5)

2K 45 2
                                    

Nachdem wir uns jeweils ein Bier geholt haben, machen wir uns auf den Weg zur Bühne. Da im Moment noch eine mir unbekannte Band auftritt, stellen wir uns ziemlich weit Hinten an den Rand.

"Wer tritt noch einmal als Nächstes auf?", fragt Sebastian.

Er weiß ja immer noch nicht, dass wir eigentlich nur wegen Wincent hier sind.

"Wincent Weiss.", antworte ich.

"Och ne! Dann wimmelt es hier sicherlich bald von kleinen, kreischenden Mädchen. Müssen wir uns denn das geben?", lacht er.

"Das sind immerhin seine Fans!", entgegne ich etwas empört.

Früher dachte ich ähnlich über seine Fans, doch mit der Zeit wurde mir klar, dass Wincent ohne eben diese Mädchen nicht so erfolgreich wäre.

"Ja, schon klar... Bist du etwa eine davon?"

"Nein.", sage ich schnell. "Also, doch, irgendwie ja schon."

Er sieht mich fragend an.

"Okay.", seufze ich. "Wir haben die Karten von Wincent."

"Welchem Wincent?"

"Wincent Weiss!"

"Hä? Wie von ihm? Hast du die bei einem Gewinnspiel gewonnen oder sowas?"

"Nein, ich kenne Wincent."

"So richtig? Also persönlich?"

"Ja. Wir sind sehr gut miteinander befreundet. Um genau zu sein, ist er sogar mein bester Freund.", gestehe ich.

"Oh, wow. Davon hast du ja noch nie etwas erzählt."

Sebastians Blick ist unergründlich. Ist er sauer, weil ich es ihm bis jetzt verheimlicht habe? Wundert er sich nur darüber? Oder stört es ihn im Grunde gar nicht so sehr?

"Es hatte sich noch nicht ergeben.", sage ich kleinlaut.

Er nickt kurz und dreht den Kopf weg. Er lässt seinen Blick ohne erkennbares Ziel durch die Menge schweifen. Es ist offensichtlich, dass er überlegt, was er nun sagen soll.

"Er ist also dein bester Freund?", hakt er nach.

"Ja. Wir kennen uns schon ein paar Jahre. Wir sehen uns aber nicht sehr oft, weil er so viel unterwegs ist. Aber wir verstehen uns echt gut. Ich wollte, dass ihr euch heute kennenlernt."

"Ach so? Ich lerne ihn heute kennen?"

"Das ist zumindest der Plan, ja."

Ich möchte ihm nicht davon erzählen, wie Wincent reagiert hat, als ich ihm von ihm erzählt habe. Ich möchte, dass Sebastian unvoreingenommen in das erste Kennenlernen hineingeht. Würde ich ihm von dem aktuell angespannten Verhältnis zwischen uns erzählen, würde er nur mit Vorurteilen gegenüber Wincent einsteigen.

In diesem Moment piepst mein Handy.

> Kommst du mal kurz ins Backstage? Warte auf dich! <

Was soll das denn nun? Wieso bittet mich Wincent in den Backstagebereich? Die ganze Zeit will er nicht mit mir sprechen und jetzt auf einmal tut er so, als wäre nichts gewesen?

"Ist er das?", fragt Sebastian.

Bilde ich mir seinen leicht eifersüchtigen, vorwurfsvollen Unterton nur ein?

"Ja. Er fragt, ob ich kurz zu ihm in den Backstagebereich kommen kann."

Er nickt, sagt aber nichts darauf. Ich beiße mir auf die Unterlippe und tippe eine Absage an Wincent. Ich kann Sebastian hier nicht einfach alleine lassen.

"Geh ruhig. Ich sehe mich in der Zwischenzeit ein wenig um.", meint Sebastian auf einmal.

Ich halte inne mit dem Tippen, hebe den Blick und sehe, wie er sich zwingt, mich anzulächeln.

"Bist du dir sicher?", frage ich nach.

