03| Unexpected

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Kapitel 03
Unexpected
[Melody Rose Morgan]
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Es dauert sechzig Sekunden von meinem Sitz aufzuspringen und den Klassenraum zu verlassen.

Ich mache mich schnurstracks auf zu meinem Spind, in den ich meine Bücher unachtsam hinein werfe.

Als ich mich umdrehe, stoße ich fast mit Mason zusammen, der etwas brummt, das nach einem genervten »Pass doch auf!«, klingt.

»Rein theoretisch habe ich Vorfahrt, da du von Links kommst und ich von Rechts, mal ganz abgesehen davon, dass du in meinem toten Winkel stehst. Du hättest aufpassen müssen, nicht ich. Es wären nämlich nur zwei Schritte gewesen, mit denen du unser Zusammenstoßen hättest verhindern können!«, antworte ich mit einem riesigen Wortschwall.

Mason schaut mich etwas verdattert an. Er hatte wohl gar nicht mit einer Antwort gerechnet. Wenn, dann nur mit einer unterwürfigen Entschuldigung. Seine Nase zieht sich etwas kraus, während er seine Unterlippe mit seinen Zähnen einzieht. Dann verschränkt er seine Arme.

»So?«, ist alles, was er darauf sagt.

»Jap!«, antworte ich und steige auf mein Skateboard, als ich sehe, wie Logan um die Ecke biegt. Bevor ich losfahre, schwinge ich mir meinen Rucksack über die Schultern. Schließlich drehe ich mich um und fahre auf Logan zu. Dieser seufzt, als sein Blick auf mein Skateboard fällt.

»Du kannst es einfach nicht lassen oder?«, fragt er dann. Ich nicke.

»Das ist wie eine Störung...Oder eine Sucht, ich kann einfach nicht aufhören, ja? Genauso, wie du nicht aufhören kannst auf Luisas Arsch zu starren«, antworte ich und sehe gerade aus. Ohne ihm ins Gesicht zu gucken, weiß ich, dass er gerade purpurrot anläuft.

»Stimmt doch gar nicht!«, versucht er sich zu wehren.

»Ach bitte!«, gebe ich von mir und boxe ihn in die Seite.

»Es ist eine Tragödie, dass du so von mir denkst!«, sagt er gespielt verletzt und legt seine Hand auf sein Herz, um die Geste zu dramatisieren und so zu tun, als hätte ich ihn damit ganz tief getroffen. Ich kann mich bei diesem Anblick vor Lachen kaum halten.

»Die einzige Tragödie ist, dass du es nach all den Jahren nicht geschafft hast, sie nach einem Date zu fragen!«, erwidere ich lachend. Schmollend sieht Logan mich an. Ich stupse ihn in die Seite.

»Ach komm schon!«, brumme ich grinsend. Er fängt an zu lachen und ich falle mit ein.

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»Einmal das Chili und das Eis als Nachtisch...und dann noch den Salat!«, wähle ich das Essen in der Schulkantine. Ich bekomme eine undefinierbare Pampe auf den Teller geklatscht und eine Marke mit dem ich mir nachher das Eis holen kann.

»Wie kannst du nur so viel essen?«, fragt mich meine beste Freundin, die vorhin zu Logan und mir dazu gestoßen ist, während sie ihre Nase rümpft.

»Wieso, ist doch gar nicht so viel«, sage ich und sehe auf den Matsch auf meinem Teller. Kat lacht und schüttelt den Kopf.

»Na ja du bleibst ja auch dünn, egal was du isst!«, gibt sie von sich und bestellt einen Salat. Kat heißt eigentlich Katy und hatte früher leichte Gewichtsprobleme, weshalb sie jetzt haargenau zählt, welche Kalorien sie zu sich nimmt. Mir hingegen ist es scheiß egal, was ich esse, solange es schmeckt.

»Melody, wusstest du, dass unsere Schule einen Artcontest veranstaltet?«, fragt mich Logan, während er auf ein Plakat starrt, das groß über dem Eingang hängt.

»Ich schätze jetzt schon«, antworte ich und gehe weiter zu unserem Stammtisch.

»Da musst du teilnehmen!«, mischt sich Kat ein, während sie sich zwischen mich und Logan quetscht. An unserem Tisch angekommen, ziehe ich einen blauen Stuhl heraus und setze mich gegenüber von Kat.

»Ne, ist nicht so mein Ding«, antworte ich und stochere ein bisschen in dem Chili rum.

»Wieso habe ich das Chili genommen? Wer weiß, was die für ein Fleisch nehmen«, sage ich und rümpfe die Nase, während ich hinzufüge, »Und Bohnen kann ich auch keine finden.«

»Was redest du denn da, du bist die talentierteste Künstlerin, die ich kenne!«, erwidert Kat begeistert und fuchtelt mit einer Gabel vor meiner Nase herum. Vorsichtig nehme ich ihr das Ding aus der Hand.

»Ich bin mir nicht so sicher, ob du damit umgehen kannst«, sage ich dann, »Außerdem kann das daran liegen, dass du einfach keine anderen Künstler kennst. Mal abgesehen davon, würde ich meine Bilder nicht als Kunst und mich somit nicht als Künstlerin bezeichnen!«

»Ach Quatsch, Kat hat recht, du bist wirklich gut«, sagt Logan, während er sich ein Stück Brot abreißt und in den Mund stopft.

»Ach was. Anders Thema bitte!«, versuche ich die Beiden davon abzuhalten, über mich zu schwärmen, als wäre ich der nächste Picasso.

»Meine Mum hat wieder einen neuen Typen!«, murmelt Kat betrübt. Sie stochert in dem, sowieso schon nicht appetitlichen, Salat herum.

»Oh nein«, antworte ich ehrlich mitfühlend. Seit sich ihre Mum von ihrem Dad getrennt hat, hat sie jeden Tag einen Neuen. Die meisten sind irgendwelche aalglatten Bänker.

»Das Schlimme ist ja, dass sie meint, es könnte etwas Ernstes werden!«

»Nein!«, antworten Logan und ich synchron, was wahrscheinlich ziemlich lustig aussieht. Die Vorstellung, dass ihre Mutter mal wieder eine Beziehung haben könnte, die länger als eine Woche dauert, ist einfach genauso unwahrscheinlich, wie dass der Weihnachtsmann wirklich existiert.

»Doch, genau das hat sie gesagt!«, antwortet Kat bestürzt.

»Ach das wird schon!«, versuche ich sie zu beruhigen. Kat nickt und auch Logan tätschelt ihren Arm. Ich glaube so oder so nicht, dass aus dieser Beziehung wirklich etwas Ernstes wird.

Ich versuche etwas von dem Chili herunterzuwürgen und bemerke, dass es anscheinend nur optisch so ekelhaft ist, da es gar nicht mal so widerlich schmeckt, wie es aussieht. Das heißt nicht, dass es gut schmeckt. Bloß, dass es nicht so eklig ist, wie gedacht.

Noch genau zwei Stunden, bevor ich in die Freiheit entlassen werde. Zumindest für heute.

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unexpected [s.m] Where stories live. Discover now