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Am nächsten Tag treffe ich mich mittags mit Samira zum Joggen im Park. Wir begrüßen uns kurz und laufen dann auch schon los. Erst nach den ersten zwei Runden setzen wir uns für eine kleine Pause auf eine der Parkbänke.

"Und? Wie war denn dein Date?", will ich von ihr wissen.

"Ach, das war der totale Reinfall.", verdreht sie lachend die Augen. "Der Typ geht gar nicht! Ist der totale Schnösel. Zuerst ließ er die Suppe zurückgehen, weil sie ihm nicht heiß genug war und dann beschwerte er sich über die Garstufe seines Steaks, obwohl sie meiner Meinung nach perfekt war. Das sagte ihm auch der Kellner, woraufhin er mit ihm anfing zu diskutieren. Das war mir so peinlich! Beim Bezahlen gab er dem armen Kerl dann keinen einzigen Cent Trinkgeld."

Ich stimme ihr lachend zu, dass auch ich den Typen ziemlich komisch finde.

"Und wie war dein Schwiegereltern-Date gestern?", fragt sie mich.

"Also mit seinen Eltern lief es eigentlich ganz okay.", antworte ich.

"Das klingt nach einem Aber?", hakt sie nach.

"Ja. Es gab da eine kleine Diskussion mit seiner kleinen Schwester.", sage ich.

"Und das schon am ersten Abend? Wieso das denn?", lacht sie.

"Erinnerst du dich noch an die beiden jungen Mädels, von denen ich dir erzählt habe? Die mich auf der Straße angesprochen haben und wissen wollten, ob ich die von den Fotos mit Wincent bin?"

"Nein?! Im Ernst?", weiten sich Samiras Augen.

"Jap.", nicke ich. "Eine der beiden Mädchen war Julia und die ist Sebastians kleine Schwester.", bestätige ich.

"Und was ist dann passiert? Hast du ihr verklickert, dass du das nicht bist auf den Fotos?"

"Ich habe es versucht, aber es hatte keinen Zweck. Sie hat es mir nicht abgekauft."

"Und hat sie es dann ihrem Bruder gesteckt?"

"Sie hat es zumindest versucht, ja. Aber ich konnte mich herausreden."

"Du hast ihm also immer noch nichts von den Fotos erzählt?", fragt sie ungläubig.

Ich schüttle nur wortlos den Kopf.

"Mensch, Kathi! Du musst ihm davon erzählen! Bevor es seine Schwester tut. Wenn er es von jemand anderem erfährt wird er dir sicherlich nicht glauben, dass da nichts mehr zwischen euch läuft.", redet Samira mir ins Gewissen.

"Ja, ich weiß schon. Aber ich schaffe es einfach nicht. Ich habe ihn ja nicht betrogen, aber..."

"Na ja, wie man es sieht.", unterbricht sie mich. "Das kommt darauf an wo bei ihm Fremdgehen beginnt. Für manche beginnt Fremdgehen schon bei dem einfachen Gedanken an jemand anderen, für manche erst beim Sex. Und ihr habt euch immerhin auch geküsst und nicht nur umarmt."

"Es war nur ein flüchtiges Küsschen. Es war nicht einmal eine Zunge im Spiel!", verteidige ich mich.

"Auf den Fotos sieht das aber leider anders aus.", sagt Samira.

Ich antworte nicht mehr, da ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll. Sie hat schließlich Recht. Es gibt einfach keine Möglichkeit mich aus dieser Affäre zu ziehen.

"Wie hast du dich überhaupt rausreden können? Was hast du ihm denn erzählt?", fragt Samira nach ein paar Minuten Schweigen.

"Er nahm an, dass Julia von Wincents und meiner Vergangenheit gesprochen hat."

Samira sieht mich mit gerunzelter Stirn an.

"Eurer Vergangenheit? Dem Rumgevögel?"

"Ja. Wenn du das so nennen magst...", seufze ich.

"Davon hast du ihm also erzählt, aber von einem einfachen Kuss erzählst du ihm nichts?", fragt sie ungläubig.

"Er hatte mich mal direkt danach gefragt, ob Wincent und ich je etwas miteinander hatten. Nach dem Kuss hat er mich ja nicht gefragt.", zucke ich die Achseln.

"Und du hast ihm davon erzählt, dass ihr über zwei Jahre eine Affäre hattet?"

"Nein. Ich hab mich nicht so klar ausgedrückt. Sebastian geht jetzt jedenfalls davon aus, dass wir nur ein einziges mal miteinander im Bett gelandet sind. Und er dachte, dass seine Schwester irgendwie davon erfahren hat und darüber gestern gesprochen hat.", erkläre ich.

"Aber wie soll sie denn davon erfahren haben?"

"Er denkt, dass Wincent das ausgeplaudert hat und das dann die Runde gemacht hat."

"Als ob er das jemals machen würde.", lacht Samira.

"Ganz genau das habe ich ihm auch gesagt!", nicke ich. "Ich habe ihm versucht klar zu machen, dass Wincent das niemals tun würde. Was hätte er denn davon? Nichts. Das würde ihm doch rein gar nichts bringen. Und außerdem bin ich ihm viel zu wichtig. Das würde er niemals auf's Spiel setzen."

"Hast du das so auch Sebastian gesagt?"

"Mehr oder weniger, ja. Wieso?"

"Ist das dein Ernst? Du verteidigst Wincent aber sehr vehement. Das kann bei Sebastian schon falsch rüberkommen. Du musst da vorsichtig sein.", rät sie mir.

"Es ist doch ganz normal, dass ich meinen besten Freund verteidige. Oder nicht?"

"Nicht auf diese Art. Und nicht gegenüber deinem Freund!"

Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Hat sie womöglich Recht damit, dass ich vorsichtig sein muss wie ich mich gegenüber Sebastian über Wincent äußere?

"Kann ich dich etwas fragen?", unterbricht sie erneut die Stille.

"Klar.", nicke ich.

"Hast du denn Gefühle für Wincent?", fragt sie vorsichtig und beobachtet mich dabei ganz genau.

"Nein!", protestiere ich sofort. "Also nicht auf diese Art. Wie kommst du bitte darauf?"

"Es wirkt manchmal so. Und damit meine ich gar nicht eure Bettaktivitäten, sondern viel mehr das Ganze drumherum. Du verteidigst Wincent immer - vor jedem! Selbst wenn du nur irgendwo im Internet einen unschönen Artikel über ihn findest oder nur jemand einen bösen Kommentar ablässt, regst du dich stundenlang darüber auf. Außerdem denkt doch immer jeder, der euch zusammen sieht, dass ihr ein Paar seid.", erklärt Samira ihre Frage.

Wie kommt sie bloß darauf, dass ich Gefühle für ihn hätte? Es ist doch normal, dass man seinen besten Freund verteidigt, oder etwa nicht? Allerdings hat sie damit Recht, dass wir immer wieder für ein Pärchen gehalten werden. Ich habe aber nie ganz verstanden wie man darauf kommt. Wir haben uns schließlich nie - mit einer Ausnahme - in der Öffentlichkeit geküsst oder Händchen gehalten.

Ich habe doch keine Gefühle für Wincent.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt