Mary Boleyn II.

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P.o.V. Mary

„Bitte treten Sie ein, Calliope." Sprach ich mit gehobener Stimme und wartete schließlich darauf, dass die Tür des Schlafgemachs geöffnet wurde. Das leichte Lächeln um ihre Mundwinkel, hellte meine Stimmung automatisch auf. „Sie wurden in den Kerker gebracht, eure Hoheit." Sprach sie aus, während sie näher kam und ich mich daraufhin wieder den zwei anderen Zofen zuwandte, welche damit beschäftigt waren, meine eigenen mitgebrachten Habseligkeiten, in die Schränke der ehemaligen Königin einzuräumen.

„Die Prinzen?" fragte ich nach, wobei ich ihr keines Blickes mehr würdigte. „Sie scheinen bisher noch nichts zu ahnen." Diese Worte klangen wie Musik in meinen Ohren. Calliope war eine äußerst aufmerksame Person und hatte sofort wahrgenommen, dass diese eine junge Frau den Prinzen näher stand, als all die anderen. Mithilfe ihrer äußerst guten Ohren, hatte es nicht lange gedauert um herauszufinden, dass Camilla, so hieß die junge Frau laut Calliopes Beschreibung, noch in Verbindung mit einer anderen Person in diesem Schloss stand. Ein junger Mann namens Jurian. Es kam mir durchaus gelegen, diese junge Frau aus dem Spiel zu räumen und zeitgleich das Vertrauen des Königs zu gewinnen.

Nun würde es ein Leichtes sein, auch die Prinzen von mir zu überzeugen. Spätestens dann, wenn sie ihre scheinbar so liebenswerte Freundin für immer verlieren sollten, würden sie jemanden brauchen, der ihnen zur Seite stand. Ein ausgeklügelter Schachzug, wie ich im Nachhinein feststellte. Schließlich bestand der wichtigste Punkt darin, dass der König mich in meinen Taten unterstützte. „Ich danke Ihnen." Die drei Zofen deuteten eine leichte Verbeugung an, nachdem sie ihre Arbeit beendet hatten und verließen schließlich ohne ein weiteres Kommentar, mein zukünftiges Schlafgemach.

Ich betrachtete mich einmal kurz im Spiegel, strich mein weitfallendes Kleid glatt und setzte mich schließlich wieder in Bewegung. Die Prinzen würden noch früh genug erfahren, dass sich ihre Freundin und ihr vermeintlicher Liebhaber, nun in einer mehr als ungemütlichen Situation befanden. Ich verließ das ehemalige Schlafgemach der Königin und lief die wenigen Schritte den Gang entlang, bis ich an der Zimmertür des Königs ankam. Für viele mochte es unverständlich sein, doch für mich war es von großer Bedeutung, dass er mich an diesem Ort akzeptierte. Vorteilhaft daran war natürlich, dass sich unsere Denkweisen nicht sehr stark voneinander unterschieden.

„Bitte entschuldigen Sie, eure Majestät. Ich habe ein Anliegen, welches ich gerne mit Ihnen besprechen möchte." Erklärte ich dem König, sobald dieser nach meinem Klopfen die Tür geöffnet hatte und nun aufmerksam zu mir herabblickte. „Bitte komm herein, Mary.. und nenn mich Erich, die Förmlichkeiten können wir uns sparen." „Vielen Dank" Erich trat zur Seite, wodurch ich sein Schlafgemach betreten konnte und ich stellte schnell fest, dass es sich deutlich von dem der Königin unterschied. Neben den vielen Habseligkeiten, welche die Königin in ihrem Zimmer gelagert hatte, befand sich in dem des Königs, so gut wie kein einziger Gegenstand, der eine persönliche Bedeutung für ihn haben konnte. Ich nahm an, dass er all dies ebenfalls auf den brennenden Haufen geworfen hatte, wenn es denn überhaupt jemals vorhanden gewesen war.

„Ich würde gerne über Kiyan sprechen. Er scheint sich im Augenblick ein wenig zurückzuziehen." Sprach ich an und ließ mich auf einem der Sessel nieder, die sich in diesem Raum befanden. „Das ist für ihn nicht unüblich. Es fällt ihm schwer, mit diesen Veränderungen umzugehen. Ich werde mich nachher an ihn wenden und ihn an seine Pflichten als Thronfolger erinnern." Das vorgetäuschte Lächeln auf meinen Lippen, wurde ein wenig breiter. „Womöglich braucht er eine kleine Pause, schließlich hat er während deiner Abwesenheit alle laufenden Geschäfte übernommen. Das muss sehr anstrengend gewesen sein." Erich ließ sich auf dem Sessel direkt neben mir nieder und blickte mir aufmerksam entgegen. „Du scheinst also eine andere Idee zu haben."

„Natürlich wollte ich dies vorab mit dir besprechen." Erklärte ich ihm und faltete meine Hände gehorsam auf meinem Schoß, ehe ich weitersprach. „Wenn keine Einwände dagegensprechen, würde ich gerne mit Kiyan hinausgehen. Ein wenig frische Luft würde ihm sicherlich gut tun." „Zudem könntet ihr einander kennenlernen." Ergänzte der König und ich nickte bestätigend. Bisher lief alles nach Plan. Erich schien genau zu wissen, worauf ich hinauswollte. „Von meiner Seite gibt es keine Einwände, ich gehe allerdings davon aus, dass mein Sohn sich weigern wird." Diese Wahrscheinlichkeit war sogar ausgesprochen hoch, wie ich vemutete.

