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Nachdem Mama mir zwanzig Minuten lang versucht hat zu erklären, wieso Männer so sind wie sie sind, biegen wir auf die Hofeinfahrt meiner Oma ein. Um das große Haus herum ist ein Baugerüst gestellt, da meine Mutter und ihr Bruder gerade dabei sind, das Haus ein wenig umbauen zu lassen. Meine Oma ist seit Jahren Witwe und mittlerweile auch nicht mehr so gut zu Fuß. Sie benutzt ohnehin nur noch das Erdgeschoss, welches alleine schon um die 100m² umfässt. Deshalb haben sie sich nach endlos langen Gesprächen dazu entschlossen, den ersten und zweiten Stock zu je einer Wohnung umbauen zu lassen. Da man mit der S-Bahn innerhalb von etwa 25 Minuten am Marienplatz ist, können wir eine hübsche Summe für die Miete verlangen.

Nach dem Aussteigen kommt sie zu mir herüber und legt mir einen Arm um die Schulter.

"Das legt sich alles wieder. Du musst den Jungs nur etwas Zeit geben.", versichert sie mir und lächelt mich aufmunternd an.

"Na, hoffentlich hast du Recht."

Ich will mein Handy gerade in die Hosentasche stecken, als ich spüre, dass es vibriert. Ich habe es immer noch nicht wieder auf laut gestellt. Ich will den Anrufer schon wegdrücken, als ich erkenne, dass es Sebastian ist.

"Ich geh da kurz ran.", sage ich und halte ihr das Handy hin, sodass sie sieht, wer mich anruft.

Sie nickt und geht zur Haustür davon, während ich in die entgegengesetzte Richtung zur Straße außer Hörweite meiner Mama gehe.

"Hi.", hebe ich ab.

"Guten Morgen. Ich habe nachgedacht...", beginnt er sofort. "Du musst den Urlaub natürlich nicht absagen. Zum einen, weil ich ja merke, wie sehr du dich darauf freust, etwas Zeit mit ihm zu verbringen, ganz egal ob mich das nun stört oder nicht. Und zum anderen, weil ja auch eure beiden Mütter dabei sind. Deine Mutter bekäme bestimmt keinen guten Eindruck von mir, wenn ich dir gleich zu Beginn unserer Beziehung Verbote erteile."

Ich freue mich darüber, dass er sogar schon daran denkt, wie sein Verhalten auf meine Mama wirken könnte. Und, dass er das, was zwischen uns ist, nun endgültig offiziell als Beziehung bezeichnet, erhöht meine Laune enorm.

"Danke, das freut mich. Ich weiß, dass das eine komische Situation für dich ist. Aber ich versichere dir, dass zwischen Wincent und mir nichts ist, worüber du dir Sorgen machen müsstest."

"Ich weiß. Aber ich muss dir auch ehrlich sagen, dass ich nicht besonders viel Bock habe, in Zukunft viel Zeit mit ihm zu verbringen. Ich habe kein Problem damit, wenn du dich mit ihm triffst, wenn er in der Nähe ist, aber ich muss dann nicht unbedingt mitkommen. So ein oder zwei Treffen im Jahr sind genug, denke ich.", lacht er vorsichtig.

"Gut, kein Problem. Das ist verständlich nachdem er die letzten Tage so unverschämt war.", entgegne ich.

Ich bin sogar ein bisschen froh darüber, somit in Zukunft weiteren Peinlichkeiten zwischen den beiden eher aus dem Weg zu gehen. Trotzdem denke ich auch, dass er die Verbindung zwischen Wincent und mir nur verstehen kann, wenn er ihn besser kennenlernt. Allerdings kann ich es ihm nicht verübeln, dass er darauf momentan überhaupt keine Lust hat.

Wir unterhalten uns noch ein paar Minuten und verabreden uns für den nächsten Tag zum Mittagessen. Dann lege ich auf und gehe hinein zu meiner Mama und Oma. Wir setzen uns auf die Terrasse, trinken Kaffee und plaudern über Gott und die Welt. Ich berichte Oma von meinem neuen Freund, obwohl Mama natürlich schon alles weitererzählt hat. Oma erzählt uns, wie weit die Umbauarbeiten im Haus mittlerweile sind und beschwert sich über den andauernden Lärm, den der Umbau macht. Mama und ich berichten Oma, wie die Geschäfte im Laden laufen, auch wenn sie sich nie viel dafür interessiert hat. Meine Oma kann mit Autos nichts anfangen - genauso wie ich. Für mich ist das nur ein Bürojob wie jeder andere auch. Zum Glück übernimmt meistens mein Vater die Verkaufsgespräche oder unsere Azubine, die viel autoverrückter ist als wir alle zusammen. 

Nach drei Stunden machen Mama und ich uns wieder auf den Heimweg. Auf der Fahrt erzähle ich ihr von meinem Gepräch mit Sebastian, woraufhin sie ihre Bewunderung für diese reife Reaktion zum Ausdruck bringt. Ich habe das Gefühl, dass es das erste mal ist, dass sie eine gewisse Sympathie für Sebastian entwickelt.

Da wir beide keine Pläne mehr für den Sonntagnachmittag haben, entscheiden wir uns kurzer Hand dafür, noch in den Laden zu fahren, um den liegengebliebenen Papierkram nachzuarbeiten. Sonntags ein paar Stunden mit meiner Mama zusammen im Büro zu sitzen macht immer Spaß. Mir macht die Arbeit ohnehin meistens Spaß, aber wenn außer uns niemand da ist, ist es sehr angenehm. Da ich den Freitagnachmittag wegen des Festivals freigenommen hatte, stapelt sich die Arbeit auf meinem Schreibtisch. Nach eineinhalb Stunden ist Mama mit ihren Aufträgen fertig und übernimmt noch ein bisschen Arbeit von mir, sodass wir beide mit gutem Gewissen nach Hause gehen können. Wir holen uns noch einen Kaffee beim Bäcker nebenan und dann machen wir uns auf den Heimweg.

Da vor meinem Wohnhaus mal wieder kein Parkplatz frei ist, lässt sie mich eine Straße weiter an einer Kreuzung aussteigen, als die Ampel rot ist. Unterwegs schmeiße ich meinen Kaffeebecher in den Müll und krame nach meinem Schlüssel in meiner Handtasche. Dabei fällt mein Blick zum ersten Mal seit Stunden wieder auf mein Handy. Keine weiteren Anrufe oder Nachrichten von Wincent. Scheinbar hat er endlich kapiert, dass ich im Moment nicht mit ihm sprechen möchte. 

Nachdem ich mich geduscht habe, schlüpfe ich in meinen bequemsten Jogginganzug und werfe mich aufs Sofa. Ich schalte durch das Fernsehprogramm und bleibe bei Explosiv auf RTL hängen. Natürlich beginnt aber nur wenige Sekunden später eine Werbepause. Ich angle mir mein Handy vom Couchtisch und scrolle durch die neuen Fotos auf Instagram, bis ich bei Wincents neuem Beitrag hängen bleibe. Es ist ein Spruch in weißer Schrift auf schwarzen Hintergrund.

'Menschen sagen so viel, ohne es zu meinen und verletzen dabei, ohne es zu wollen.'

Ich lege mein Handy weg und muss meine ganze Kraft aufbringen mich davon abzuhalten, ihn auf der Stelle anzurufen. 

Mit Dir bin ich irgendwie anders - WincentWeiss (Teil 1)Där berättelser lever. Upptäck nu