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Am Freitag Vormittag werde ich durch das Klingeln meines Handys geweckt. Es ist Wincent. Endlich! Ich hatte ihm am Mittwoch Abend und auch im Laufe des gestrigen Tages mehrere Nachrichten geschickt und ihn auch versucht zu erreichen, doch er hat auf nichts reagiert. Währenddessen hing mir Julia im Nacken und wollte andauernd wissen, ob ich schon etwas arrangieren konnte.

"Wincent, na endlich! Ich dachte schon ich muss eine Suchmeldung aufgeben.", hebe ich erleichtert ab.

"Entschuldige! Es war gestern noch so viel zu erledigen vor dem Urlaub, da habe ich wirklich kaum auf mein Handy geguckt. Es scheint ja dringend zu sein. Ist irgendetwas mit dem Urlaub?", entgegnet er.

"Nein, nein. Keine Angst, da ist alles wie geplant. Aber, sag mal, ab wann bist du denn eigentlich in München? Du fliegst ja mit meiner Mama und mir am Montag auch von hier, richtig? Und Angelika fliegt seperat ab Hamburg.", versuche ich einen Einstieg in das für mich unangenehme Gespräch zu finden.

"Ja, genau so ist der Plan. Ich werde heute Abend schon in München landen, aber bin bis Sonntag Abend noch im Studio bei Kevin beschäftigt. Wir wollen noch einmal richtig produktiv sein.", erzählt er. "Wieso fragst du? Möchtest du etwa mal wieder vorbei kommen?"

Ich kann es direkt vor mir sehen, wie seine Augen beginnen zu strahlen bei dem Gedanken daran, dass ich ihn im Studio besuchen komme. Wincent liebt es, wenn ich ihn bei seiner Arbeit besuche. Sei es auf Konzerten, bei den Proben mit der Band oder eben im Studio. Es macht ihm riesig Spaß mir seine Welt zu zeigen.

"Ja, hatte ich in Erwägung gezogen.", antworte ich. "Wäre das denn in Ordnung?"

"Aber klar, natürlich! Du bist doch immer willkommen! Wann möchtest du denn kommen? Der Sonntag wäre vermutlich am besten. Dann könntest du mich abends gleich mitnehmen, ich würde bei dir übernachten und dann könnten wir am Montag dann von dir aus zum Flughafen fahren. Was denkst du?"

Wincent plappert wie ein Wasserfall, woran ich erkenne, wie aufgeregt er ist.

"Klar, klingt gut."

Doch da fällt mir ein, dass ich ja Julia noch irgendwie unterbringen muss. Und wie will ich Julia erklären, dass ich Wincent auf dem Rückweg mitnehme? Außerdem wollte ich am Sonntag doch noch einmal etwas mit Sebastian unternehmen.

"Ach, doch nicht.", rudere ich zurück. "Sonntag treffe ich mich noch mit Sebastian. Wie wäre es denn morgen?"

"Okay, geht auch."

Ich höre an seiner Stimme, dass die Euphorie ein wenig abgenommen hat, als ich Sebastian erwähnt habe.

"Aber du kannst natürlich trotzdem Sonntag Abend zu mir kommen und hier schlafen.", versuche ich ihn zu besänftigen.

Ich muss versuchen seine gute Laune zu halten.

"Okay, super.", steigt seine Laune wieder ein wenig.

"Du, ich hätte da auch noch ein kleines Attentat auf dich.", gebe ich kleinlaut zu.

"Ach ja?"

Ich höre wie er tief durchatmet.

"Du willst jetzt aber nicht Sebastian mit in den Urlaub nehmen, oder?"

"Quatsch!", lache ich. "Nein, niemals."

Erschrocken über meine eigenen Worte bremse ich mich selbst aus.

"Nein, darum geht es nicht.", sage ich wieder ernst. "Ich möchte dich um einen Gefallen bitten."

"Okay... Ich höre?", sagt er vorsichtig.

"Sebastians kleine Schwester, Julia, ist ein riesen großer Fan von dir und..."

"Nein, Kat. Nein.", unterbricht er mich schnell. "Du weißt, dass ich das nicht möchte."

"Aber du weißt doch noch gar nicht worum es geht.", protestiere ich.

"Doch, klar. Du willst irgendwie ein Treffen arrangieren. Da habe ich echt keine Lust drauf. Ich liebe meine Fans und ich liebe es auch, sie kennenzulernen. Aber nicht in so privatem Umfeld. Und ich mag es nicht, wenn du als Vermittlerin eingesetzt wirst. Wir hatten das Thema doch schon öfter. Es gibt Gründe wieso wir nie gemeinsame Fotos posten und ich nie deinen Namen irgendwo erwähne.", sagt er ruhig.

Ich verstehe jedes einzelne Wort davon. Es war unsere gemeinsame Entscheidung, unsere Freundschaft möglichst geheim zu halten. Wir verstecken uns zwar auch nicht, gehen hin und wieder gemeinsam in die Öffentlichkeit, aber wir stellen sie auch nicht zur Schau. Und es war unsere gemeinsame Entscheidung, dass ich es niemandem außer meinem engsten Kreis sage, dass wir befreundet sind.

"Ich weiß und ich verstehe dich. Aber ich möchte einen guten Eindruck bei seiner Familie hinterlassen. Das wäre doch ein guter Anfang, findest du nicht?", versuche ich mir irgendwelche Argumente zu suchen.

"Das verstehe ich, aber ich möchte nicht dafür benutzt werden.", entgegnet er.

"Wincent, bitte.", sage ich ruhig und beinahe schon bettelnd.

Mir treten tatsächlich die Tränen in die Augen, weil ich plötzlich Angst davor bekomme, dass Julia ihr Druckmittel einsetzt, weil ich Wincent nicht überzeugen kann.

"Weinst du?", fragt er überrascht.

"Nein.", sage ich schnell.

Er atmet tief ein und aus und schweigt beinahe zwei Minuten lang.

"Okay.", seufzt er schließlich.

Nein, Mist. Bitte nicht!

Natürlich hatte ich ja genau das gewollt, aber irgendwie auch nicht. Denn jetzt lernt er Julia kennen.

"Danke. Ich schulde dir etwas!", sage ich erleichtert.

"Du schuldest mir eine Menge!", schnaubt er. "Wann wollt ihr denn morgen da sein? Im Studio hat sie nichts zu suchen, aber wir können uns gerne in einem Café in der Nähe treffen."

"Klar, das passt auch. Wir müssen nicht ins Stuido."

Ich bin sogar sehr erleichtert darüber, dass er Julia diesen Einblick in sein Leben nicht geben will. Den hat sie auch überhaupt nicht verdient!

"Also wann dann?"

Ich merke es ihm an, dass er von dieser Idee alles andere als begeistert ist. Aber er tut es für mich.
Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihm dann so ein blödes Biest vorstellen werde.

"Ich werde mal mit ihr sprechen, aber ich würde jetzt einfach mal sagen am Nachmittag? Wann würde es dir denn passen?"

"Gleich Vormittags wäre mir lieber, weil wir normalerweise am Nachmittag mit dem Recorden anfangen."

"Okay. Dann sage ich mal so gegen 10Uhr? Ist das in Ordnung?"

"Ja, das passt. Ich schreibe dir dann eine Adresse."

Wir verabschieden uns voneinander und ich schreibe eine Nachricht an Julia.

> Ich hole dich morgen um 9:15Uhr ab! Treffen mit Wincent um 10Uhr. <

Verdammter Mist, wo habe ich mich da denn nur hinein geritten? Wincent wird mich dafür hassen, wenn er das rausbekommt.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now