"Na, sicher. Ich komm schon klar. Wir treffen uns einfach später wieder. Den Auftritt sehen wir uns dann gemeinsam an."

Ich nicke ihm dankbar zu und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.

Dann mache ich mich auf den Weg zur Bühne. Rechts neben der Bühne ist der Eingang zum Backstagebereich. Der Mann am Übergang wirft einen kurzen Blick auf meinen Pass und öffnet dann die provisorische Tür. Der Backstagebereich ist hier tatsächlich nichts Besonderes. Es ist schlichtweg ein abgetrennter Bereich hinter der Bühne. Auf der rechten Seite stehen ein paar Bierbänke mit aufgespannten Schirmen. Dahinter ist ein kleines Buffet aufgebaut. Auf der linken Seite sind vier Liegestühle aufgestellt. Auf einem davon entdecke ich Wincent. Da sein Blick schon auf mich geheftet ist, hat er mich schon vorher entdeckt. Ich gehe etwas verunsichert auf ihn zu. Als ich direkt vor seiner Liege zum Stehen komme, erhebt er sich und kommt einen Schritt auf mich zu.

"Hi.", sage ich vorsichtig.

Ich bin unsicher wie seine Laune gerade ist. Ist er noch der Wincent, der er die letzten Tage war, und wird unfreundlich und abweisend zu mir sein? Oder hat er das endlich abgelegt und ist wieder gewohnt liebevoll?

Er sagt nichts, sondern nimmt mich einfach nur fest in den Arm. Er drückt mich so fest, dass mir beinahe die Luft wegbleibt. Als ich ihm das mit einem leichten Schlag auf den Rücken versuche mitzuteilen, lässt er mich los und setzt sich wieder. Er klopft auf den freien Platz neben sich auf der Liege. Ich setze mich und sehe ihn erwartungvoll an.

"Es tut mir leid.", sagt er schließlich seufzend und fährt sich nervös durchs Haar.

"Was genau?"

"Alles. Mein Verhalten in den letzten Tagen. Das war unfair und unreif. Ich sollte mich für dich freuen. Das konnte ich im ersten Moment nicht und das tut mir leid.", gibt er zu.

"Wieso konntest du dich nicht für mich freuen?"

Meine Anspannung lässt nach. Wincent ist wieder der Alte, ist wieder mein Wincent, wie ich ihn kenne und liebe.

"Ich weiß auch nicht. Im ersten Moment fühlte es sich beinahe so an, als würdest du mit mir Schluss machen.", er versucht zu lachen. "Ich dachte, wenn du jetzt einen Freund hast, rutscht unsere Freundschaft total in den Hintergrund. Und dabei meine ich nicht das, was uns noch stärker verbindet."

Ich weiß sofort, worauf er anspielt. Da aber noch ein paar Leute um uns rum sind, werden wir es beide nicht direkt aussprechen. 

"Ich würde für nichts auf der Welt unsere Freundschaft vernachlässigen. Das weißt du doch!", lächle ich ihn an.

Ich hebe meine Hand und streiche ihm sanft über die Wange. Er zuckt kurz zurück und sieht sich verstohlen um. Niemand scheint uns große Beachtung zu schenken und so schmiegt er sein Gesicht kurz in meine Hand, ehe ich sie wieder sinken lasse.

"Ich weiß. Aber es fühlte sich so an. Ich weiß auch nicht... Ich war nicht darauf vorbereitet."

"Okay."

"Okay? Wirklich?"

"Ja, okay. Ich meine... Du hast dich entschuldigt und auch erklärt, also habe ich keinen Grund weiter sauer auf dich zu sein."

"Danke."

Er zieht mich zu sich und umarmt mich erneut. Dieses mal drückt er mich weniger fest und weniger lang.

"Und jetzt will ich alles über ihn wissen.", grinst er.

Ich setze mich ihm gegenüber im Schneidersitz hin und erzähle ihm alles, was mir zu Sebastian einfällt.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें