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Am nächsten Morgen werde ich durch meinen Weckklingelton geweckt. Müde greife ich nach meinem Handy und wische über den Bildschirm, sodass der Ton verstummt. Ich drehe mich um und stelle fest, dass Sebastian nicht neben mir liegt. Ich setze mich auf und sehe mich im Zimmer um. Seine Tasche liegt am Fußende seiner Bettseite, offensichtlich schon fertig gepackt. Mein Blick wandert weiter zur Balkontür, welche aber verschlossen ist. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett und gehe ins Badezimmer, doch auch dort ist er nicht. Er ist also nicht im Zimmer. Ich sehe zu meinem Handy hinüber, doch es leuchtet kein Licht auf, was mir eine Nachricht symbolisieren würde. Merkwürdig. 

Als ich gerade dabei bin, mir die Zähne zu putzen, höre ich, wie sich die Zimmertür öffnet und wieder schließt. Ich gehe, mit Zahnbürste im und Schaum vor dem Mund hinüber. Sebastian stellt gerade ein Tablett auf dem Bett ab.

"Guten Morgen, Schatz.", strahlt er mich an und gibt mir einen Kuss auf die Wange.

Schatz? Seit wann sind wir denn bei Kosenamen angelangt? Da wir uns bisher noch nicht einmal richtig über unseren Beziehungsstatus unterhalten hatten, gab es auch keine Kosenamen untereinander. Aber es gefällt mir, so genannt zu werden.

"Washassudenngemacht?", nuschle ich durch den Zahnpastaschaum in meinem Mund.

Ich laufe schnell zum Waschbecken und spucke hinein, bevor mir der Schaum über das Kinn läuft. Ich fülle das Glas neben dem Waschbecken mit Wasser und spüle damit meinen Mund durch. Danach wische ich mir mit dem Waschlappen über den Mund und gehe zurück zu Sebastian.

"Bitte noch einmal deutlich?", lacht er.

"Was du gemacht hast? Hast du uns etwa Frühstück besorgt?", wiederhole ich lächelnd, während ich die Sachen auf dem Tablett studiere.

Es stehen zwei Tassen Kaffee darauf. Daneben ein Körbchen mit zwei Semmeln und zwei Croissants. Ein Teller, auf welchem Wurst und Käse hübsch trapiert sind, und ein weiterer, auf welchem sich abgepackte Sachen befinden. Vermutlich Butter oder Marmelade. Zwei Gläser Orangensaft und eine kleine Schüssel mit Naturjoghurt und oben drauf ein paar Früchte. Ich bin baff. So eine liebevolle Geste hatte ich nicht erwartet.

"Du bist ja süß!", sage ich und falle ihm um den Hals.

Er antwortet nicht, sondern löst sich kurz darauf aus der Umarmung und schiebt mich auf das Bett. 

"Ich wusste nicht, was du gerne frühstückst, also habe ich von allem ein bisschen was mitgenommen.", sagt er unsicher.

Er hebt das Tablett hoch, sodass ich mich hinten an die Lehne setzen kann. Er klappt die kleinen Füße des Tabletts aus und stellt es mir über die Beine. 

"Das sieht doch schon ganz gut aus! Hauptsache Kaffee ist dabei.", grinse ich und greife nach der dampfenden Tasse.

"Ich habe Milchkaffee genommen. Richtig?"

"Ja, danke!"

Wir waren schon häufig zusammen in einem Café gesessen und haben Kaffee getrunken. Dass er das wusste, ist also keine Kunst. 

"Was frühstückst du denn normalerweise so?", will er wissen, während auch er seine Tasse an den Mund führt.

"Unter der Woche frühstücke ich eigentlich gar nicht.", gebe ich zu. "Ich bin einfach zu faul, dafür früher aufzustehen. Manchmal bringt mir jemand in der Arbeit ein Brötchen mit, aber meistens esse ich dann erst mittags richtig. Am Wochenende dagegen sieht das schon anders aus. Da gibt's dann meistens Müsli oder ich hole mir beim Joggen frische Semmeln vom Bäcker."

Sebastian nickt und deutet auf die Sachen, die er ausgesucht hat.

"Und was möchtest du davon haben?"

"Gerne das Müsli und eine Semmel mit Wurst und Käse."

"Okay. Kein Croissant?"

"Mal sehen."

