26)

1.6K 39 0
                                    

Ich überlege kurz, ehe ich begreife, wie er das meint. Ich möchte schon antworten, doch zögere noch einen Moment. Denke ich denn bei Sebastian schon an die Zukunft?

"Das kann man nicht einfach so vergleichen, aber irgendwie hast du auch Recht. Aber nicht, weil ich in unserer Beziehung keine Zukunft sehe. Das tue ich, sonst wäre ich sie nicht eingegangen. Aber wir sind noch so frisch zusammen, dass ich doch noch keine Zukunftspläne schmiede. Verstehst du?", versuche ich mich irgendwie rauszuschlängeln.

"Aber sollte man denn nicht immer der Meinung sein, dass das der Traumpartner ist, wenn man eine Beziehung eingeht? Zumindestens in unserem Alter mittlerweile. Wir sind doch nicht mehr so jung, dass wir Beziehungen eingehen, nur um cool zu sein.", antwortet er ernst.

"Da hast du schon Recht. Dennoch muss sich doch erst mit der Zeit zeigen, ob man wirklich zusammen passt oder eben vielleicht doch nicht."

"Hast du da denn Zweifel? Bei dir und Sebastian?"

Wieder zögere ich mit der Antwort. Habe ich Zweifel? Ja. Werde ich Wincent das sagen? Nein. Da ich mir nicht sicher sein kann, dass er das nicht irgendwann gegen Sebastian verwenden wird, werde ich ihm nicht die ganze Wahrheit sagen.

"Nein, keine konkreten Zweifel. Aber, wie gesagt, sicher sein kann man sich nach so kurzer Zeit auch noch nicht."

Die Wahrheit ist, dass ich mir im Moment äußerst unsicher bin, was unsere Beziehung angeht. Dass man mal etwas missversteht, kann natürlich passieren. Trotzdem finde ich es ziemlich unreif, wie Sebastian darauf reagiert hat. Er hat mich einfach zweieinhalb Tage lang komplett ignoriert, obwohl ich mehrfach versucht hatte ihn zu erreichen. Wenigstens eine kurze Nachricht, dass er beschäftigt ist oder Zeit zum Nachdenken braucht, hätte ich gut gefunden. Ich kann natürlich verstehen, dass er es nicht gut findet, wenn seine Partnerin sich nicht für ihn freuen kann - was ja auf einem Missverständis beruht. Dennoch sollten wir in einem Alter sein, in dem man Konflikte lieber ausredet, als totschweigt.

Dass ich Wincent genauso ignoriert habe - sogar viel länger -, als ich dachte, dass er mir meine neue Beziehung nicht gönnt, war etwas anderes. Immerhin sind wir kein Paar, sondern Freunde. Ich finde das ist ein Unterschied. Mit Freunden hat man ja nicht immer täglich Kontakt, daher ist es okay, wenn man mal ein paar Tage Abstand hat. Mit dem Partner dagegen sollte man täglich zumindest per Nachrichten in Kontakt sein. Damit einfach zwei Tage zu pausieren, finde ich nicht in Ordnung.

"Okay, verstehe. Aber außer diesem kleinen Streit läuft es gut zwischen euch?", will Wincent wissen.

"Ja.", sage ich sofort.

Die Antwort kam viel zu schnell, sodass Wincent sofort merkt, dass sie nicht zu hundert Prozent wahr sein kann. Trotzdem schluckt er die Lüge und wechselt das Thema. Er beginnt über seine bevorstehenden, letzten Festivalauftritte für dieses Jahr zu sprechen. Ich höre nur mit einem Ohr zu, während ich mir weiterhin Gedanken darüber mache, ob die Beziehung zu Sebastian eine Zukunft hat. Läuft es gut zwischen uns? Ja, im Grunde schon. Bin ich glücklich? Ja. Aber ist das schon alles? Fehlt mir denn irgendetwas? Wir sind erst kurze Zeit zusammen und doch fühlt es sich schon jetzt nicht mehr wie frisch verliebt an. Es fühlt sich schon fast so an, als wären wir schon ewig zusammen. Schon jetzt nervt mich die ein oder andere Macke an ihm. Es nervt mich, dass er nie die Zahnpastatube richtig zudreht, obwohl ich es erst dreimal bemerkt habe. Es nervt mich, dass er seine Klamotten nicht zusammenlegt, sondern einfach zusammenknüllt, obwohl ich sie ja noch nie waschen oder aufhängen musste. Und es nervt mich schon jetzt, dass er in seinen Nachrichten immer so kurz angebunden ist. Ist es nicht etwas zu früh dafür, dass mich solche Dinge stören?

"Kat? Hörst du zu?", holt mich Wincent aus meinen Gedanken zurück.

"Klar. Nächste Woche in Linz.", gebe ich das wider, was ich als letztes mitbekommen habe.

"Ja, ganz genau und...", steigt er wieder in seine Erzählung ein, während ich schon wieder gedanklich abschweife.

Wincent hat solche Macken nicht. Oder hat er? Wenn ich mal seine Wäsche wasche, weil er gerade ein paar Tage bei mir ist, fällt mir schon auf, dass er weder seine Shirts, noch seine Socken nach dem Ausziehen wieder umdreht, aber das drehe ich dann beim Aufhängen einfach schnell um. Das ist nichts Schlimmes. Dass er grundsätzlich unordentlich ist, kann ich beinahe verstehen. Immerhin ist er es gewohnt, in Hotels zu leben. Da wird einem schließlich immer hinterher geräumt und geputzt. Und er lässt seine Barthaare, wenn er sich rasiert, einfach im Waschbecken liegen. Aber die spüle ich dann eben einfach runter. Da ist nichts dabei, das einen richtig nerven kann.

"Ich glaube wir beenden das Gespräch dann an dieser Stelle.", höre ich Wincent lachend sagen.

"Was? Wieso?"

"Du bist doch gerade gar nicht hier, sondern in Gedanken bei Sebastian. Außerdem will er dich ja vielleicht erreichen und kommt nicht durch, weil ich dauernd die Leitung belege."

"Danke.", seufze ich.

Ich bin überrascht darüber, dass Wincent so ruhig bleibt, obwohl er merkt, dass ich die ganze Zeit über Sebastian nachdenke. Wobei ich die letzten Minuten ja eigentlich eher über ihn nachgedacht habe, als über Sebastian.

"Wir hören voneinander. Schlaf gut.", sagt Wincent und legt auf.

Ich checke die entgangenen Anrufe, doch ich habe keinen in Abwesenheit. Sebastian hat also nachwievor nicht versucht mich zu erreichen. Hatte ich denn tatsächlich etwas anderes erwartet?

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now