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Als Julia und ich am nächsten Tag aus meinem Auto aussteigen, sind wir schon zehn Minuten zu spät dran. Wincent hat schon zwei Nachrichten geschickt und ist vermutlich dementsprechend schlecht gelaunt. Das kann ja heiter werden!

Ich öffne die Eingangstür des Cafés und entdecke Wincent sofort. Er hatte mir zuvor aber auch schon geschrieben wo er sitzt. Er trägt, wie immer, einen schwarzen Hoodie, dessen Mütze er sich über den Kopf gezogen hat, um möglichst unerkannt zu bleiben.

"Hey.", begrüße ich ihn und gehe auf ihn zu.

Er hebt seinen Kopf und sieht mich finster an.

Oh ja, er ist richtig genervt. Aber ich kann es ihm nicht verübeln. Immerhin weiß ich ja, dass er genau solche gezwungenen Treffen nicht leiden kann.

"Entschuldige, der Verkehr...", beginne ich und hebe meine Arme, um ihn zu umarmen.

"Ja, der Verkehr war grauenvoll!", höre ich es neben mir sagen. "Und Katharina hat dann auch noch zwei mal angehalten, obwohl sie noch locker bei Grün drüber gekommen wäre. Deshalb sind wir leider etwas zu spät. Ich hoffe, du musstest nicht zu lange warten?"

Wincent wendet den Blick von mir zu Julia und auf seinem Gesicht erscheint sofort ein Grinsen.

"Nein, schon okay.", winkt er ab. "Hi, ich bin Wincent."

Er umarmt sie und setzt sich dann mit ihr an den Tisch. Ich lasse meine Arme wieder sinken und setze mich ebenfalls.

"Und du bist also Julia?", will Wincent von ihr wissen.

"Ja.", nickt sie. "Ich bin Sebastians Schwester."

"Als Kat gesagt hat, dass sie seine kleine Schwester mitbringt, dachte ich eigentlich, dass du viel jünger bist. Wie alt bist du denn?"

"19.", grinst Julia und fährt sich gekonnt mit dem Finger durchs Haar, woraufhin in Wincents Augen kurz etwas aufblitzt.

"Ach, cool.", sagt Wincent.

Die Bedienung kommt und wir bestellen uns unsere Getränke.

"Und was machst du sonst so? Gehst du noch zur Schule oder machst du eine Ausbildung?", fragt mein bester Freund.

"Ich studiere momentan in München an der TU. Und du so?", fragt sie und beide fangen an laut zu lachen.

Dabei berüht Julia kurz ganz beiläufig Wincents Arm.

"Also ich mache ja so ein bisschen Musik. Nichts Großes.", lacht er.

"Ach, das ist ja interessant.", sagt Julia. "Hat man denn schon einmal irgendwo etwas von dir gehört?"

"Vielleicht.", lacht er.

Das sind eigentlich genau die Art Witze über seinen Job, die Wincent überhaupt nicht leiden kann. Wieso steigt er jetzt darauf ein?

Während ich die beiden bei ihrem Gespräch beobachte fällt mir auf, dass Wincents Blick sie immer wieder mustert. Er sieht sie von Oben bis Unten ganz genau an und es scheint ihm zu gefallen, was er sieht. Klar, wie schon gesagt, sie ist sehr hübsch. Und heute hat sie sich natürlich besonders hübsch gemacht. Sie ist sehr schön geschminkt, aber hat es nicht übertrieben. Sie trägt ihre langen Haare offen, legt sie sich allerdings meistens nur über ihre linke Schulter, sodass sie sich immer mal wieder mir der Hand über ihr rechtes Schlüsselbein streichen kann. Sie weiß schon, wie man Männern einheizt. Außerdem hat ihr Oberteil einen nicht zu verachtenden Ausschnitt, was durch die einfache Jeans jedoch nicht übertrieben rüberkommt. Was das betrifft hat sie es wirklich drauf.

"Möchtest du vielleicht noch unser Studio sehen?"

Mir fällt die Kinnlade runter.
Bitte was?! Nein! Auf keinen Fall!

"Klar, sehr gerne.", nickt Julia natürlich begeistert.

"Du kannst bei mir mitfahren. Kat kennt den Weg ja schon.", meint Wincent, steht auf und geht hinüber zum Tresen, um zu bezahlen.

"Das machst du ja sehr gut.", zische ich Julia zu.

"Ja, findest du nicht?", grinst sie mich schief an.

Sie wirft sich ihre Haare über die Schulter nach Hinten und steht auf. Sie geht zu Wincent, der gerade bezahlt, und stellt sich neben ihn als würden sie zusammen gehören.

Ich höre, wie sie sich bei ihm fürs Einladen bedankt, und dann fällt sie ihm um den Hals. Er erwidert die Umarmung, wobei seine rechte Hand verdächtig über ihren Rücken fährt. Das darf doch bitte nicht wahr sein! Der kann die doch nicht heiß finden! Das geht nicht!

Erschrocken stehe ich auf und will gerade dazwischen gehen, als mich Julias mahnender Blick daran hindert.

Ich atme tief durch und folge den beiden nach Draußen.

"Wir sehen uns dann gleich.", murmelt Wincent an mich gewandt, sieht mich dabei aber kaum an, und geht mit Julia um die Ecke.

Ich öffne mein Auto, lasse mich schnaubend auf den Fahrersitz fallen und wähle Samiras Nummer.

"Hey, alles okay?", hebt sie ab.

Sie weiß, dass ich bei Wincent bin. Sie weiß allerdings nicht, dass ich Julia dabei habe.

"Nein, überhaupt nicht!", poltere ich sofort los. "Diese kleine Bitch! So etwas habe ich ja noch nie erlebt. Was denkt die denn bitte wer sie ist?"

"Von wem sprichst du?", lacht Samira.

"Julia!"

"Oh.", hört sie sofort auf zu lachen. "Was ist passiert? Ich dachte du bist bei Wincent?"

"Ja, bin ich auch. Mit Julia!"

"Wieso das denn bitte? Spinnst du?"

"Weil sie mich erpresst, diese kleine Hexe!", schimpfe ich. "Hätte ich dieses Treffen nicht arrangiert, wäre sie sofort zu Sebastian gelaufen und hätte ihm von den Fotos erzählt. Ich hatte keine Wahl."

"Wieso hast du ihm denn dann nicht einfach selbst von den Fotos erzählt?", fragt sie verwundert.

"Weil dafür keine Zeit mehr war. Er ist gerade in Berlin. Und so ein Gespräch möchte ich nicht am Handy führen."

"Okay, verstehe. Und jetzt bist du mit Julia bei Wincent oder wie?"

"Ja! Beziehungsweise eigentlich ist gerade nur noch Julia bei Wincent und ich bin alleine."

Ich starte den Motor und warte darauf, dass sich mein Handy via Bluetooth mit dem Auto verbindet. Sobald die Verbindung aufgebaut ist schalte ich die Freisprechanlage ein und fahre los.

"Wie meinst du das? Wo bist du denn?"

"Ich sitze gerade im Auto und fahre jetzt ins Studio. Wincent ist mit Julia zusammen dort hin gefahren."

"Okay. Und was ist daran jetzt so schlimm, dass die beiden zusammen fahren?"

"Das ist doch total bescheuert! Wincent hätte vorher beinahe gesabbert, so sehr hat er sie angegafft! Klar, ihre Titten hingen ja auch beinahe heraus und sie weiß schon, wie sie sich geben muss, aber muss das denn sein? Ich dachte immer, dass Wincent nicht auf solche Weiber steht!"

"Jeder Kerl steht auf solche Weiber. Zumindestens für's Bett, Kathi.", lacht Samira.

"Ich finde das nicht lustig! Julia ist das größte Biest und er fällt darauf rein.", schimpfe ich weiter.

"Kathi, mal ganz im Ernst... Du bist nicht etwa eifersüchtig?"

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz