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„Ich wollte dich auch gerade eben anrufen!", begrüßt mich Sebastian am Telefon.

„Ich muss dir etwas erzählen.", entgegne ich, ohne auf seine euphorische Stimmung einzugehen.

„Ich dir auch! Pass auf...", werde ich von ihm unterbrochen. „Die haben mir den Job als Leiter des Fitnessstudios angeboten!"

„Wie?", entfährt es mir überrascht.

Ich war so damit beschäftigt, mir schon die perfekten Worte zurecht zu legen, dass ich ihm gar nicht richtig zugehört habe.

„Ja! Ist das nicht irre?", jubelt Sebastian weiter, als hätte er nicht bemerkt, dass ich ihm auch etwas zu sagen habe.

„Ja, Wahnsinn...", murmle ich unbeeindruckt. „Und das ziehst du wirklich in Erwägung?"

„Natürlich! Wieso denn auch nicht? Das ist eine riesige Chance für mich, Kathi. Oder denkst du etwa anders darüber?"

„Na ja... Es ist kein Geheimnis, dass das Fitnessstudio nicht allzu gut läuft. Ich glaube, dass du damit auch ein hohes Risiko eingehst.", antworte ich.

Innerlich beschließe ich, ihm doch nicht jetzt von dem Foto mit Wincent zu erzählen. Das würde seine Freude über das Jobangebot trüben und ihn nur von den Überlegungen, die er jetzt machen muss, abhalten.

„Ja, na klar. Aber jede Selbstständigkeit birgt doch auch ein Risiko. Das wäre mein Einstieg ins richtige Berufsleben!"

„Selbstständigkeit? Du wirst nicht als Geschäftsführer eingestellt, sondern übernimmst gleich den ganzen Laden?", entgegne ich entsetzt.

„Ja, so habe ich es verstanden. Ist das nicht cool? Dann bin ich mein eigener Herr und kann tun und lassen was ich will.", lacht er.

„Stimmt. Und du hast auch die alleinige Verantwortung über alles.", versuche ich ihn zur Vernunft zu bringen.

„Ach, wieso siehst du das denn bitte so negativ?"

Meine wenig beeindruckten Antworten dämpfen seine überschwänglich gute Laune.

„Ich sehe es nicht negativ, nur realistisch. Überlege doch mal, was das für Pflichten mit sich bringt. Du musst dich um die Mitarbeiter kümmern, musst gucken, dass du alles am Laufen hältst. Und das alles neben dem Studium!?", versuche ich meine Bedenken zu erklären.

„Du sagst es doch schon: Mitarbeiter. Die halten den Laden schon am Laufen, während ich in der Uni bin."

„Und du denkst das funktioniert alles von Alleine? Da brauchst du aber wirklich gute Mitarbeiter, die diese Verantwortung ohne großer Gegenleistung auf sich nehmen. Oder möchtest du einen Geschäftsführer bezahlen?"

„Nein, das ganze führende Zeug übernehme ja ich."

„Und du denkst, dass das so wenig Arbeit ist, dass du das nebenbei machen kannst? Du musst Dienstpläne schreiben, Schichten strukturieren und organisieren, Bestellungen machen, Schichten auch mal kontrollieren, Pläne für die ganzen Kurse erstellen, die Kurse mit den ausführenden Mitarbeitern durchsprechen, die Buchhaltung durchschauen und so weiter. Das ist nicht so easy wie du dir das vielleicht vorstellst."

Einen Moment lang herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung, bis ich ihn tief durchatmen höre.

„Wenn du mir das nicht gönnst, dann sag es doch einfach."

Und aufgelegt. Ich tippe sofort auf Sebastians Nummer und versuche ihn sofort zurückzurufen, um das Missverständnis zu klären, doch er drückt mich weg.

Wütend werfe ich mein Handy auf das Sofa und gehe hinüber in mein Badezimmer. Ich wasche mir mein Gesicht und putze mir die Zähne. Nachdem ich auf der Toilette war, ziehe ich mich um und lege mich ins Bett. Es ist zwar erst 21.30Uhr, aber ich habe nach dem Gespräch mit Sebastian auch keine Lust mehr den Fernseher anzuschmeißen.

