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Es ist mitten in der Nacht, als ich wieder aufwache. Verschlafen sehe ich mich um und bemerke, dass ich immer noch in Wincents Bett liege. Ich will mich umdrehen, doch Wincents Arme hindern mich daran. Wir liegen in Löffelchen-Stellung nebeneinander und Wincents kräftige Arme umschlingen mich. Ich will gerade Wincents Arm vorsichtig heben, damit ich aufstehen kann, als er grummelnd wach wird.

"Hey.", flüstert er leise schmatzend.

"Hi.", entgegne ich ebenso leise.

Ich versuche noch einmal, jetzt allerdings weniger vorsichtig, mich aus Wincents Umarmung zu befreien, doch er verstärkt seinen Griff noch.

Ich drehe mich zu ihm um und sehe ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Unsere Gesichter sind kaum mehr als einen Zentimeter voneinander entfernt.
Sofort beginnt mein Herz wieder zu rasen.

"Darf ich bitte in mein Bett gehen?", frage ich lachend.

"Nein.", sagt er und zieht mich noch ein Stückchen näher an sich heran.

Einen krzen Moment lang versuche ich noch dagegen anzukämpfen, doch dann gebe ich auf. Seufzend lasse ich meinen Kopf auf seine Schulter fallen und kuschle mich an ihn.

"Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich das vermisst habe.", flüstert Wincent mir ins Ohr.

Ich traue mich nicht zu sagen, dass es mir genauso geht. Stattdessen nicke ich nur leicht.

Als ich ein paar Stunden später erneut aufwache, spüre ich nicht mehr Wincents Arme um mich. Etwas enttäuscht reibe ich mir die Augen und drehe mich um. Wincent liegt seitlich neben mir im Bett, hat seinen Kopf auf seine linke Hand gestützt und betrachtet mich lächelnd. Hat er mich etwa beim Schlafen beobachtet? Schon wieder?

"Guten Morgen.", sagt er und streicht mir mit der rechten Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Morgen.", antworte ich.

Wie gebannt starre ich Wincent an und auch er löst seinen Blick nicht von mir.

Der Moment wird unterbrochen, als plötzlich schwungvoll die Tür aufgerissen wird und unsere Mütter hereinspazieren.

"Oh, gut. Ihr seid endlich wach. Wir gehen jetzt zum Frühstück, bevor es dann gar nichts mehr gibt. Kommt ihr mit?", sagt Angela.

Verdutzt drehe ich mich wieder um und sehe die beiden an. Keine von beiden sieht auch nur annähernd überrascht aus, Wincent und mich gemeinsam in einem Bett vorzufinden. Sie tun so, als wäre das total normal und alltäglich.

"Ja, ähm...", stammle ich.

Die Situation ist mir doch ein wenig unangenehm, auch wenn Wincent und ich beide vollständig angezogen sind und letzte Nacht ja auch nichts passiert ist, fühle ich mich irgendwie bei etwas ertappt.

"Wir kommen gleich.", höre ich Wincent sagen.

Unsere Mütter nicken zufrieden und verlassen den Raum wieder, lassen die Tür aber offen.

Ich lasse mich zurück ins Bett fallen und drücke mir ein Kissen auf mein Gesicht.

"Was ist denn los?", fragt Wincent und zieht mir lachend das Kissen vom Gesicht.

"P E I N L I C H.", sage ich zähneknirschend und verstecke mein Gesicht unter einem anderen Kissen.

"Nein, wieso denn? Das sind immerhin unsere Mütter.", lacht Wincent und streicht mir sanft über den Rücken.

"Ja, eben! Das sind unsere Mütter. Die sollten so eine Situation gar nicht sehen."

"Was für eine Situation denn? Es ist doch nichts dabei. Zwei beste Freunde liegen zusammen im Bett. Na und? Sie haben uns doch bei nichts erwischt oder so. Außerdem wissen die beiden doch sowieso schon lange, was bei und so los ist."

Ich öffne meine Augen und sehe ihn entsetzt an.

"Wie meinst du das? Was wissen sie schon lange?", frage ich nach.

"Also, ich glaube schon, dass meine Mam ganz genau weiß, wieso wir uns so vertraut sind.", lacht Wincent, krabbelt über mich drüber und steht auf. "Sie hat mich zwar nie direkt darauf angesprochen, aber schon hier und da mal einen Spruch fallen lassen. Ich habe das nie bestätigt, aber..."

"Denkst du etwa sie weiß, dass wir früher...", ich halte inne.

Wincent dreht sich grinsend um.

"Dass wir früher miteinander gefickt haben?", lacht er und fährt sich dabei gekonnt durch sein zerzaustes Haar.

Ich schlucke und nicke. So direkt wollte ich das nicht aussprechen. Noch dazu, da immer noch die Zimmertür offen ist und ich nicht weiß inwieweit unsere Mütter mithören können.

"Ich denke, dass sie das vermutet, ja.", bestätigt Wincent.

Ich drehe mich um und vergrabe erneut mein Gesicht im Bett. Mir ist die Situation mehr als unangenehm. Dass ich seit gestern weiß, dass meine Mama von all dem Bescheid weiß, damit kann ich umgehen. Aber jetzt auch noch Angela? Das ist mir dann doch zu viel.

"Hey.", sagt Wincent und ich höre, wie er näher kommt. "Da ist doch nichts dabei. Wir sind doch alt genug und können machen, was wir möchten. Und außerdem ist das doch sowieso längst vorbei."

Er dreht mich sanft um und sieht mich lächelnd an.

"Mach dir doch nicht immer so viele Gedanken darüber, was die Anderen von dir denken. Schalte den Kopf doch einfach mal aus."

Er streicht mir zärtlich mit dem Finger über meine Wange. Ich rutsche ein Stück nach Hinten, damit ich mich aufsetzen kann. Meine Hände liegen auf Wincents Oberschenkel und er streichelt immer noch mein Gesicht. Wir sehen uns tief in die Augen, als plötzlich wieder Angela hereingeplatzt kommt.

"Wird das dann heute noch was?", fragt sie ungeduldig.

"Ja, Mam.", lacht Wincent, ohne seinen Blick von mir zu wenden oder seine Hand aus meinem Gesicht zu nehmen. "Wir kommen ja schon."

Er lächelt mich noch einmal kurz an und springt dann auf.
Auch ich stehe auf und gehe in mein Zimmer hinüber, um mich fertig zu machen. Zum Glück wartet Mama nicht im Zimmer auf mich, um mich auszufragen. Vermutlich sitzt sie schon ungeduldig wartend auf der Terrasse.

Ich schnappe mir schnell eine Hotpants und ein Top und ziehe mich um. Während ich mir die Zähne putze und mir meine Haare richte, lasse ich die letzten Minuten noch einmal Revue passieren.
Täusche ich mich oder hätten Wincent und ich uns eben beinahe geküsst? Hätte Angela uns nicht unterbrochen... Wir hätten uns geküsst!
Oder?

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now