32)

1.5K 38 5
                                    

Es ist mittlerweile Mittwoch und Amelie verabschiedet sich gerade in die Mittagspause. Heute bleibe ich zusammen mit Mama über Mittag im Geschäft. Wir bequatschen noch ein paar Dinge bezüglich des Urlaubs und essen dann eine Kleinigkeit zusammen.

Nach einer Stunde kommt Amelie mit dem Handy am Ohr zurück.

"Das ist doch nicht dein Ernst?", schimpft sie ins Telefon. "Du musst mir unbedingt die Bilder schicken! Das muss ich mir ansehen. Wer ist die denn? Hat man die schon einmal zusammen gesehen?... Schon öfter? Wieso weiß ich davon nichts? Das ist total an mir vorbei gegangen!... Ja, gut. Ich muss gleich wieder arbeiten. Schick mir bitte einfach die Bilder, ja?... Okay, danke. Bis später."

Sie legt auf und wirft ihr Handy auf ihren Schreibtisch.

Mich beschleicht irgendwie das dumpfe Gefühl, dass es um die Fotos von Wincent und mir geht.

Mama wirft mir einen fragenden Blick zu und will dann von Amelie wissen, was sie denn so in Rage bringt, doch die winkt nur ab. Sie hängt ihre Handtasche über ihre Stuhllehne und lässt sich dann laut schnaubend auf ihren Stuhl fallen.

"Was ist denn los?", versuche es nun ich.

"Werde ich dir gleich zeigen.", antwortet sie, ohne ihren Blick vom Handy abzuwenden.

Ein paar Sekunden später vibriert es und sie greift blitzschnell danach. Sie scrollt eine Weile darauf herum ehe sie mir das Handy unter die Nase hält.

"Hier, guck dir das an!", ruft sie.

Meine Befürchtung bestätigt sich und mir läuft es kalt den Rücken hinunter. Damit wären dann die Jahre der Geheimhaltung zu Ende.

"Wer ist die denn? Was will er von der? Ist das etwa seine Freundin?", beginnt sie wieder zu schimpfen.

Wie bitte?! Scheinbar hat sie mich gar nicht erkannt. Na, dann habe ich ja doch noch einmal Glück gehabt!

"Wer ist das denn überaupt? Dein Ex?", frage ich scheinheilig.

Ich sehe, wie Mama sich auf ihrem Stuhl so weit zurücklehnt, dass sie ebenfalls einen Blick erhaschen kann. Sie zieht sofort ihre Augenbrauen nach Oben und sieht mich erschrocken an. Sie hat die Personen auf den Bildern scheinbar sofort erkannt.

"Das ist Wincent Weiss, du Dummi!", kichert sie kurz, wird dann aber sofort wieder ernst. "Und offenbar hat er jetzt eine Freundin!"

"Aber wer sagt das denn? Das ist doch nur ein Kuss.", versuche ich sie zu beruhigen.

"Na, klar. Wer küsst denn als Promi bitte irgendjemanden in der Öffentlichkeit ohne, dass da mehr dahinter steckt? Das macht kein Promi! Jeder ist sich doch dessen bewusst, wie das dann aussieht. Ansonsten ist er schon schön blöd, wenn er seine Affäre einfach so küsst.", lacht Amelie.

"Wieso denn blöd?", gehe ich sofort in den Verteidigungsmodus. "Vielleicht hat er sich auch einfach nur von der Situation oder der Stimmung mitnehmen lassen. Deshalb müssen die beiden ja kein Paar sein."

"Katharina, hast du kurz einen Moment? Ich muss dir in der Werkstatt etwas zeigen.", schreitet nun Mama ein.

Ich nicke kurz, stehe auf und wir lassen unsere Azubine alleine im Büro zurück.

"Danke.", sage ich, sobald wir außer Hörweite von ihr sind.

Ich bin wirklich dankbar, dass sie mich aus der Situation herausgeholt hat.

"Gern geschehen."

Sie verschränkt die Arme vor ihrer Brust und zieht dabei die Augenbrauen hoch. Ich sehe sie fragend an.

"Du schuldest mir eine Erklärung.", sagt Mama streng.

"Wofür? Du kennst doch Wincent und mich. So sind wir eben.", zucke ich die Achseln.

"Klar. Aber ich dachte nicht, dass ihr damit weiter macht, obwohl es jetzt Sebastian in deinem Leben gibt.", antwortet sie.

"Machen wir doch gar nicht.", protestiere ich.

Da fällt mir auf, dass Mama gerade indirekt zugegeben hat, dass sie über Wincent und mich Bescheid weiß. Doch ich möchte jetzt nicht weiter darauf eingehen. Immerhin ist das Vergangenheit. Und wir sind beide alt genug. Ich muss ihr gar nichts erklären.

"Das sieht auf diesen Bildern aber ganz anders aus.", sagt Mama.

"Es sieht nach viel mehr aus, als es war. Es war ein einfaches Abschiedsküsschen, nicht mehr. Das hatte nichts zu bedeuten.", versuche ich ihr die Situation zu erläutern.

"So so...", schmunzelt sie.

"Komm, gehen wir zurück. Amelie hat sich bestimmt schon wieder beruhigt.", schlage ich vor.

Tatsächlich hatte sie sich wieder beruhigt und war schon wieder in die Arbeit vertieft. Bis zum Feierabend spricht sie nicht mehr als nötig. Die Bilder scheinen sie immer noch zu beschäftigen. Aber wieso denn überhaupt? Selbst wenn Wincent und ich zusammen wären, was gäbe ihr denn dann das Recht, so wütend darüber zu sein? Er ist ihnen doch keine Rechenschaft schuldig.

"Ich mach dann Schluss für heute.", verkünde ich um halb fünf.

Ich hatte mit Mama schon am Morgen abgesprochen, dass ich heute etwas früher gehe, weil ich noch beim Arzt vorbei schauen will, um mir ein Rezept abzuholen.

"Klar. Schönen Feierabend.", sagt Mama.

Als ich mich auf den Weg zum Ausgang mache, bemerke ich, dass es draußen regnet. Ich drehe also wieder um und greife nach dem Regenschirm, der oben auf einem der Schränke im Büro liegt. Als ich mich gerade danach strecke, höre ich Amelie scharf die Luft einziehen.

"Das ist ein Scherz!", schreit sie und ich höre, dass sie von ihrem Stuhl aufspringt.

Auch Mama steht sofort auf und stellt sich neben mich. Was geht hier vor? Ich ziehe den Schirm herunter und drehe mich langsam um. Fragend sehe ich in die Runde.

"Das bist du auf den Fotos!", ruft sie wütend.

Sie greift nach ihrem Handy, öffnet die Bilder und sucht nach einem bestimmten. Sie findet es und zeigt es mir. Und jetzt weiß ich sofort, wieso sie eben so erschrocken die Luft eingezogen hat. Sie hat mein Tattoo wiedererkannt. Ich trage an meiner linken Hüfte ein kleines Schmetterlingstattoo, welches für meine verstorbene Oma steht. Dieses Tattoo hat Amelie vermutlich noch nie gesehen, weshalb sie es auf den Fotos nicht wiedererkennen konnte. Da ich mich auch strecken muss, um Wincent küssen zu können, kommt auch auf den Fotos das Tattoo zum Vorschein. Verdammt!

"Das war's dann wohl mit dem Versteckspiel.", sagt Mama ruhig.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now