Ich will mich gerade zum Schlafen umdrehen, als mein Handy piepst. Erst in dem Moment fällt mir ein, dass ich das Handy auf dem Sofa vergessen habe. Seufzend schlage ich die Bettdecke zurück und tapse hinüber, um es mir zu holen. Ich hoffe auf eine Nachricht von Sebastian, doch sie ist von Wincent. Wieso freut mich diese Nachricht denn nun beinahe mehr, als es eine von Sebastian es getan hätte?

> Habe von deinem Gespräch mit Sascha gehört. Alles okay? <

Die Nachricht endet mit einem Herz, wie fast jede unserer Nachrichten.

> Ja, alles okay, danke. Das Gespräch verlief ganz okay. Ich glaube, er glaubt uns jetzt, dass wir wirklich kein Paar sind. Allerdings weiß er jetzt auch von unserer Vergangenheit. <

Auch meine Nachricht beende ich mit einem Herzchen.

Keine zwei Minuten später klingelt mein Handy.

"Hallo?", melde ich mich, als hätte ich nicht gesehen, wer der Anrufer ist.

"Wie meinst du das, er weiß von unserer Vergangenheit?", fällt Wincent sofort mit der Tür ins Haus.

"Mir ist da so etwas herausgerutscht. Das war doof und nicht geplant.", gebe ich vorsichtig zu.

"Was genau ist dir denn rausgerutscht?"

Wincent klingt nicht wütend, eher besorgt.

"Dass wir mit dem Ganzen aufgehört haben, als Sebastian eine größere Rolle bei mir eingenommen hat."

"Mit dem Ganzen? Also weiß er, dass wir ab und zu was miteinander hatten?"

"Ja."

"Aber du hast ihm doch sicherlich klar gemacht, dass das nie etwas zu bedeuten hatte und es uns immer nur um den Spaß ging?", hakt er energisch nach.

"Ja, natürlich. Zwar nicht so ausführlich, aber ich habe es ihm schon versichert, dass wir auch nie Gefühle füreinander hatten.", entgegne ich leicht eingeschnappt.

Ich finde es nicht in Ordnung, wie bestimmend er behauptet, dass nie Gefühle zwischen uns waren. Das entspricht zwar natürlich den Tatsachen, dennoch fühle ich mich irgendwie gekränkt.

"Gut. Trotzdem muss ich mich nun darauf einstellen von ihm verhöhrt zu werden.", lacht Wincent, um die Situation aufzulockern.

"Ja, das ist gut möglich."

"Na gut, dann haben wir das geklärt. Ich muss wieder los. Wir hören voneinander."

"Ja, ist gut."

Eine kurze Zeit herrscht Stille am anderen Ende.

"Kat?", unterbricht Wincent vorsichtig das Schweigen.

"Ja?"

"Wie geht es dir damit?"

"Womit?"

"Mit all dem. Ich meine, mit den Fotos in der Presse, mit dem Stress den Sascha macht und...", er bricht ab.

"Und was?"

"Und damit, dass du dich jetzt gezwungenermaßen andauernd mit mir und unserer Vergangenheit auseinandersetzen musst.", sagt er leise.

"Wie meinst du das? Wieso sollte es mir denn damit schlecht gehen? Sascha ist mir egal, das ist im Grunde deine Baustelle. Die Presse, klar, das ist doof. Aber in ein paar Tagen oder Wochen hat sich das auch wieder beruhigt. Außerdem ist nirgends mein Name aufgetaucht oder Ähnliches, also weiß offiziell ja niemand, dass ich das bin. Aber wieso denkst du, dass es mir zusetzt, mich mit unseren Nächten zu beschäftigen?"

"Du hast jetzt einen Freund. Da ist es sicherlich komisch, wenn du jetzt ständig an mich denken musst... Wegen den Nachfragen natürlich, meine ich."

"Achso. Ja, klar ist das etwas komisch. Aber das das finde ich nicht schlimm. Deshalb geht es mir doch nicht schlecht.", versuche ich ihn zu beruhigen.

"Okay. Dann gute Nacht.", beendet er plötzlich das Gespräch und legt auf.

Wie meinte er das denn? Denkt er etwa, ich finde es schlimm, an unsere gemeinsamen Nächte erinnert zu werden? Das stimmt nicht. Ich denke immer noch gerne daran. Ich muss immer lächeln, wenn ich daran denke. Nur wenn Sebastian bei mir ist, fühle ich mich tatsächlich etwas komisch, wenn ich daran denken muss.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Where stories live. Discover now