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Zwei Stunden später durchqueren Wincent, Mama und ich gerade den Flughafen auf der Suche nach dem richtigen Gate. Der Check-In ging ziemlich zügig und auch durch die Sicherheitskontrolle haben wir nicht lange gebraucht.

Als wir schließlich das Gate gefunden haben, von welchem aus unser Flug startet, verabschiedet sich meine Mama kurz von uns. Sie geht auf die Toilette und macht auf dem Rückweg noch einen Stopp bei einem Geschäft, um sich ein paar Zeitschriften zu besorgen. Wincent und ich setzen uns auf eine der Bänke am Gate und entperren beide unsere Handys.

Nachdem ich meine Nachrichten beantwortet und mein Instagram gecheckt habe, werfe ich einen Blick auf Wincents Display. Er scrollt gerade durch einen Chatverlauf auf WhatsApp, in welchem ziemlich viele Herzen sind. Okay, wir beenden auch beinahe jede Nachricht, die wir uns gegenseitig schicken, mit einem Herzchen. Aber mir war nicht bewusst, dass er das bei anderen Mädchen auch so macht.

"Na, wem schickst du denn da so viele Herzchen?", frage ich lachend und versetze ihm neckend einen kleinen Stoß mit meinem Ellenbogen.

Wincent dreht seinen Kopf und sieht mich an. Er zieht grinsend eine Augenbraue in die Höhe und zuckt wortlos die Achseln.

Als ich einen erneuten Blick auf sein Handy werfen möchte, sperrt er es kurzerhand mit einem schnellen Drücken auf den Knopf an der Seite des Geräts.

"Mhmn.", macht er lachend und schüttelt dabei den Kopf.

"Verheimlichst du mit etwa etwas?", hebe ich tadelnd meinen Finger.

Ich versuche mir möglichst nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mich tatsächlich ärgert, nicht zu wissen, mit wem er da schreibt. Beziehungsweise eigentlich ärgert es mich am meisten, dass ich denke, dass es Julia ist. Dieses kleine, hinterhältige Miststück!

"Nein, tu ich nicht.", sagt er ernst. "Aber ich muss dir doch auch nicht all meine Chatverläufe offen legen, oder?"

Seine ernste Miene irritiert mich. Machen wir jetzt Spaß oder ist ihm das ernst?

"Nein, natürlich nicht.", sage ich und höre auf zu lachen.

Wincent nickt zustimmend und lässt sein Handy in der Tasche seiner Jogginghose verschwinden. Wincent trägt momentan beinahe immer Jogginghosen. Ich hasse das. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand beispielsweise zum Essen in ein Restaurant in einer Jogginghose aufkreuzt. Ich finde, das gehört sich nicht. Zum schnellen Einkaufen oder auch jetzt, wo wir gleich zwei Stunden im Flugzeug sitzen werden, finde ich es aber noch okay. Allerdings müsste es nicht unbedingt eine gelbe sein, sodass auch noch jeder erkennt, dass er eine einfache Jogginghose trägt.

Wincent fängt meinen Blick auf und beginnt zu grinsen. Er weiß ganz genau was ich mir gerade denke und er findet das amüsant. Er selbst sagt, dass es ihm ziemlich egal ist, was Andere von ihm denken. Er trägt eben das, worauf er gerade Bock hat oder was für ihn am bequemsten ist. Diese Einstellung hätte ich auch gerne. Ich denke leider viel zu oft darüber nach, was Andere wohl von mir denken oder davon halten, was ich mache.

"Wie lange haben wir noch einmal bis Boarding ist?", fragt er mich.

Ich sehe kurz auf meine Armbanduhr.

"Zwanzig Minuten.", entgegne ich.

Wincent nickt, lehnt sich im Sitz zurück und zieht sich die Kaputze seines Pullis ins Gesicht. Wir haben zwar noch Spätsommer, aber heute morgen war es ganz schön frisch, als wir das Haus verlassen haben. Auch ich habe mir über mein Shirt eine Sweatjacke angezogen, um nicht zu frieren.

Kurz darauf schrecke ich durch das Vibrieren meines Handys, welches ich immer noch in der Hand halte, aus dem Kurzschlaf hoch. Ich blinsle kurz, um mich daran zu erinnern, wo ich bin. Ich bin am Flughafen und warte auf den Flug nach Thessaloniki. Mit Wincent und Mama. Wincent und ich sind wohl beide eingeschlafen. Wincents Kopf liegt auf meiner Schulter.

Ich sehe auf mein Handy, welches mir anzeigt, dass mir Mama ein Foto per WhatsApp geschickt hat. Ich entsperre mein Handy und tippe auf das Foto-Symbol, um es mir ansehen zu können. Es ist ein Foto von Wincent und mir. Sie muss es gerade eben aufgenommen haben. Ich sehe auf und entdecke sie. Sie sitzt uns gegenüber auf einer Bank und sieht mich grinsend an. Auf dem Foto liegt Wincents Kopf auf meiner Schulter. Mein Kopf wiederum liegt auf seinem Kopf und wir haben beide unsere Augen geschlossen.

Mein Handy vibriert erneut. Wieder eine Nachricht von Mama. Es ist ein Herz-Emoji und dahinter ein Fragezeichen. Wie soll ich das denn jetzt verstehen?

Ich sehe Mama fragend an, woraufhin sie mich nur grinsend ansieht und den Kopf schüttelt, als würde sie über die Art, wie Wincent und ich miteinander umgehen, den Kopf schütteln.

In dem Moment kommt die Durchsage, dass das Boarding an unserem Gate beginnt. Ich zucke mit meiner linken Schulter, damit Wincent wieder aufwacht. Das tut er auch. Er braucht aber nicht so lange wie ich, um zu checken, wo er gerade ist. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass er es gewohnt ist, irgendwo unterwegs einzupennen.

"Guten Morgen.", lächle ich und deute auf unseren Schalter, wo der Mann gerade mit dem Einchecken beginnt.

Wincent nickt nur, gähnt kurz und steht auf. Er wirft sich seinen Rucksack über die Schulter und greift dann, wie selbstverständlich, nach meiner Tasche. Das hat Wincent immer schon gemacht. Er trägt immer meine Taschen oder meinen Koffer, wenn sie etwas schwerer sind. Meine normale Handtasche natürlich nicht, aber für den Flug habe ich meine große Strandtasche dabei, damit auch ein Buch und ein Kissen und all der andere Kram Platz darin haben.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now