95| Unexpected

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Kapitel 95
Unexpected
[Shawn Peter Raul Mendes]
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Schwungvoll geht die Tür auf. Ich zucke zurück, was wahrscheinlich sehr seltsam aussieht. Es ist eine komische balancierende Geste, da ich sonst nach hinten umkippen würde.

„Shawn", sie klingt überrascht. Mehr als überrascht, aber erfreut, was mich wundert.

„Hailey", entgegne ich, als wäre mein Kopf nur mit diesem einem Wort und nichts anderem gefüllt. Dabei habe ich mir alles zurechtgelegt.

Sie stemmt ihre gebräunten, dünnen Arme in die Hüfte, während sie mit ihren vollen Lippen schmollt: „Was willst du?"

„Haben wir wirklich miteinander geschlafen?", frage ich sie dann.

„Ja, haben wir", sie sieht mich bedrückt an.

„Jede Faser meines Körpers erinnert sich daran. Jede Stelle weiß, wie du mich berührt hast"

Mein Magen fühlt sich an, als würde er sich plötzlich umdrehen. Scheiße, was habe ich nur getan?

„Es tut mir so schrecklich leid. Wenn ich könnte, würde ich es wieder gut machen"

Ihre braunen Augen mustern mich von oben bis unten. Ich streiche durch meine Haare. Dabei schließe ich meine Augen und versuche alles zu verdauen.

„Gibt es etwas, das ich tun kann?", hake ich nach.

„Ja"

Sie zieht mich zu sich und drückt ihre Lippen auf meine. Ihre Lippen fühlen sich so seltsam auf meinen an. Sie passen nicht zusammen. Ich versuche mich zu lösen, doch sie zieht mich näher zu sich. Es fühlt sich nicht nur nicht gut, sondern einfach falsch an.

„Ich bin immer noch mit Melody zusammen", sage ich und stoße sie von mir weg. Als ich sie angucke, wirkt sie wie ein schmollendes Kind.

„Ich dachte du wolltest es wieder gut machen. Kannst du es nicht versuchen? In der Nacht...Da war etwas zwischen uns"

„Ich kann mich nicht daran erinnern. Aber Hailey, ich liebe Melody"

„Mach dir nichts vor. Du hast es selbst gesagt. Du hast gesagt, dass du für mich mehr empfindest. Schon immer. Dass zwischen uns nicht nur Freundschaft ist"

„Ich-ich...Habe ich das?", hake ich nach. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen diese Worte gesagt zu haben.

„Sorry Shawn, aber ich halte es nicht mehr aus"

„Was hältst du nicht mehr aus?"

Ich sehe sie an. Ein verletzter Gesichtsausdruck liegt auf ihrem makellosen Gesicht, das nicht so schön geformt ist, wie das von Melody. Ich kann kein Mädchen mehr betrachten, ohne Vergleiche mit ihr zu ziehen. Melody gewinnt immer, in jedem Fall. Nur weiß sie nicht, dass sie das für mich tut.

„Dich zu sehen. Es tut einfach nur weh", somit macht sie die Tür zu. Was habe ich hier nur fabriziert? Ich wollte mich mit ihr vertragen. Stattdessen hat sie mich geküsst, ich habe Melody also ein weiteres Mal betrogen und Hailey hasst mich. Beziehungsweise hat mir eigentlich gesagt, dass sie in mich verliebt ist und mehr als Freundschaft will.

Es schmerzt beides, eine Freundschaft und die Liebe meines Lebens untergehen zu sehen.

„Scheiße", mit einem lauten Stoß trete ich gegen die weiße Wand.

Wieso muss alles immer so verdammt kompliziert sein? Ich habe mit Hailey geschlafen. Verdammt, ich habe mit ihr geschlafen. Ich habe Melody betrogen. Wie kann ich ihr nur jemals unter die Augen treten? Augen, die mich voller Verachtung, Wut, aber vor allem Schmerz angesehen haben.

Ich habe ihr unheimlich wehgetan. Wie kann ich das wieder gut machen?

Wie kann man von einer Person erwarten einem zu verzeihen, wenn man es selber nicht kann? Es nicht einmal aussprechen kann?

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie ich weiter machen soll.

„Können wir Fotos machen?", höre ich ein kleines Mädchen fragen, als ich aus der Tür herauskomme. Anscheinend hatte sie mich schon erspäht, bevor ich überhaupt meinen Blick heben konnte.

„Klar", ich setze ein Lächeln auf. Morgen muss ich zurück nach Toronto, dann nach Europa, um mein neues Parfüm einzuweihen. London, Paris, alles viel zu weit weg von ihr.

Nach dem ich ein Foto mit falschem Lächeln gemacht habe, gehe ich weiter. In Gedanken ist es so, als würde ich über mir schweben. Kilometer über mir. Vielleicht irgendwo im All, wo ich überhaupt keine Auswirkung auf mein Leben habe.

Meine Füße tragen mich wie automatisch zu ihrer Wohnung. Jetzt weiß ich, was los ist. Hailey kann nicht gelogen haben, dazu war sie viel zu sehr betroffen. Ich schlucke schwer. Außerdem kenne ich sie...Denjenigen, den ich nicht kenne, das bin augenscheinlich ich. Denn ich tue Sachen, die ich abgrundtief verabscheue. Ich bin mir selbst zu wider. Wie konnte es nur so weit kommen?

Mein Finger bohrt sich in die Klingel hinein.

„Was zur Hölle ist dein Problem, Alter?", eine mit unbekannte Stimme blafft mich an, als wäre ich ein Schwerstverbrecher. Wahrscheinlich bin ich das auch, im übertragenen Sinne.

„Ist Melody da?", frage ich den dunkelblonden Jungen mit unrasiertem Gesicht.

„Nein"

„Wann kommt sie wieder?", hake ich nach.

„Woher soll ich das denn wissen?", motzt er mich an, als hätte ich ihm die schlimmste Frage überhaupt gestellt.

„Du bist doch ihr Mitbewohner", gebe ich von mir, als wäre das der Grund, warum er es eben wissen muss.

„Ja, aber nicht ihr Babysitter. Moment Mal, bist du nicht...Natürlich...Fick dich, Alter"

Damit schlägt er mir die Tür vor der Nase zu. Wow, das war interessant. Und unerwartet. Anscheinend erzählt sie ihm doch etwas. Sieht nicht so aus, als würden sie sich so sehr hassen, denn er scheint zu wissen, was ich getan habe. Oder er hat einfach eine Aversion gegen mich. Ebenfalls möglich.

Meine Hände greifen nach meinem Handy, da ich jetzt, in diesem Moment, in dem es sich anfühlt, als wäre ich unter den Trümmern meines Lebens begraben, Musik brauche.

Meine Kopfhörer durchfluten schnell meine Ohren mit Kings of Lion.

Es hilft mir, auch wenn es nicht meine Laune verbessert oder das Geschehene besser macht.

E-Mail. Vielleicht reagiert sie, wenn ich ihr eine E-Mail schreibe. So haben wir uns kennengelernt. Vielleicht ist das der einzige Weg, um zu ihr hindurch zu dringen.

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1. mutual
2. particular taste
3. queen

(in my blood is outta space)

unexpected [s.m] Where stories live. Discover now