Ich stelle meine Kaffeetasse ab und drehe mich, sogut das mit dem Tablett über meinen Beinen geht, zu ihm. Ich lege ihm eine Hand unter das Kinn und ziehe sein Gesicht zu meinem.

"Danke.", lächle ich und küsse ihn. 


Eine halbe Stunde später stellt Sebastian das Tablett gerade auf den Schreibtisch, als mein Handy vibriert. Ich nehme es und erstarre kurz. So ein Mist!

> In einer halben Stunde? <

"Was ist denn los?", fragt Sebastian sofort besorgt.

"Ach...", druckse ich herum, doch als ich Sebastians durchdringenden Blick sehe, muss ich ihm die Wahrheit sagen. "Wincent."

Sofort verfinstert sich seine Miene.

"Was will er denn?"

"Ich hatte total vergessen, dass wir uns zum Frühstücken verabredet hatten. Scheiße!", fluche ich.

"Ihr wart verabredet?", fragt Sebastian mit einem leicht wütenden Unterton.

"Nein. Also, ja, doch. Wir alle drei. Das hatte er bei unserem Telefonat letzte Nacht vorgeschlagen."

Sebastian wird etwas entspannter, als er hört, dass ich mich nicht alleine mit ihm treffen wollte. Er nickt kurz und geht hinüber zum Fenster. Er blickt hinaus und scheint über irgendetwas nachzudenken.

"Na gut, lass uns doch einen Kaffee trinken gehen.", schlägt er zögerlich vor.

"Wirklich? Bist du dir sicher, dass du das möchtest?"

Er scheint noch einmal darüber nachzudenken, nickt dann aber und dreht sich zu mir um.

"Ich merke doch, wie wichtig dir das ist."

Schön, dass das wenigstens einer der beiden erkennt.

"Danke.", lächle ich und wähle Wincents Nummer.

Er hebt sofort ab.

"Wir wäre es mit Kaffeetrinken in einer Stunde irgendwo in der Stadt? Dann hast du noch genug Zeit zum Frühstücken und wir können noch in Ruhe auschecken.", schlage ich sofort vor.

"Ich dachte wir gehen gemeinsam frühstücken?", entgegnet Wincent.

"Na ja... Nein. Kaffeetrinken ist doch auch ein guter Anfang, findest du nicht?"

"Klar, aber wieso? Hat dein Kerl - sorry, Sebastian - etwa keine Lust auf Frühstück?", fragt Wincent barsch.

"Nein, das ist es nicht. Wir... Wir haben schon gefrühstückt. Entschuldige.", gebe ich zu.

"Ach so, okay? Wir waren aber doch verabredet, dachte ich?"

Er klingt enttäuscht.

"Ja, waren wir. Tut mir leid. Sebastian hat mir Frühstück ans Bett gebracht, noch bevor ich ihm von unseren Plänen erzählen konnte.", erkläre ich.

"Okay. Na, dann eben nur Kaffeetrinken.", stimmt er verhalten zu.

Ich bin erstaunt, dass er so gelassen reagiert. Ich hatte ein kleines Drama erwartet.

"Sag mir nur wo wir wann sein sollen?"

"Ich kenne mich hier nicht wirklich gut aus. Aber neben meinem Hotel ist ein Starbucks. Vielleicht treffen wir uns einfach dort?", schlägt er vor.

"Gut. Schick mir die Adresse, wir sind dann in etwa dreißig Minuten dort. Ist das okay?"

"Klar."

Wir verabschieden uns und ich mache mich daran, mich für den Tag fertig zu machen. Ich schlüpfe in eine weiße Skinny-Jeans und einen olivgrünen oversized Pullover. Die obere Hälfte meiner Haare binde ich zu einem Knoten und lasse den Rest locker über meine Schultern fallen. Ich lege meine übliche, dünne Schicht Make-Up auf und benutze etwas Mascara. Nachdem ich auch meine Augenbrauen nachgemalt habe, da ich dort sehr helle Härchen habe, die man sonst kaum sehen würde, stopfe ich alle meine Produkte in meine Kosmetiktasche und stecke diese in meine große Tasche. Ich lasse den Blick nochmal durch das ganze Zimmer schweifen, um mich zu vergewissern, dass wir nichts vergessen haben, und gehe dann gemeinsam mit Sebastian zur Rezeption hinunter. 

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt