Die Stille der Nacht

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Die Nacht umhüllte uns noch immer und ein kühler Luftzug strich über unsere Körper hinweg, als wir den Wald durchschritten, der sich einige hundert Meter von der Stadt entfernt befand. Nicht weit genug, um uns in Sicherheit wiegen zu können. Doch weiter durften die Prinzen nicht gehen. Auch sie mussten schon bald wieder im Schloss erscheinen, wo sie ebenfalls mit Konsequenzen zu rechnen hatten. Konsequenzen, die sie nur aus dem Grund zu erwarten hatten, da sie soeben versucht hatten, uns zu helfen. Den weiteren Weg würden Jurian und ich demnach alleine gehen müssen.

Die Pferde stoppten und ich blickte mich einen Moment unsicher, in dem von Dunkelheit gehüllten Wald um. Es war stockfinster. „Weiter dürfen wir nicht gehen, Camilla.." kam es mit einem bedauernden Murmeln von Phileas, dessen Worte ich bereits erahnt hatte. Mit einem Nicken machte ich mich daran, aus dem Sattel zu steigen, was mir deutlich schwerer fiel, als erwartet. Die Zeit auf dem Rücken des Pferdes, hatte mich ein wenig entspannen lassen. Meine gezerrten Muskeln nun wieder anzustrengen, schmerzte beinahe bis ins Innere meiner Knochen.

Sobald meine Füße den von Blättern und Moos bedeckten Waldboden berührten, war ich froh, dass Phileas nach meinem Arm griff und somit verhinderte, dass ich mein Gleichgewicht verlor. Von einer Stelle hinter mir, konnte ich ein schmerzverzerrtes Aufstöhnen vernehmen und ich musste mich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, von wem dies kam. Es war mir kaum vorstellbar, dass ich die Prinzen ab dem heutigen Tage nie wieder sehen würde. Wir waren nun auf uns allein gestellt. Mein Verstand wollte dies jedoch noch nicht gänzlich akzeptieren.

„Schlagt euch Richtung Süden durch. Dort solltet ihr schon bald einen Fluss erreichen." Konnte ich Kiyan an Jurian gewandt sagen hören, ehe er weitere Worte mit einem mir unverständlichen Murmeln hinzufügte. Der Schmerz jagte förmlich in Wellen durch meinen Körper und ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich noch die Möglichkeit hatte, geradeaus gehen zu können. Wenn der König sich nicht von Phileas hätte beeinflussen lassen, würden wir schon eine ganze Weile nicht mehr durch diesen Wald, geschweige denn allgemein auf dieser Erde wandeln.

Bevor Phileas sich wieder von mir abwenden konnte, legte ich instinktiv meine Arme um seinen Oberkörper und zog ihn in eine Umarmung. Phileas wirkte ein wenig überrascht, doch er erwiderte diese Umarmung schneller, als ich es von seinem Bruder bisher kannte. Ich konnte sein Herz in seiner Brust schlagen hören. Es war deutlich herauszuhören, dass er nervös war. Sein Herzschlag ging schnell und ein wenig unregelmäßig. Wenn ich mich nicht täuschte, musste er einen Hauch von Angst verspüren. Jedoch nicht seinetwegen.

„Danke, Phileas." Ich hob meinen Kopf, um ihn direkt ansehen zu können. „Du hast uns das Leben gerettet." Damit hatte ich nicht einmal Unrecht. Wäre Phileas nicht dazwischengegangen, hätte der König keineswegs Gnade über uns walten lassen. Ein leichtes Lächeln trat auf seine Lippen, obwohl in seinen Augen noch immer die Sorge zu erkennen war. „Ich musste verhindern, dass Vater euch für etwas bestraft, dessen ihr euch nicht schuldig gemacht habt." „Phileas, wir müssen gehen." Unterbrach ihn Kiyan und ich löste mich widerwillig aus unserer Umarmung.

„Pass auf deinen Bruder auf." Richtete ich noch leise an Phileas, ehe ich mich von ihm abwandte um zu Jurian zu gehen. Jeder Schritt zog sich wie ein Stechen durch meinen Körper, doch ich versuchte diesen Schmerz zu ignorieren. Jurian's Blick wirkte noch immer matt, nun allerdings wieder etwas lebhafter als zuvor. Auch er musste Schmerzen haben. Deutlich stärker, als ich in diesem Augenblick erahnen konnte. Kiyan hielt sich bedacht ein paar Meter von uns entfernt. Nachdem er Jurian beim Absteigen geholfen hatte, zog er sich von uns zurück.

Im Gegensatz zu Phileas, hatte sich Kiyans Gesichtsausdruck kaum verändert. Hinter einer regelrechten Maske aus Stein, musste auch er verletzt sein, nach dem, was geschehen war. Ich wusste, dass er sich nur aufgrund seines Bruder nicht anmerken lassen wollte, wie sehr ihn dies mitnahm. Aus diesem Grund störte es mich auch nicht sonderlich, dass er diesen Abstand zu uns wahrte. Ich verstand die Gründe für sein Verhalten. „Lass die Hölle auf ihn hinabregnen. Er hat es verdient." Gab ich leise von mir, darum bemüht, meine Stimme weiterhin gefasst wirken zu lassen.

Die ZofeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt