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Als ich am nächsten Abend die Arbeit verlasse, entdecke ich Sebastian, der auf dem Parkplatz an mein Auto gelehnt auf mich wartet.

"Hi.", sagt er grinsend, stößt sich von meinem Auto ab und kommt mir ein paar Schritte entgegen.

Ich sehe ihn schweigend an. Er meldet sich nicht, obwohl er es versprochen hat, und steht jetzt einfach so grinsend vor mir?

"Wie war es in der Arbeit?", fragt er gut gelaunt.

Er kommt noch zwei Schritte näher, um mir einen Kuss geben zu können. Im ersten Moment erwidere ich den Kuss zwar, doch dann schiebe ich ihn sanft von mir weg.

"Was soll das?", frage ich.

"Was soll was? Du wolltest doch, dass ich dir nicht mehr aus dem Weg gehe. Also hier bin ich.", sagt er verwundert.

"Nein, ich wollte, dass wir uns aussprechen und das klären."

"Da gibt es nichts zu klären. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht und glaube dir, dass du das nicht böse gemeint hast. Du wolltest mir damit nur klar machen, dass ich mir das Ganze gut überlegen soll. Deshalb habe ich mir auch  immer wieder Gedanken darüber gemacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es für eine Selbstständigkeit wohl doch noch etwas zu früh ist.", sagt er lächelnd.

"Ooookay...", entgegne ich immer noch verwirrt.

"Es tut mir leid, dass ich das in den falschen Hals bekommen habe und dich dann ignoriert habe. Ich hätte dir einfach besser zuhören sollen und nicht gleich auf Stur stellen sollen."

Sebastian sieht mich an und hebt entschuldigend die Arme.

"Okay, eigentlich wollte ich dir doch mein Verhalten erklären und mich für meine Reaktion entschuldigen.", lache ich. "Sorry, dass ich mich nicht erst mit dir gefreut habe, bevor ich dir dann von meinen Bedenken erzählt habe."

"Schon okay.", nickt er. "Du hattest ja Recht."

Ich schlinge ihm lächelnd die Arme um den Hals und drücke ihm meine Lippen auf seine. Ich bin froh, dass das endlich geklärt ist. Und noch mehr freut es mich, dass er auf mich zugekommen ist und sich sogar entschuldigt hat, obwohl der Fehler ja eher bei mir lag als bei ihm.

"Hast du denn jetzt schon etwas vor?", will er wissen.

"Ehrlich gesagt schon, ja.", gebe ich bedrückt zu und lasse die Arme wieder sinken. "Ich wollte mich mit Samira in einer halben Stunde zum Essen treffen."

"Ach so, okay. Dann eben ein ander mal."

"Hattest du etwas Bestimmtes im Sinn?", frage ich grinsend.

"Ja. Ich wollte dich mit zu meiner Familie nehmen. Meine kleine Schwester ist ja während der Ferien vom Internat zu Hause und da gibt es zwei mal die Woche großes Familienessen. So oft kommt das bei uns ja leider nicht mehr vor, dass wir alle da sind.", erzählt er.

Er möchte mich also seiner Familie vorstellen? Das überrascht mich dann doch. Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, ihn mal mit nach Hause zu nehmen. Klar, er kennt meine Eltern flüchtig vom Sehen, wenn er mich von der Arbeit abholt, aber richtig kennengelernt haben sie sich bisher nicht.

"Oh, das wäre bestimmt schön.", versuche ich mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

"Keine Angst, es ist nur der engste Kreis. Meine kleine Schwester, mein älterer Bruder und meine Eltern.", unternimmt Sebastian den Versuch, mir meine Angst zu nehmen.

"Na, dann wird das ja ein Kinderspiel.", entgegne ich ironisch.

"Ach, das wird schon.", lacht er. "Mit Julia hast du ohnehin sofort ein gutes Gesprächthema."

"Ja?"

"Ja. Sie ist ein riesiger Fan von deinem Freund.", lacht er.

"Von Wincent?"

"Ja. Wieso?"

"Hast du ihr etwa erzählt, dass ich ihn kenne?", frage ich entsetzt.

"Nein, bisher nicht. Aber wäre es denn schlimm? Ich wusste nicht, dass es so ein Geheimnis ist."

"Ich möchte einfach nicht, dass es große Kreise zieht. Verstehst du?", sage ich vorsichtig.

"Ja, das verstehe ich. Dann erzählen wir es ihr eben erst später irgendwann.", nickt er grinsend und umarmt mich.

"Danke.", murmle ich an seine Brust gedrückt.

Wie bin ich bitte gestern nur auf die Idee gekommen an Sebastian zu zweifeln? Er ist doch so liebevoll und verständnisvoll.

"Wann steht denn das nächste Familienessen an?", frage ich.

"Am Freitag. Möchtest du da vielleicht dann vorbeikommen?", antwortet Sebastian mit strahlenden Augen.

"Ja, gerne.", nicke ich. "Dann können wir ja anschließend auch noch etwas unternehmen. Kino eventuell?"

Er nickt und küsst mich lange, ehe er sich dann von mir verabschiedet, da ich allmählich los muss zum Date mit Samira.


Beim Abendessen erzähle ich meiner besten Freundin von der Versöhnung mit Sebastian und meinem Telefonat mit Wincent. Dass Wincent in mir so viele Zweifel an Sebastian geschürt hat, lasse ich dabei lieber aus. Das würde sie nur in ihrer Annahme, wie sehr Wincent mich beeinflussen kann, bekräftigen.

Als wir beim Dessert angelangt sind, erzählt Samira mir von einem neuen Mann, den sie vor ein paar Tagen beim Laufen kennengelernt hat. Sie ist tierisch nervös, weil sie morgen ihr erstes Date haben. Ich mache ihr Mut und mache ihr Vorschläge, was aus ihrem Kleiderschrank am besten geeignet ist für ein erstes Date. 

Gegen halb 10 verabschieden wir uns voneinander und ich mache mich auf den Heimweg. Erst jetzt bemerke ich die WhatsApp-Nachricht von Mama. Sie fragt nach, ob sie das vorher auf dem Parkplatz richtig gesehen hat. Ich bejahe und bestätige damit ihre Vermutung, dass Sebastian und ich uns wieder versöhnt haben. Ich hatte ihr zwar nicht im Detail erzählt, wieso wir ein bisschen Stress hatten, aber natürlich hat sie bemerkt, dass etwas nicht ganz rund lief. Ich nehme eine Sprachnachricht auf, in der ich ihr auch gleich davon erzähle, dass er mich zum Familienessen übermorgen eingeladen hat. Daraufhin antwortet Mama, dass sie ihn ja dann auch bald mal einladen müsse. Doch ich schaffe es schnell, sie von dieser Idee wieder abzubringen. Ehrlich gesagt bin ich nämlich überhaupt kein Fan von so gezwungenen Kennenlernabenden mit der Schwiegerfamilie. Ich bin da viel mehr für Unkompliziertes wie zum Beispiel mal etwas zusammen zu unternehmen, beispielsweise vielleicht Minigolfen. Das wäre immerhin nicht allzu gezwungen und man fühlt sich als Paar nicht total dem Verhöhr ausgeliefert.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt