80| Unexpected

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Kapitel 80
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
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"Dieser Typ, er war hier", erklärt Ben.
"Welcher Typ?", frage ich.

"Er ist braunhaarig und groß. Mehr habe ich aber nicht gesehen. Nur wie er die Wohnung verlassen hat"

Shawn. Das kann nicht sein. Wie kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass Shawn da war?

"Weißt du sonst noch etwas?", frage ich skeptisch.

Je mehr ich in meinem Gehirn herumwühle und nach Antworten suche, desto weniger finde ich. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet Ben meine Antworten haben soll.

"Klang so, als hättet ihr miteinander geschlafen"

"Sicher?", ist alles was ich herausbringe.

Er nickt: "Sicher"

"Ich muss los", sage ich und stehe auf. Meine Füße tragen mich in mein Zimmer. Wenn wahr ist, was er gesagt hat, dann habe ich es getan. Ich hatte das erste Mal Sex. Wenn wahr ist, was er gesagt hat, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.

Ich atme aus. Es muss nicht wahr sein. Wer ist er schon? Mit meiner Hand stoße ich die Tür zu meinem Zimmer auf.

Verdammt, wenn er recht hat, hat Shawn sich einfach verpisst. Er ist einfach gegangen. Shawn hat mich alleine gelassen.

Das tut weh. Es tut verdammt weh.

Ich lasse mich auf mein Bett fallen. Mit meinem Körper pralle ich auf den weichen Kissen auf.
Erst als ich etwas warmes auf meinen Wangen spüre, merke ich, dass ich weine. Weinen. Das letzte Mal, als das mit Mason passiert ist. Wieso muss ich gerade daran denken?

Ich weine verdammt selten. Emotionale Kacke ist etwas, auf das ich verzichten kann. Tränen sollten nicht wegen so etwas vergossen werden oder?

Mein Herz fühlt sich an, als hätte jemand tausend Nadeln hindurch gestochen. Mein Hals ist so trocken, dass ich Probleme habe zu schlucken.

Was ist nur aus allem geworden?
Vor zwei Wochen war alles perfekt. Shawn war da, wir waren am Anfang etwas Neuem. Ich habe an der Kunstschule angefangen.

Jetzt steht alles vor dem Ruin. Die Kunstschule ist nicht das, was ich mir erhofft habe. Mein Mitbewohner ist scheiße. Shawn hat mich verlassen, nachdem wir miteinander geschlafen haben. Alles ohne ein Wort zu sagen. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen.

Meine Hand ist schwach, doch ich greife nach meinem Handy. Der Posteingang ist leer.

Genauso wie ich.

Wieso hat er mit mir geschlafen? Wieso habe ich mit ihm geschlafen?

An nichts kann ich mich erinnern.
Zwar ist das erste Mal nur ein von der Gesellschaft gepushter Akt, aber dennoch. Es bedeutet mir etwas und ich hatte die Hoffnung, dass ich mich später einmal daran erinnern würde. Wieso weiß ich nichts mehr davon?

Die Tatsache, dass ich es tatsächlich vergessen habe, wurmt mich.

Am liebsten würde ich jetzt nach dem Handy greifen und Luisa anrufen. Mit Kat und Logan reden. Doch irgendwie ist es auch das Letzte, das ich tun will. Ich fühle mich einfach so unendlich kraftlos. Als hätte jemand mir meine ganze Kraft entzogen.

Mein Blick schweift auf die Uhr.
Die Kunstschule. Die erste Stunde ist vorbei.

Ich will nur noch liegen bleiben. Einfach für immer und ewig auf meinem Bett bleiben.

"Du kommst zu spät", bemerkt Ben im selben Moment. Als könnte er Gedanken lesen.

"Klappe", murmele ich.

Ein Wort, das ihn trotzdem nicht zum Schweigen bringt. Ben ist wie ein super nervige innere Stimme, die man nicht los wird. Nur dass er real ist. Eine echte Person.

"Du solltest besser nicht zu spät kommen. Die sind ziemlich streng. Das solltest du wissen", murmelt er noch bevor er die Wohnung verlässt.

-

Ich fühle mich einsam in New York. So viele Menschen sind um mir, aber trotzdem bin ich alleine.
Warum macht es mir das Leben so schwer?

Straßenmusik spielt während ich mir meine Mütze tiefer ins Gesicht ziehe. Sie steht im krassen Gegensatz zu meiner durchlöcherten Jeans, die eigentlich nur für den Sommer gemacht ist.

"Rosen für die schöne Lady?"

Ein älterer Mann hält mir einen von denen Rosen hin, die man bezahlen muss, wenn man sie behält.

Ich schüttele meinen Kopf. Rosen wie die, die Shawn mir gegeben hat.

"Aber sie wollen doch bestimmt eine. Eine wunderschöne Frau wie sie"

"Nein", das Wort verlässt meinen Mund wie einen Brocken, den ich nicht richtig herausbekomme, nun aber mit voller Wucht hinausschleudere.

"Aber klar wollen sie eine"

Ruckartig reiße ich ihm das Ding aus der Hand. Schnell zerreiße ich sie, wobei sich die vielen Stacheln in meine Haut fressen.

"Sie können sich dieses scheiß Ding sonst wohin schieben", schreie ich dann.

Der Mann sieht mich entsetzt an.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, gehe ich weiter.

Ich blicke auf meine Hände. Sie bluten.

Es hält mich nicht davon ab einfach weiter zu gehen.
Ich betrete ein kleines Café.

Mit meinen mittlerweile getrockneten Händen greife ich nach meinem Handy.

"Kat?", frage ich und muss mich zurückhalten, um nicht erneut in Tränen auszubrechen.

"Ja?", sie klingt fröhlich.

"Ich habe mit Shawn geschlafen", presse ich zwischen meinem Kiefer hindurch. Es tut weh die Worte zu sagen. Wieso schmerzt es so sehr, dass er einfach gegangen ist? Ich bedeute ihm nichts. Nicht genug um zu bleiben.

"Du hast was?", schreit sie mir förmlich entgegen, sodass ich das Handy ein paar Meter von meinem Ohr entfernt halten muss.

Ich stottere, als ich spüre, wie die Tränen nach oben kommen: "Ich... Wir... Und ich war betrunken. Ich erinnere mich an nichts mehr. Alles ist verschwommen"

"Nein...."

"Doch. Shawn, er ist einfach gegangen", erzähle ich noch weiter. Mit meiner freien Hand streiche ich über mein Gesicht. Es fühlt sich verklebt an. Ich fühle mich dreckig. Wenn ich aus meiner Haut herausfahren könnte, würde ich es tun.

"Nein. Shawn würde so etwas nicht tun. Das würde er nicht. Außerdem nachdem, was ihr zusammen erlebt habt? Wieso sollte er dich einfach verlassen? Woher weißt du überhaupt, dass ihr... Na ja du weißt schon?"

"Ben. Er hat es mir erzählt. Dann ist da noch diese bruchhafte Erinnerung von Shawn, wie er mich küsst. Aber ab da ist alles schwarz"

unexpected [s.m] Where stories live. Discover now