„Ich muss darüber nachdenken", murmle ich ein wenig verstört von seiner Ansprache, erhebe mich und lege die Hand auf die Klinke. „Wenn Sie gehen, ohne mir eine Antwort zu geben – werte ich das als Nein, Mademoiselle", drängt er mich und ich sehe ihn an. Anschließend wandert mein Blick auf die Klinke in meiner Hand, gedankenverloren starre ich auf das glatte Metall, welches von meiner Handfläche umschlossen wird. „ Wie geht es ihm?", frage ich plötzlich. „Wem? Zlatan?" Ich nicke, ohne ihn anzusehen. „Er hat Glück gehabt. Ende der Woche steigt er wieder voll ins Training ein", beantwortet Dr. Dardys meine Frage und fixiert mich weiter, es ist mir unangenehm.

Er gibt mir diese Chance. Er glaubt an mich. Vielleichtkann ich das auch wieder. "Ja, ich schaffe es", sage ich nun fest und wende mich ihm zu. Auf seinem strengen Gesicht breitet sich ein warmes Lächeln aus und er steht auf. Automatisch reiche ihm die Hand. "Sehr gut. Willkommen an Bord, Frau Kollegin!", beglückwünscht er mich und ergreift meine Hand. Habe ich gerade wirklich zugesagt? Bin ich bescheuert?! „Gut, dann kann ich Sie ja noch vor der Winterpause mitnehmen, das nächste Spiel ist am Samstag um 17 Uhr. Ich informiere Sie morgen, wann wir uns wo treffen. Jetzt machen Sie bitte weiter", schließt er seine Erklärung und ich verlasse wie in Trance sein Besprechungszimmer.

Ich hab sie wirklich nicht mehr alle! Anders kann man das nicht erklären! Wieso bin ich so blöd und sage ja, wo ich mir doch sicher sein kann, dass ich Zlatan über den Weg laufen werde! Bin ich wirklich so dumm oder einfach nur verwirrt durch den Schlafmangel. Denn wohlüberlegt war diese Entscheidung nicht. Überhaupt nicht. Meine Pause ist auch dahin und so muss ich den nächsten Abschnitt meiner Schicht absolvieren, ohne wenigstens einmal durchgeatmet zu haben. Spitze.

Dieses Mal ziehen sich die 48 Stunden wie Kaugummi und ich bin maßlos erleichtert, als ich am Mittwoch früh endlich auf dem Weg nach Hause bin. In dieser Woche schaffe ich es wenigstens die Finger von der Rasierklinge zu lassen und mich mit anderen Dingen abzulenken. Doch das ist nur möglich, weil mein Körper in diesen Tagen nicht von brennenden Schwertern zerschnitten wird. Woher diese Pause kommt, weiß ich nicht, es ist mir auch egal – Hauptsache, es ist so. Nachts kann ich zwar immer noch nicht schlafen, ich schlage die Zeit damit tot, die Namen der Spieler auswendig zu lernen und mich mit ihren Geschichten vertraut zu machen. Wenigstens die Verletzungshistorie, wie blöd das jetzt auch klingen mag. Aber ein Spieler, der prinzipiell anfällig bei den Knien ist, muss anders behandelt werden als einer, dessen Schwachstelle eher die Schulter ist. Wo ich Ibra da einsortieren soll, weiß ich nicht so genau.

Dr. Dardys hat mir ganz genaue Anweisungen gegeben, wann wir am Samstag im Stadion sein müssen. Wenigstens ist es ein Heimspiel. Daran habe ich Depp nämlich nicht gedacht. An die Auswärtsspiele. Mit meiner ‚tollen' neuen Aufgabe kommen einige Reisen auf mich zu. Immer wieder habe ich mich gewundert, wo mein Chef an den Wochenenden beziehungsweise an den Freitagen oder unter der Woche regelmäßig hin verschwunden ist. Ja jetzt ist es mir klar. Ich sag ja, ich bin ziemlich blöd im Kopf durch den fehlenden Schlaf. Das kann ja heiter werden.

Nervös schaue ich alle zwei Minuten auf die Uhr, trinke zu viel Kaffee und bin völlig durch den Wind. Es ist Samstag. Dr. Dardys wird in 20 Minuten hier aufschlagen und mich zum Stadion mitnehmen. Mir ist speiübel und schon seit letzter Nacht hoffe ich inständig, dass Zlatan heute auf der Tribüne sitzen wird, weil er nicht spielen wird. Ich will ihm nicht begegnen. Auf keinen Fall. Was soll ich denn sagen? Ich schreie ihn an, er solle mir nie wieder unter die Augen treten und dann tauche ICH bei seinem Spiel auf?! Sehr konsequent. Er wertet das doch eh wieder als Entschuldigung. Es ist keine. Aber selbst das will ich ihm nicht sagen müssen. Als es so weit ist, ziehe ich mich schnell um und warte dann vorm Klinikum auf meinen Chef. Er ist natürlich überpünktlich und fährt mit seinem schicken Wagen vor. Ja, er verdient wohl ziemlich gut mit dem, was er tut. Kein Wunder, wenn man an die großen Namen einiger seiner Klienten denkt. Er erzählt während der Fahrt eindeutig viel zu viel. Unruhig nestle ich am Bund meines Pullovers herum und starre aus dem Fenster. Dieses eklige Gefühl in der Magengegend will einfach nicht verschwinden. Es ist furchtbar.

IBRAKADABRA - Liebe, Stolz & Fußball [Zlatan Ibrahimovic]Where stories live. Discover now