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Jemand rüttelt an meinem Arm, damit ich aufwache.

"Katharina!"

Das kann nur Mama sein. Niemand hier nennt mich sonst 'Katharina'. Ich blinsle zwei mal verwirrt ehe ich begreife, dass ich im Urlaub in Griechenland bin und schlafend auf einer Liege auf unserer Dachterrasse liege.

"Mama?", murmle ich und richte mich auf. "Was ist denn los?"

"Wir haben es kurz vor sechs. Du musst dich zum Abendessen fertig machen.", sagt sie.

Ich überlege. Kurz vor sechs? Gibt es nicht in einer halben Stunde schon Abendessen?

"Wie spät? Wirklich schon sechs?"

Ich richte mich auf und sehe mich um. Wincent liegt ebenfalls schlafend auf seiner Liege. Er scheint von Mama nicht geweckt worden zu sein.

"Ja, wirklich.", meint Mama und steht wieder auf.

Bis eben hat sie neben meiner Liege gekniet. Ich gähne einmal herzhaft, ehe ich dann von der Liege aufstehe. Ich nehme mein Handtuch von der Liege, doch dann fällt mir ein, dass das ja unsere Terrasse ist. Also muss ich mein Handtuch ja auch nicht mit ins Zimmer nehmen, sondern kann es einfach hier zum Trocknen liegen lassen bis morgen. Ich schlüpfe in meine FlipFlops und gehe zur Terrassentüre.

"Willst du Wincent denn nicht mitnehmen?", ruft Mama mir hinterher.

"Zum Duschen? Spinnst du?"

Ich bleibe abrupt stehen und drehe mich um. Entsetzt sehe ich sie an.

"Nein, das meine ich nicht. Aber er wird doch auch noch duschen und sich fertig machen wollen vor dem Abendessen. Oder denkst du er geht in Badeshorts?"

Ich zucke die Achseln und gehe in unsere Suite hinein. Angela liegt mit einem Handtuch um den Kopf gebunden auf dem Sofa und scrollt auf ihrem Handy herum.

"Alles klar?", hebt sie den Kopf und sieht mich an.

"Klar.", nicke ich.

Ich ziehe meine Schuhe wieder aus und stelle sie ordentlich neben die Türe, sodass ich morgen nur wieder hineinschlüpfen muss, bevor ich auf die Terrasse gehe.

"Hast du kurz eine Minute?", fragt Angela mich und legt ihr Handy beiseite.

Ich sehe sie überrascht an. Sie klingt ernst. Ich habe Angela selten ernst erlebt. Unsere Gespräche sind meist auf einer lockeren Ebene. Tiefgründige Gespräche habe ich mit ihr bisher nur äußerst selten geführt.

"Äh", stammle ich und werfe einen Blick auf die Uhr an der Wand. "Ja, einen kurzen Moment habe ich. Dann muss ich unter die Dusche."

Sie nickt und klopft auf den Platz neben sich auf dem Sofa. Ich gehe zu ihr hinüber und setze mich direkt neben sie. Unsicher sehe ich sie an.

"Ich weiß nicht, was zwischen Wincent und dir passiert ist, aber ich bin dir sehr dankbar, dass du das vergessen konntest und mit hierher gekommen bist. Das bedeutet mir viel und auch Wincent. Ich weiß, dass er das nicht immer so zeigen kann, aber du bedeutest ihm ernorm viel. Ich hoffe, dessen bist du dir bewusst?"

Oh oh, in welche Richtung soll denn dieses Gespräch bitte laufen?

Ich nicke nur.

"Es geht mich nichts an und so genau will ich es auch gar nicht wissen, aber das, was da zwischen euch beiden ist, ist wirklich besonders. Dass ihr so vertraut miteinander seid, obwohl ihr kein Paar seid, finde ich bewundernswert. Ich glaube, ich war nie jemandem so nah, dem ich nicht auch körperlich näher gekommen bin."

Bitte was? Sie will jetzt aber nicht, dass ich weiter darauf eingehe und bestätige oder dementiere, ob Wincent und ich uns je näher gekommen sind?

"Wie gesagt, es geht mich nichts an. Ich möchte dir nur sagen, dass alles, was er vielleicht getan hat, das dich verletzt hat, mit Sicherheit nicht seine Absicht war. Er würde dich niemals absichtlich verletzen!", fährt sie fort.

"Ja, das weiß ich.", nicke ich.

Und das tue ich. Ich weiß, dass er mir nicht weh tun würde, wenn er es nicht müsste. Jedenfalls nicht, wenn er sich dessen bewusst ist, dass er mich damit verletzt.

Angela holt Luft, um noch etwas zu sagen, doch in dem Moment wird die Terrassetüre aufgeschoben und Wincent tritt herein. Sofort springe ich vom Sofa auf und gehe hinüber in unser Schlafzimmer. Ich greife mir frische Unterwäsche aus dem Schrank und verschwinde ins Badezimmer.

Der Abend verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Wincent und ich versuchen das Nötigste miteinander zu sprechen, damit unseren Müttern die angespannte Stimmung nicht auffällt. Was natürlich Quatsch ist, denn sowohl Mama, als auch Angela bemerken, dass wieder einmal etwas nicht stimmt. Das signalisieren sie uns sehr deutlich mit ihren Blicken.

Nach dem Abendessen verziehen Wincent und Angela sich sofort in ihre Zimmer, während Mama und ich es uns noch bei jeweils einem kleinen Cocktail, den wir uns noch an der Bar mitgenommen haben, auf der Terrasse bequem machen.

"Sagst du mir, was zwischen euch beiden los ist?", fragt Mama vorsichtig.

"Ach, Mama.", seufze ich. "Du weißt, dass ich dir alles erzähle. Alles, außer das."

Es war immer schon eine unausgesprochene Abmachung, dass wir nie über das, was zwischen Wincent und mir ist, sprechen. Ich fände es komisch, wenn Mama plötzlich wüsste, dass wir miteinander ins Bett gegangen sind.

"Denkst du denn, ich bin blöd?", lacht sie. "Denkst du wirklich, dass mir nicht bewusst ist, dass schon seit Jahren etwas zwischen euch beiden läuft? Ich möchte es doch nur verstehen. Seid ihr ein Paar? Seid ihr ineinander verliebt? Denn du kannst mir nicht erzählen, dass das eine reine Sex-Affäre ist."

Ich verschlucke mich beinahe an meinem Cocktail. Mit aufgerissenen Augen sehe ich Mama an. Mir war ja irgendwie klar, dass sie etwas ahnen muss. Aber, dass sie es so deutlich ansprechen würde, hatte ich nicht erwartet.

"Du musst mir doch nicht erzählen, was ihr im Bett so treibt. Ich will nur wissen, wie ich mit euch umgehen soll. Was ist das zwischen euch?", versucht Mama die Situation ein wenig zu entschärfen, da sie merkt, wie unangenehm es mir ist.

"Es ist nichts zwischen uns.", sage ich.

Als Mama sofort skeptisch ihre Augenbrauen in die Höhe zieht, lenke ich schnell ein.

"Okay, du hast ja Recht. Wir hatten mal etwas miteinander, das stimmt. Aber da war nie mehr. Wir hatten darüber gesprochen und wir wussten beide, dass das nur um...", ich schlucke, "... nur um den Spaß ging. Da waren nie Gefühle im Spiel. Und seit Sebastian in meinem Leben ist, ist auch nichts mehr passiert."

"Du musst mich nicht anlügen, Kathi. Ich werde Sebastian nichts davon erzählen.", sagt Mama ruhig. "Aber bist du dir sicher, dass nichts zwischen euch ist? Das sah heute nämlich ganz anders aus. Und ich verstehe einfach nicht, wieso ihr das leugnet."

"Mama, bitte. Ich möchte nicht darüber nachdenken. Ich möchte den Urlaub genießen und mich nicht dauernd mit meinen Gefühlen beschäftigen müssen."

Ich trinke meinen Drink in einem Zug aus und stehe auf, um zur Tür zu gehen.

"Ha, ich wusste es!", jubelt Mama hinter mir. "Du hast also tatsächlich Gefühle für ihn."

Ich verdrehe schnaubend die Augen und verziehe mich ins Schlafzimmer.

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt