehen konnte.

"Okay, schon gut. Dann gehen wir eben alleine zum Frühstücken.", schüttelt Mama lachend den Kopf.

Sie dreht sich um und geht aus dem Raum. Doch kurz bevor sie die Tür hinter sich schließt, dreht sie sich noch einmal um. Sie mustert uns von Oben bis Unten und grinst mich dann vielsagend an.

Nachdem Mama das Zimmer verlassen hat, lässt Wincent mich los und rutscht ein Stück zurück, sodass er mit dem Rücken an die Wand gelehnt sitzen kann.

"Okay, dann mal los.", sagt er und atmet einmal tief durch. "Reden wir."

Ich blicke zuerst an Wincent und dann an mir herunter.

"Ernsthaft? Du trägst nur eine Boxershorts und ich eine meine Schlafshorts und ein Shirt und sehe vermutlich aus wie ausgekotzt. Jetzt willst du darüber reden?", frage ich verwundert.

"Klar, wieso nicht? Es ist doch nichts dabei.", lacht er.

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und sehe ihn mahnend an. Natürlich müssen wir das Gespräch führen und das am besten sofort, aber doch nicht so. Wincents nackter Oberkörper würde mich nur andauernd ablenken. Und ich fühle mich nicht wohl mit ihm über Gefühle zu reden, während meine Haare zerzaust und mein Gesicht zerknautscht sind.

"Darf ich denn wenigstens eben mal kurz ins Bad gehen?", bitte ich ihn.

Er lacht kurz, nickt und macht eine Handbewegung zur Zimmertür. Dankend nickend stehe ich auf und gehe hinüber.

"Und du zieh dir bitte etwas an.", sage ich.

"Wieso?", grinst Wincent mich schief an. "Bringt dich das zu sehr auf andere Gedanken?"

Ich ziehe nur eine Augenbraue nach Oben und verschwinde dann aus dem Zimmer.

Natürlich würde es mich auf andere Gedanken bringen. Aber bevor wir diesen Schritt gehen müssen die Dinge zwischen uns geklärt sein.

Ich ziehe mich schnell um, putze mir die Zähne, wasche mir mein Gesicht und kämme meine Haare. Danach setze ich mich für einen Moment auf das Bett, um meine Gedanken zu sammeln. Was will ich Wincent sagen? Wie soll das mit uns weitergehen? Gibt es überhaupt ein uns?

Und wie steht Wincent zu all dem? Er hat mir gestern gesagt, dass er schon lange Gefühle für mich hat. Aber das heißt nicht, dass er sich auch etwas mit mir vorstellen kann. Wie wird das Gespräch also verlaufen?

Und was kann ich mir überhaupt vorstellen? Kann ich mir mehr mit ihm vorstellen? Eine Beziehung? Eine Beziehung mit jemandem, der permanent in der Öffentlichkeit steht? Ist das etwas, das ich will? Eine Beziehung mit jemandem, der von hunderten Mädchen umgarnt wird? Eine Beziehung mit jemandem, der mindestens das halbe Jahr nur unterwegs ist?

Will ich eine Beziehung mit Wincent?

Ich muss aufhören so viel darüber nachzudenken, denn das macht mich nur noch unsicherer und verwirrt mich noch mehr. Ich muss mir einfach anhören, was Wincent von all dem hält.

Also stehe ich auf und gehe zurück in Wincents Zimmer. Bevor ich die Tür öffne atme ich noch einmal tief durch.

Wincent steht an seinem Fenster und sieht hinaus. Als er hört, dass ich ins Zimmer gekommen bin, dreht er sich langsam um und sieht mich an.

"Hi.", sagt er.

Wann ist das denn passiert? Plötzlich ist Wincent unsicher und weiß nicht recht mit der Situation umzugehen. Verunsichere ich ihn etwa? Oder die gesamte Situation?

"Lass uns doch nach Draußen gehen.", schlage ich vor. "Hier ist es doch irgendwie so gezwungen, findest du nicht?"

Wincent nickt und wir gehen nach Draußen.


Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now