„Bitte erwähne nebenbei, dass es eine Anordnung meinerseits ist. Er wird sich mir nicht widersetzen wollen, er kennt die Regeln." Mit einem erneuten Nicken gab ich zu verstehen, dass ich seine Worte verstanden hatte. „Konntest du dich bereits ein wenig einleben?" fragte er mich und deutete dann auf eine Teekanne, auf dem Tisch vor uns, ich lehnte jedoch dankend ab. „Es fällt mir noch ein wenig schwer, die Orientierung zu behalten. Zudem habe ich am gestrigen Morgen einen kleinen Tumult innerhalb des Schlosses mitbekommen. Was hatte es damit auf sich?" fragte ich gezielt nach und zu meiner Erleichterung störte es den König nicht einmal ansatzweise, dass ich danach fragte.

„Zwei unserer Bediensteten habe sich gemeinsam gegen unser Königshaus gestellt und den Versuch gewagt, unsere Reihen unbemerkt von innen aufzulösen." Vorgegeben ergriffen von dieser Nachricht, reagierte ich deutlich empört. „Ein unerhörtes Verhalten. Ihr bietet ihnen Schutz sowie eine Unterkunft und sie versuchen all dies in Grund und Boden zu reißen? Ich hoffe doch, sie erhalten eine angemessene Bestrafung." Erich nickte, wobei sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen stahl. „Ich habe mir bereits etwas überlegt, doch bitte erwähne dies nicht im Beisein meiner Söhne."

„Besonders Phileas reagiert ein wenig sensibel, was unsere Bediensteten betrifft und dieses junge Paar hat sich bereits zu nahe in den inneren Kreis unserer Familie hineingewagt. Es würde ihm sicherlich schwerfallen, mein Urteil ohne Weiteres hinzunehmen" „Natürlich, ich werde den Prinzen gegenüber kein Wort davon berichten." Gab ich mit einem Lächeln bekannt und erhob mich schließlich wieder von meinem Platz auf dem Sessel. „Vielen Dank, dass du dir meinen Vorschlag zu Herzen genommen hast. Ich werde mich nun zu Kiyan begeben und ihm meine Idee mitteilen."

Erich warf mir ein verständnisvolles Nicken zu, ehe ich mich auch schon in Bewegung setzte, um diesen Raum wieder zu verlassen. Wir beide verfolgten ein Ziel und zugegebenermaßen war ich sehr gut darin, den König um den Finger zu wickeln. Er reagierte genau so, wie ich es beabsichtigt hatte. Es konnte daher nicht mehr lange dauern, bis auch Kiyan und Phileas, wie Marionetten in meinen Händen waren. Spätestens dann, wenn diese junge Frau das Zeitliche gesegnet hatte und den Prinzen nicht mehr den Kopf verdrehen konnte.

Anders als abgesprochen lief ich nicht direkt zu Kiyan hinüber sondern wanderte stattdessen die breite Treppe in der Eingangshalle hinab. Ich würde Kiyan meinen Vorschlag in nächster Zeit sicherlich mitteilen. Doch im Augenblick erlangte etwas anderes meine Aufmerksamkeit. „Phileas, ich habe bereits nach dir gesucht." Sprach ich freudig aus, als ich den anderen Bruder entdeckte, welcher sich an Nora gewandt hatte und dieser äußerst gehorsamen Zofe, etwas zu erklären versuchte. Der genaue Inhalt ihres Gespräches, war für mich nicht von Bedeutung.

Phileas winkte Nora ab und wandte sich schließlich mir zu. Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass er nicht gerade begeistert war, mich zu sehen. „Bitte entschuldige, ich habe im Augenblick keine Zeit, um mich mit dir zu unterhalten." Er wollte sich im selben Moment bereits wieder von mir abwenden, als ich kurzerhand nach seinem Arm griff und ihn somit am Weitergehen hinderte. „Du bist lediglich Gast in unserem Hause." Warf mir Phileas daraufhin entgegen und entriss sich mit einer schnellen Bewegung aus meinem Griff.

„Du wirst doch sicherlich ein paar wenige Minuten für mich aufopfern können. Es gibt etwas, das ich mit dir besprechen muss." Erklärte ich ihm und ein skeptischer Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Ich suche nach jemandem und habe im Augenblick keine Zeit für andere Belange." Entgegnete er und ein gespielt mitleidiger Ausdruck legte sich auf mein Gesicht. „Womöglich kann ich bei der Suche behilflich sein. Dieses Schloss ist riesig, ich werde sicherlich noch Wochen brauchen, um mich hier zurechtzufinden. Den neuen Bediensteten, wird es wohl nicht anders ergehen."

Phileas reagierte nicht sofort darauf, schüttelte dann jedoch entschlossen den Kopf. „Das wird nicht nötig sein. Ich werde mir deine Gedanken ein andermal anhören. Solltest du einen konkreten Wunsch haben, werden dir unsere Zofen sicher weiterhelfen können." Damit wandte er sich von mir ab und ließ mich ohne ein weiteres Wort in der Eingangshalle stehen. Ich konnte mir bereits denken, nach wem Phileas auf der Suche war. Es gab keine große Auswahl an Bediensteten, die er in diesem Augenblick hätte sehen wollen. Camilla. Allerdings befand sie sich nun in den Tiefen des Kerkergewölbes und würde bis zum bitteren Ende, ihre Zeit dort absitzen müssen. 

Die ZofeWhere stories live. Discover now