Ein Zuhause

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Ich musste zugeben, seine Worte entsprachen der Wahrheit. Kiyans Anwesenheit und besonders seine momentane Nähe zu mir, versetzten mein Herz in prickelnde Aufruhe. Mir wurde bewusst, dass die Unruhe, weshalb ich das Schloss überhaupt so schnell hatte verlassen wollen, vollkommen verschwunden war. Seit Kiyan neben mir im Garten aufgetaucht war, hatte sich Ruhe über meinen Körper gelegt und ich atmete mittlerweile wieder gänzlich normal. „Ich wollte dich nicht von deiner Arbeit abhalten. Du hast sicherlich noch einiges zu erledigen." Ich würde ihm nicht erklären müssen, was in mir vorging. Er wusste es ohnehin bereits.

„Ist es dir etwa unangenehm, alleine mit mir hier draußen zu sein?" Sein Grinsen wurde ein wenig breiter und er trat einen kleinen Schritt näher an mich heran. Seine Anwesenheit war mir nicht unangenehm, im Gegenteil. Doch ich wollte keine erneute Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und seinem Bruder auslösen, sollte er uns zufällig hier im Garten entdecken. Von Jurian einmal ganz zu schweigen. Er würde sicherlich in den nächsten Tagen ein Gespräch mit mir ersuchen, um diesen Vorfall zu klären.

Aus diesem Grund wollte ich es Kiyan gleichtun und einen Schritt vor ihm zurückweichen. Er war jedoch schneller und legte seine Arme in genau diesem Augenblick um meine Taille, um mich daran zu hindern. „Du willst nicht gehen, Camilla. Das sehe ich in deinen Augen." Da auch dies der Wahrheit entsprach, gab ich ein Seufzen von mir und legte meine Hände nach kurzem Zögern auf seiner Brust ab. Der Stoff seines Hemdes unter meinen Fingerspitzen, fühlte sich seltsam vertraut an. Warum war mir nicht bereits zuvor aufgefallen, dass er nur meinen Mantel mitgebracht hatte und seinen selbst nicht trug? Auch ihm würde sicherlich kalt werden, wenn wir noch länger hier draußen bleiben würden.

„Die Blumen verwelken bereits." Sagte ich schließlich, da mir dies aufgefallen war, als Jurian mich am Weitergehen zu hindern versucht hatte. Dabei war lediglich mein Versuch gescheitert, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Das tut mir wirklich leid. Ich dachte, sie würden länger halten." Der Blick in seinen Augen verriet mir, dass er dies wahrhaftig bedauerte. Schon bald würde es im Schloss genauso aussehen, wie in den Monaten zuvor. „Ich könnte Nora bitten, regelmäßig ein paar Blumen im Schloss zu verteilten. Vielleicht kannst du dich somit wie Zuhause fühlen."

Ein Schmunzeln legte sich über meine Lippen. Angeregt von seiner großen Hingabe dafür, dieses Schloss in mein Zuhause zu verwandeln. „Kiyan." Er blickte aufmerksam zu mir hinab. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Das Schloss wird auch ohne diese Blumen mein Zuhause sein. Sie sind nicht das einzige, was mich an diesem Ort festhalten könnte." Bei meinen Worten schlich sich der Hauch eines Lächelns auf Kiyans Lippen. „Solltest du Nora dennoch mit dieser Aufgabe betrauen wollen, wären Chrysanthemen eine gute Wahl."

Er hob daraufhin eine Augenbraue, sagte jedoch nichts weiter dazu. Er schien wohl zu ahnen, dass ich den Wunsch verspürte, auch Jurian mit diesen Blumen ein wenig helfen zu können. „Ihr Wunsch sei mir Befehl, wehrte Dame." Das darauffolgende Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. „Seien Sie bloß nicht zu förmlich, eure Majestät. In diesem Spiel bin ich durchaus geübt." Er ließ sich von diesen Lachen anstecken, während sein Blick noch immer wie gefesselt auf mir lag. Selbst die Kälte verspürte ich nicht mehr, seit Kiyan mich in seine Arme geschlossen hatte.

„Wirst du weiterhin in Mutters ehemaligen Schlafgemach wohnen?" fragte er mich schließlich, was ich mit einem Nicken beantwortete. Die Erleichterung darüber, war ihm regelrecht an den Augen abzulesen. „Allerdings nur so lange, bis dich meine Anwesenheit zu sehr von deiner Arbeit ablenkt. Dann werde ich mein Bett wohl in den Stall verlegen müssen." „Glücklicherweise wird das nicht möglich sein, Camilla." Das Schmunzeln auf meinen Lippen wandelte sich zu einem leichten Grinsen, als ich meine Hände von seiner Brust löste und mit diesen langsam nach oben fuhr, bis ich meine Arme um seinen Hals schlingen konnte.

Die ZofeWhere stories live. Discover now