Wortloser Einband

286 17 3
                                    

Nun legte sich auch auf mein Gesicht ein verwirrter Ausdruck. Lorentina hingegen, begann nun leicht zu lächeln und wirkte ein wenig entspannter als zuvor. Zur Bestätigung antwortete ich ihr lediglich mit einem Nicken. „Für Bedienstete ist es nicht üblich, Zeit mit den Prinzen zu verbringen. Ich habe dich mit seinem Bruder davonreiten sehen, das hat Fragen aufgeworfen." Ich hatte mir bereits gedacht, dass wir womöglich nicht vorsichtig genug gewesen waren. „Wirst du jemandem davon.." begann ich zögernd, konnte meine Frage jedoch nicht vollends beenden, da sie zu Lachen begann und den Kopf schüttelte. „Niemals. Ich kann mir gut vorstellen, wie der König reagieren würde, sollte er davon erfahren. Zudem hat Phileas mich um mein Schweigen gebeten und ich bin äußerst talentiert darin, solche Dinge für mich zu behalten."

Die anfängliche Unsicherheit, verschwand langsam und ich war mehr als erleichtert darüber, dass sie niemandem und besonders nicht dem König von diesem Ausflug berichten würde. „Du bist eine der neuen Zofen." Stellte ich fest, als ich mir ihre Kleidung genauer ansah. Das selbe schwarze Kleid, mit der weißen Schürze, welches aus ich damals getragen hatte. „Phileas erzählte mir, dass du ebenso eine von uns gewesen bist. Er verlor kein Wort darüber, was damals geschehen ist, doch er erwähnte, dass du eine gute Freundin dadurch verloren hättest. Ihr Name sei Layana gewesen, wenn ich mich recht erinnere." Bei der Erwähnung ihres Namens, zog sich etwas schmerzlich in mir zusammen.

„Wir standen uns nahe, das ist wahr." Bestätigte ich, woraufhin sie mir ein aufmunterndes Lächeln zuwarf. „Das tut mir sehr leid. Sie wäre sicherlich stolz darauf, dass du nicht aufgegeben hast." Mir blieb durchaus nichts anderes übrig, als weiter zu machen und mit dem zu leben, was mich an diesem Ort noch erwarten würde. Aufgeben kam mir nur selten in den Sinn und wie ich nun feststellte, meist nur dann, wenn ich an Jurian dachte. Ich war der einzig bedeutsame Grund, warum er hier geblieben war. Würde ich gehen, wäre es eine leichte Entscheidung für ihn, mir zu folgen. Sobald ich an Jurian dachte, verband ich dies automatisch mit einer möglichen Flucht aus dem Schloss.

„Wärst du so freundlich und würdest mir mit diesen Büchern helfen?" fragte mich Lorentina und riss mich somit aus meinen abschweifenden Gedanken. „Diese zwei müssen dort hinten in das Regal." Sie übergab mir die genannten Bücher und ich machte mich mit einem leichten Lächeln auf den Weg, diese zurück an ihren Platz zu stellen. Nach nur wenigen Minuten waren wir mit dieser Arbeit fertig und ich war froh darüber, wieder an etwas anderes denken zu können, als an die Geschehnisse innerhalb dieses Schlosses.

„Was hat es mit diesem Buch dort auf sich?" Ich deutete auf das braune Buch ohne Beschriftung, welches ich zuvor aus dem Regal hatte nehmen wollen, ehe Lorentina mich überrascht hatte. Nicht einmal zu meiner damaligen Zeit als Zofe, hatte ich mir die Bibliothek genauer angesehen. Ihrem irritiertem Blick nach zu urteilen, wusste sie jedoch ebenfalls nicht, was es mit diesem Buch auf sich hatte. „Mir ist es zuvor noch nie aufgefallen, ich bin allerdings auch nicht oft in diesem Raum." Ich trat wieder näher an das Regal heran und zog nun, unter dem aufmerksamen Blick von Lorentina, dieses Buch heraus. Ich drehte und wendete es in meinen Händen, doch der gesamte Einband des Buches war lediglich braun und enthielt kein einziges Wort darüber, was in diesem Buch geschrieben sein könnte.

Instinktiv schlug ich die ersten Seiten des Buches auf, in der Hoffnung, dass darin etwas geschrieben stand, was uns einen Hinweis auf dessen Inhalt geben konnte. Statt der üblichen Seiten, eröffnete sich mir jedoch eine Art Geheimfach. Die Seiten des Buches waren teilweise herausgeschnitten worden und formten somit ein von außen vollkommen unsichtbares Versteck. Die Kette, die darin lag, fiel mir sofort ins Auge.

Am Ende der bronzefarbenen Kette, befand sind ein Anhänger in Herzform. Die Gravierung darauf ähnelte einer Rose, soweit ich dies in dem spärlichen Licht der Bibliothek erkennen konnte. „Dir ist nicht zufällig bekannt, wem diese Kette gehören könnte?" fragte ich Lorentina, die ihren Blick lediglich starr darauf gerichtet hatte und womöglich ihren eigenen Gedanken nachhing. „Ich denke nicht, dass wir dies erfahren sollten. Diese Kette ist womöglich nicht ohne Grund versteckt worden." Ich richtete meinen Blick auf die neue Zofe, die nun, wie ich annahm, Layanas ehemaligen Platz übernahm. Sie wirkte unsicherer als zuvor, als würde ihr das Auffinden dieser Kette Unbehagen bereiten.

„Möchtest du nicht herausfinden, was es damit auf sich hat?" Ich beobachtete mit einem fragenden Ausdruck, wie sie sich mit langsamen Schritten zurückzog. „Ich bin nicht hier, um die Machenschaften des Königs zu verstehen, Camilla. Dass ich Geheimnisse gut für mich behalten kann, bedeutet nicht, dass ich dies für solche Dinge verwenden werde." Es irritierte mich, dass sie so dachte. Dann erinnerte ich mich daran, dass sie eben nicht Layana war, die sich allzu gerne mit solchen Dingen beschäftigt hatte. Zumal Lorentina von dem König höchstpersönlich als Zofe erwählt worden war. Er musste seine Gründe dafür gehabt haben und ihr momentanes Verhalten, schien genau solch ein Grund zu sein.

„Meine Familie benötigt das Geld, aus diesem Grund bin ich hier. Ich kenne die Gerüchte, die sich um das Schloss drehen und es wäre ein Leichtes, mich damit zu beschäftigen. Doch ich kann meine Familie nicht im Stich lassen, das Risiko ist zu hoch." Der entschuldigende Unterton in ihrer Stimme klang ehrlich. „Was in diesem Schloss vor sich geht und was der König mit alldem zu tun hat, hat für mich keine Bedeutung, Camilla. Es tut mir leid." Mit einem langsam Kopfschütteln trat sie noch ein paar weitere Schritte zurück, ehe sie sich schließlich umdrehte und den Raum mit eiligen Schritten verließ, ohne noch ein weiteres Wort an mich zu richten.

Sie schien regelrecht aus dem Raum fliehen zu wollen. Als hätten wir etwas entdeckt, was uns alle in Gefahr bringen könnte. Trotz meinem mittlerweile ausführlicherem Wissen über das Schloss und dessen Vergangenheit, konnte ich mir nicht erklären, was es mit dieser Kette auf sich hatte. Nachdem Lorentina die Bibliothek verlassen hatte und die Stille mich erneut umgab, lenkte ich meinen Blick wieder auf das Buch und die Kette, die darin lag. Vorsichtig hob ich dessen Anhänger mit einer Hand hoch, um diesen genauer betrachten zu können. Wie ich bereits erahnt hatte, befand sich auf der Vorderseite die Gravur einer Rose.

Anschließend wendete ich den Anhänger, um mir auch die Rückseite davon ansehen zu können. Sofort traten Momente in meinen Gedanken hervor, die mich an all das erinnerten, was ich bereits über die Königin erfahren hatte. Alle Geschichten, die mir von Phileas und Kiyan zugetragen wurden, wiederholten sich in meinen Gedanken, während ich die Gravur las, die sich auf der Rückseite des Anhängers befand. „In unendlicher Liebe, A." Es gab nur eine Person, die mir dabei in den Sinn kam und dies war die Königin höchstpersönlich. Dass sie die Dinge ihrer Tochter für sich behielt, damit ihr Ehemann diese nicht finden konnte, war durchaus verständlich. Doch warum lag diese Kette versteckt in diesem Buch, während all die anderen Dinge offen zugänglich in ihrem Schlafgemach zu finden waren?

Ich betrachtete die Kette noch eine Weile fragend, ehe ich sie wieder in das Buch zurücklegte und dieses schloss. Nun wusste ich, was es mit diesem Buch auf sich hatte, doch was die Kette betraf, hatten sich nur noch weitere Fragen in meinen Gedanken gesponnen. Sobald ich die Möglichkeit bekam, musste ich Phileas darauf ansprechen. Mit etwas Glück, konnte er mir die Bedeutung davon erklären. Wenn er es nicht wusste, würde Kiyan als letzte Möglichkeit noch ausstehen. Die Königin selbst, würde mir diesen Teil ihrer Geschichte bedauerlicherweise niemals ausführlich erzählen können.

Vorsichtig stellte ich das Buch zurück in das Regal und bemühte mich, es so aussehen zu lassen, als wäre es niemals auch nur ansatzweise berührt worden. Die Wahrscheinlichkeit, dass der König hier auftauchte und danach suchte, war gering. Ein Risiko wollte ich dennoch nicht eingehen. Mein Blick flog zu den großen Fenstern, die noch immer lediglich einen grauen Regenschleier vor sich preisgaben. Gelegentlich wurde der beinahe pechschwarze Himmel von vereinzelten Blitzen erleuchtet und ich rief mir in Erinnerung, dass ein langer und anstrengender Tag hinter mir lag. Mein Körper zeigte mir bereits, dass mir ein paar Stunden Schlaf sicherlich gut tun würden.

Somit verließ ich, nach einem letzten Blick in Richtung des Buches, die Bibliothek, um mich zurück in mein Zimmer zu begeben. Auf dem Weg dorthin begegnete mir niemand. Nicht einmal Jurian, der im Augenblick mehr als deutlich meine Nähe suchte und sich dennoch sonderbar verhielt. Zu gegebener Zeit würde ich mit ihm sprechen und ihm erklären, was innerhalb der Mauern vorgefallen war, wovon er kaum etwas mitbekommen hatte. Es stand ihm zu, wenigstens einen kleinen Teil davon zu erfahren. Er war schließlich mein bester Freund und ein Teil meiner Familie. Ich wollte ihn nicht aus meinem Leben ausschließen, das hatte er nicht verdient.

Doch bis ich ihm all dies erklären konnte, musste ich erst einmal verstehen, was hier wirklich vor sich ging, ehe ich ihn mit diesem Wissen in eine mir bisher noch unbekannte Gefahr brachte. Er würde sich mir gegenüber ebenso verhalten, würden wir uns in der Rolle des jeweils anderen befinden. Ich konnte ihn daher lediglich um ein wenig Geduld bitten. 

Die ZofeWhere stories live. Discover now