Unruhige Nächte

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P.o.V. Kiyan

Seit Camilla eingeschlafen war, lag eine angenehme Stille über dem Raum. Ich hatte es mir derweil auf dem Sessel gemütlich gemacht und haderte nun damit, meine Augen zu schließen. Dass ich Camillas Schlafgemach aufgesucht hatte, war nicht ohne Grund geschehen. Nach dem Mord an meinem Vater, hatte ich keine Nacht mehr durchschlafen können. Anfangs hatte ich noch versucht, dies vor Camilla zu verbergen. Doch auch ihr waren mit der Zeit die dunklen Ringe unter meinen Augen aufgefallen.

Nächtelang hatte ich wach gelegen. Fand keinen Schlaf in dem Bett, in dem ich das Leben meines Vaters beendet hatte. Natürlich hätte ich auch zurück in mein ehemaliges Schlafgemach wechseln können. Dennoch hatten mich meine Beine an diesem Abend zu Camilla getragen, ganz ohne mein Zutun. Nun saß ich hier, in diesem Sessel, nur wenige Meter von ihr entfernt und beobachtete, wie sich ihr Brustkorb leicht unter der Decke hob und senkte. Bei unserem letzten Zusammentreffen hatten wir eine eindeutige Grenze überschritten. Sie schien zu wissen, was ich ihr gegenüber empfand.

Aus diesem Grund war es mir auch nicht unangenehm, sie in diesem Moment zu beobachten. Wenn es nach mir ging, würde ich zukünftig der einzige sein, der hierzu die Möglichkeit erhalten würde. Mir gegenüber hatte Camilla ihre Gefühle jedoch unter Verschluss gehalten. Einerseits verstand ich ihre Beweggründe. Andererseits machte ihr Verhalten deutlich, dass sie ähnlich empfinden musste. Dies gab mir Hoffnung. Hoffnung darauf, dass alles schon bald ein glückliches Ende nehmen würde.

Eine Bewegung aus Camillas Richtung, ließ die Flut an Gedanken in meinem Kopf versiegen. Mir war nicht aufgefallen, wie sich der ruhige Ausdruck auf ihrem Gesicht mit der Zeit in auffallende Unruhe verändert hatte. Irgendetwas schien sie zu stören. Obwohl ich mich an die Dunkelheit um uns herum gewöhnt hatte, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht genau erkennen. Es war nicht gelogen, dass es mir Schmerzen bereitete, Camilla leiden zu sehen. Selbst jetzt würde ich kein Auge zumachen können, mit dem Wissen, dass sie nicht einmal im Schlaf genügend Ruhe fand.

Von Minute zu Minute wurde ihr Schlaf unruhiger. Sie schien leise etwas zu murmeln, dessen Worte ich jedoch nicht verstehen konnte. Unschlüssig, ob ich sie wecken sollte oder nicht, erhob ich mich zögernd von dem Sessel und näherte mich ihrem Bett. Es käme mir unhöflich vor, sie schlagartig aus dem Schlaf zu reißen, zumal sie diesen mehr als verdient hatte. Da sie einen Alptraum zu haben schien, war es nicht leicht zu entscheiden, was die bessere Alternative wäre. Mit etwas Glück würde dieser Traum schon bald versiegen und Camilla würde in Ruhe weiterschlafen können.

Vorsichtig ließ ich mich auf der Bettkante nieder und versuchte zu entschlüsseln, wovon sie wohl träumen musste. Von meinem Vater und seinen grauenvollen Taten? Von Momenten, vor ihrer Zeit im Schloss? Von ihren größten Ängsten? Ich schüttelte leicht den Kopf. Lediglich der Gedanke, dass ich sie damit allein ließ, schmerzte höllisch. Sie hatte mir in solchen Momenten schließlich ebenfalls zur Seite gestanden. Ob sie die Hintergründe dazu nun verstand oder nicht.

Ich hob zögernd eine Hand, um diese auf ihrem Arm platzieren zu können. Sobald dies jedoch geschah und ich ihre Haut unter meinen Fingerspitzen spüren konnte, riss sie schlagartig die Augen auf und setzte sich mit solch einer Plötzlichkeit auf, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. „Camilla." Ihr gesamter Körper schien zu zittern und ihr Atem ging flach und stoßweise. Während ihr Blick starr an die Wand auf der anderen Seite des Raumes gerichtet war, wanderte eine ihrer Hände beinahe automatisch hinauf zu ihrem Hals.

Wovon auch immer sie geträumt haben mochte, es musste ihr eine ungeheure Angst eingejagt haben. „Camilla." Gab ich erneut von mir, da sie beim ersten Mal nicht auf meine Stimme reagiert hatte und griff nach ihrer freien Hand. Ihr innerliches Zittern konnte ich somit umso deutlicher spüren. Ihr Blick flog augenblicklich in meine Richtung, sobald ich ihre Hand berührte und es dauerte lediglich einen Wimpernschlag, ehe sie in Tränen ausbrach. Warum, wusste ich nicht und es spielte auch vorerst keine Rolle. Bedeutend war nur, dass es mir einen schmerzhaften Stich versetzte, sie in diesem Zustand zu sehen.

Ohne zu zögern rutschte ich ein Stück näher an sie heran, legte meine Arme um sie und zog sie in eine Umarmung. Schluchzen erschütterte sie. Jede Faser ihres Körpers schien förmlich unter Strom zu stehen, der nur langsam zu versiegen schien. In meinen Armen ließ die Anspannung ihres Körpers schließlich nach und sie schien vollends zu verstehen, dass all dies nur ein schrecklicher Traum gewesen war. „Es ist alles in Ordnung." Murmelte ich leise, um ihr ein wenig Sicherheit zurückzugeben.

Minutenlang saßen wir auf diese Weise dort. Auf ihrem Bett, in einer innigen Umarmung, während ich sie schweigend wieder zu Atem kommen ließ. Atemzug um Atemzug schien sie wieder ruhiger zu werden, bis schließlich auch die Tränen versiegten und das Zittern ihres Körpers verstummte. Es waren Minuten die mir erneut verdeutlichten, welch eine Wirkung meine Anwesenheit auf Camilla hatte. In sanften Zügen strich ich ihr über den Rücken, in der Hoffnung, sie dadurch wieder grundlegend beruhigen zu können.

Erst als ich mir sicher war, dass sie den ersten Schreck überwunden hatte, löste ich meine Arme wieder von ihr und griff stattdessen nach ihren Händen. Sie ließ dies kommentarlos zu, suchte jedoch den Blickkontakt mit mir. Ihre Augen waren glasig, aufgrund der vielen zuvor geweinten Tränen. „Könntest du bitte.." Ihre Stimme klang ein wenig kratzig, weshalb sie zu einem erneuten Versuch ansetzte.

„Könntest du bitte die Vorhänge öffnen? Oder ein Licht.. irgendein Licht. Es ist zu dunkel." Es wunderte mich ein wenig, da sie zuvor kein großartiges Problem mit dieser Dunkelheit gehabt hatte, doch ich tat, wie gewünscht. Ich erhob mich von ihrem Bett, wobei ihr anzusehen war, dass es ihr lieber wäre, wenn ich bei ihr bleiben würde. Die Vorhänge ließ ich geschlossen, damit das Licht der aufgehenden Sonne, sie am Morgen nicht wieder unsanft aus dem Schlaf reißen würde. Sie würde schlafen wollen und ich musste ihr ermöglichen, dies ungestört zu tun. Besonders nach dieser Nacht.

Stattdessen griff ich nach einer Kerze, welche in der Nähe stand und stellte diese auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ab, ehe ich sie anzündete. Sofort fiel ein sanftes Licht über den Raum, welches auch mir ein angenehmeres Gefühl bereitete. Anschließend ließ ich mich wieder neben Camilla nieder, welche mich aufmerksam beobachtet haben musste. „Es war nicht meine Absicht, dich zu wecken. Bitte entschuldige." Ein sanftes Lächeln trat auf meine Lippen, da sie natürlich nicht wissen konnte, dass ich in dieser Nacht noch keine einzige Sekunde an Schlaf hatte finden können.

„Darüber solltest du dir keine Gedanken machen." Glücklicherweise hatte Camilla mich daran erinnert, dass auch ich daran denken musste, genügend Schlaf zu bekommen. Jedes einzelne Mal, wenn ich versuchte einzuschlafen, drängten sich diese aufwühlenden Gedanken zurück in meinen Kopf. Auch über Camilla, welche jedoch anderen Gründen unterlagen. An sie dachte ich nur allzu gerne. „Was.. was soll das werden?" fragte sie mich, als ich mich wieder von dem Bett erhob, nur um kurz darauf die Bettdecke ein wenig zur Seite zu schlagen und mich neben Camilla unter dieser niederzulassen. Ihr irritierter Gesichtsausdruck sprach Bände.

„Du solltest versuchen, weiterzuschlafen und auch ich werde noch einiges an Schlaf nachholen müssen." Erklärte ich ihr, mit einem amüsierten Lächeln aufgrund ihrer plötzlichen Verwunderung. Zugegebenermaßen, war ich selbst von mir überrascht. Im Sessel zu schlafen, war auf Dauer alles andere als gemütlich und in das Bett meines Vaters, würden mich keine zehn Pferde mehr bringen können. Daher war als nächste Möglichkeit Camillas Bett in meinen Gedanken aufgetaucht.

„Kiyan, du kannst doch nicht.." fing sie an, doch ich ließ sie nicht weiter zu Wort kommen, da ich meine Arme wieder um sie legte und sie zu mir heranzog. „Ich bestehe darauf." Ich stellte fest, dass sich meine besitzergreifende Ader womöglich erneut ein wenig durchzusetzen versuchte. In solchen Momenten war ich dieser Ader meines Selbst wirklich dankbar. Denn obwohl es Camilla verwunderte, dass ich auf solch eine Idee gekommen war, ließ sie meine Handlung zu und schmiegte sich sogar noch ein wenig enger an mich.

Noch wusste ich nicht, dass dieser Albtraum Camillas zukünftiges Leben beeinflussen würde. In diesem Moment, schienen die Geschehnisse darin erstmal vergessen zu sein. Dies versicherte mir die ruhige Atmung der jungen Frau in meinen Armen. „Könntest du die Kerze über Nacht brennen lassen?" fragte sie leise, als ich daran dachte, dessen Flamme wieder zu löschen. Mit einem Nicken, kam ich ihrem Wunsch nach und verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Zukünftig würde sich dies zu einer Tradition entwickeln, wovon ich in diesem Augenblick allerdings noch nichts ahnte. Denn vor Camilla und mir lag noch ein langer, ungemütlicher Weg, der uns beide an unsere Grenzen bringen würde.

„Alles, was du dir wünschst, meine Königin."

Die ZofeOù les histoires vivent. Découvrez maintenant