Hinter dunklen Mauern

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Langsam trat ich ein paar Schritte zurück und blickte mich unsicher in der Schlossküche um. Noch wusste ich nicht genau, wen Amalia mit „Sie" gemeint hatte, doch dann erinnerte ich mich an den ersten Anschlag im Inneren des Schlosses, den ich bereits selbst miterlebt hatte. Mit Glück konnte ich sagen, dass Jurian aus dem Nichts aufgetaucht war und mir somit das Leben gerettet hatte. Eine Gänsehaut überfiel mich, als ich daran dachte, dass Kiyan noch immer regelrecht betäubt in der Bibliothek saß und von der drohenden Gefahr nichts ahnte.

Ich griff nach einem der unzähligen Messer, die in der geräumigen Küche verstaut waren und bewegte mich zögernd in Richtung der Tür, durch die ich den Raum betreten hatte. Mit äußerster Vorsicht bahnte ich mir den Weg zurück zur Eingangshalle. Als ich diese betreten wollte, wurde ich plötzlich zurück in den Gang gezogen, aus dem ich gekommen war. Mein Aufschrei wurde mit einer Hand erstickt, die mir über den Mund gelegt wurde. Trotz des Schrecks schaffte ich es, mich aus dem Griff des Mannes zu befreien und mich ihm zuzuwenden.

Der Fremde war vollkommen in Schwarz gekleidet und betrachtete mich mit einem regelrecht verrückten Grinsen auf den Lippen. „Du musst Camilla sein, die Geliebte des Königs." Irritiert runzelte ich die Stirn. Woher wusste er, wer ich war? „Hoffentlich hast du dich bereits von ihm verabschiedet." Daraufhin zog der Mann ein Messer hinter seinem Rücken hervor, an dem noch das Blut seines vorigen Opfers kleben musste. Erschrocken wich ich ein paar Schritte zurück, woraufhin er zu lachen begann. Der Mann trat wieder näher an mich heran, weshalb ich das Messer in meinen Händen drohend in seine Richtung hielt. Diese Handlung erinnerte mich an Kiyans Worte im Speisesaal. Er hatte recht gehabt.

Für solche Dinge fehlte mir eindeutig die Übung und vor allem das Wissen, wie man sich bestmöglich verteidigen konnte. „Ein interessanter Versuch, meine Liebe." Ich blickte mich flüchtig um, in der Hoffnung, einen möglichen Fluchtplan zu finden. Fand jedoch keinen. Vermutlich traf ich bereits an der nächsten Ecke auf einen weiteren Rebellen, der mir keine Chance geben würde, zu entkommen. Ein plötzlicher Schritt des Mannes in meine Richtung, gab mir nicht genug Zeit, um der Klinge seines Messers zu entkommen.

Ein brennender Schmerz zog sich durch meinen Arm, als das Messer den Ärmel des Kleides zerriss und auf meine darunterliegende Haut traf. „Das tut mir wirklich leid, eure Majestät." Spottete der Mann und betrachtete das Messer in seinen Händen einen Augenblick lang. „Ich bin ein wahrlich großer Fan solcher Spielchen, allerdings habe ich noch andere Pläne." Als er ein weiteres Mal auf mich losging, schaffte ich es, der Klinge auszuweichen und setzte selbst zu einem Hieb an. Er gab ein schmerzverzerrtes Zischen von sich, als ich einen Schnitt in seiner Lendengegend verursachte.

„Das war nicht sehr nett." Warum er überhaupt mit mir sprach, war mir gleichgültig. Womöglich waren all diese Rebellen in irgendeiner Form verrückt. Mein Puls lag bereits im Unermesslichen, als ich die Wunde an meinem Oberarm betrachtete. Blut lief in dünnen Rinnsalen von dort hinab und färbte das blau meines Kleides in ein dunkles Rot. Zu meinem Glück widmete ich meine Aufmerksamkeit früh genug wieder dem Mann zu und konnte somit frühzeitig erkennen, wie er zu einem erneuten Angriff ansetzte.

Schnell war ich nicht, konnte jedoch gerade so vor dem Messer zurück weichen, als dieses nur wenige Zentimeter von meinem Hals entfernt vorbeizog. Dadurch war der Mann so nah, dass ich einen Schritt in seine Richtung treten und dass Messer in meinen Händen in seinen Brustkorb bohren konnte. Den Blickkontakt, den der Mann dabei mit mir hielt, würde ich womöglich niemals wieder vergessen können. Atemlos stand ich dort, inmitten des Ganges und beobachtete, wie der lebensfrohe Schimmer in den Augen des Mannes erlosch. Sein Gewicht passte sich schon kurz darauf der Schwerkraft an und er rutschte langsam von der Klinge des Messers, ehe der Mann leblos zu Boden fiel.

Zitternd vor Angst betrachtete ich meine Hände und das Blut, welches diese nun bedeckte. Ich zögerte nicht länger und lief augenblicklich weiter, hinein in die Eingangshalle. Mit der bloßen Hoffnung, dass Kiyan noch nichts geschehen war. Das, was sich soeben im Gang zugetragen hatte, schob ich weit zurück in mein Unterbewusstsein. Ich hatte einen Menschen umgebracht. Mein Fokus lenkte sich wieder auf Kiyan, während ich mich immer weiter der Bibliothek näherte. Die Tür des Raumes stand offen, weshalb ich meine Schritte sofort verlangsamte, sobald ich näherkam.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt