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"Was ist denn hier los?", fragt Marianne, als sie mit ihrem Mann zurück in die Küche kommt.

"Das wüsste ich allerdings auch gerne!", sagt Sebastian und dreht mich an der Schulter herum. "Woher weiß sie denn davon?"

"Woher weiß wer wovon?", wirft nun Hermann ein.

"Das geht euch gar nichts an.", sagt Sebastian schroff.

Er nimmt meine Hand und zieht mich wortlos aus dem Raum. Mit dem Fuß kickt er die nächste Tür auf und schließt sie hinter uns wieder. Wir stehen nun im Wohnzimmer.

"Kannst du mir das erklären?", fragt er ruhig, aber bestimmt.

"Ja. Aber nicht hier. Bitte.", entgegne ich leise.

"Warum nicht? Scheinbar weiß doch ohnehin jeder, dass du was mit ihm hattest! Ich verstehe nur nicht, wieso du es mir dann anfangs verheimlicht hast, wenn es sogar seine Fans mitbekommen haben."

Er scheint gar nicht allzu wütend zu sein. Er scheint sich tatsächlich nur Gedanken darüber zu machen, wieso ich es ihm nicht direkt erzählt hatte.

Seine Annahme, dass Julia von unserem angeblich einmaligen Ausrutscher gesprochen hat, sollte ich klarstellen.

"Ich wusste bis eben auch nicht, dass das jemand weiß. Und ich kann mir auch nicht erklären, wie das rausgekommen ist."

Ich sollte es klarstellen, bringe es aber nicht übers Herz. Nicht jetzt. Diesen Sieg gönne ich Julia nicht.

"Na, ganz offensichtlich hat dein toller Wincent mit irgendjemandem geplaudert.", sagt Sebastian.

"Wie kommst du denn darauf? Nein, das glaube ich nicht! Das würde ihm doch mehr schaden als mir. Er ist es doch, der in der Öffentlichkeit steht.", verteidige ich meinen besten Freund.

"Aber wie soll es denn sonst die Runde gemacht haben? Ich meine, du selbst wirst ja nicht damit hausieren gegangen sein, oder?"

"Nein, natürlich nicht! Dennoch glaube ich auch nicht, dass Wincent das getan hat. Was würde ihm das denn bitte bringen?"

Diese ganze Diskussion könnte ich mir natürlich sparen, wenn ich ihm einfach die Wahrheit über Julias Spruch sagen würde. Niemand ist mit irgendwas hausieren gegangen, da nachwievor kaum jemand davon weiß, dass wir Sex miteinander hatten. Aber wie soll ich jetzt wieder aus der Nummer herauskommen ohne Sebastian zu beichten, dass ich ihn gerade bewusst in einem falschen Glauben gelassen habe?

"Ich weiß es nicht. Aber wenn du es nicht warst, dann muss es ja er gewesen sein."

Es gefällt mir nicht in welchem Ton Sebastian über Wincent spricht. Er klingt vorwurfsvoll und scheint davon überzeugt zu sein, dass Wincent so etwas herum erzählen würde.

"Wie gesagt, ich weiß nicht, wie das heraus gekommen ist. Aber es gibt viele Möglichkeiten. Mal von der Möglichkeit, dass es ein einfaches Gerücht ist, ganz abgesehen. Wir waren schon öfter gemeinsam in der Öffentlichkeit unterwegs. Es kann also durchaus auch sein, dass irgendeiner seiner Fans sich da irgendetwas zusammengereimt hat und dann Gerüchte in die Welt gesetzt hat, die eben in diesen Kreisen die Runde gemacht haben.", versuche ich mir eine plausible Erklärung einfallen zu lassen.

Sebastian denkt kurz darüber nach und nickt dann.

"Ja, das kann natürlich wirklich sein. Trotzdem werde ich Julia fragen wo sie das gehört hat.", sagt er und öffnet die Tür wieder.

"Nein.", sage ich schnell und werfe die Tür zu.

Überrascht dreht Sebastian sich zu mir um und sieht mich fragend an.

"Ich meine, lass sie doch erst einmal in Ruhe. Sie scheint es ja gar nicht so cool zu finden, dass ich Wincent kenne.", sage ich schnell.

"Okay, wenn du meinst.", nickt er.

Jemand klopft vorsichtig gegen die Tür und öffnet sie dann einen Spalt. Im Türspalt erscheint Mariannes Gesicht.

"Alles okay bei euch Süßen?", fragt sie.

"Ja, alles gut. Es gab nur etwas zu klären, ist aber nicht weiter wichtig.", entgegnet Sebastian seiner Mutter lächelnd.

"Wir müssen dann auch los.", sagt er und legt mir einen Arm um die Schulter.

"Los? Wohin?", fragt sie.

"Wir wollen noch ins Kino.", erzähle ich.

"Ach so, schade. Ich dachte ihr bleibt noch ein wenig bei uns.", meint seine Mutter.

"Heute leider nicht. Die Karten sind schon reserviert.", sagt Sebastian entschuldigend.

Wir verabschieden uns von seinen Eltern und versprechen bei einem der nächsten Familienessen wieder vorbei zu schauen. Julia lässt sich nicht mehr blicken.

"Wieso hast du gesagt, dass die Karten schon reserviert sind? Das stimmt doch gar nicht.", will ich von Sebastian wissen, als wir wieder im Auto sitzen und uns gerade anschnallen.

"Ich habe doch gemerkt, dass die Situation unangenehm wurde. Und für das erste Kennenlernen reicht es auch, würde ich sagen.", lacht er und streicht mir sanft eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

"Danke.", lächle ich.

Ich beuge mich über die Mittelkonsole hinüber zu ihm und lege ihm meine Hand in den Nacken, um sein Gesicht näher an meines zu ziehen. Unsere Lippen treffen sich und sofort fällt die ganze Last der letzten drei Stunden von mir ab.

"Ist doch ganz gut gelaufen, oder? Bis auf den Zwischenfall mit Julia.", meint er und startet den Motor.

"Ja, denke ich auch."

Als er mich später wieder vor meiner Wohnung absetzt, bin ich heilfroh, dass alles noch einmal gut gegangen ist. Allerdings ist mir auch bewusst, dass ich Sebastian schnellst möglich von den Fotos erzählen muss. Denn allzu lange wird Julia nicht brauchen, um zu checken, dass ich mich vor Sebastian rausreden konnte. Und dann wird sie es ihm um die Ohren hauen. Das muss ich unbedingt verhindern und ihr zuvor kommen, sonst habe ich kaum mehr eine Chance ihm das Ganze zu erklären.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now