Unter der Haut

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Unruhe breitete sich in mir aus. Stärker, als es ohnehin bereits der Fall gewesen war. Auch die Angst, ließ nicht lange auf sich warten. Davor, nie wieder schlafen zu können, wenn mir dieser Tee nicht dabei helfen würde. „Das kannst du nicht tun, Phileas." Hauchte ich leise und konnte förmlich spüren, wie die Kraft aus meinem Körper wich. „Es tut mir leid, Camilla. Solltest du das Gefühl haben, diesen Tee wirklich weiterhin zu benötigen, wirst du mit Kiyan darüber sprechen müssen." Ich runzelte die Stirn, als er seinen Bruder damit hineinzog. Er hatte mit all dem doch rein gar nichts zu tun.

„Er hat Amalia darum gebeten, den Tee ab sofort von dir fernzuhalten und mich damit beauftragt, das Buch mit dem Rezept darin, verschwinden zu lassen." Ungläubig blickte ich ihn an und konnte nicht gänzlich begreifen, dass Kiyan nun derjenige sein musste, der für diesen Zwischenfall verantwortlich war. „Ich kann seinen Wunsch nachvollziehen. Du bist seither nicht mehr du selbst." Ich schüttelte den Kopf und trat langsam auf ihn zu. Meinen Blick noch immer auf das Buch in seinen Händen fixiert.

„Nicht mehr ich selbst?" Ich gab ein raues Lachen von mir. Konnte er denn nicht sehen, dass ich lediglich die Stille in meinem Kopf zurückgewinnen wollte? Phileas nickte bestätigend und ließ die Hand mit dem Buch hinter seinem Rücken verschwinden. Somit wurde meine Konzentration auf dieses zerrissen und ich hob meinen Blick zu Phileas empor, als ich bei ihm ankam. „Ich war davon überzeugt, dass es dir wieder gut zu gehen schien. Du hast wieder glücklicher gewirkt, nicht mehr gänzlich so betrübt wie zuvor. Doch all das war nur die Wirkung des Tees."

Ich verstand nicht, warum er dies ansprach. Dass der Tee mir geholfen hatte, machte doch keinen Unterschied in unserer jetzigen Diskussion. „Wir können dir nicht helfen, wenn du uns nicht zeigst, wie schlecht es dir wirklich geht." „Es geht mir ausgezeichnet." Konterte ich darauf mit einem gereizten Unterton, was Phileas lediglich ein leichtes Schmunzeln entlockte. „Ich wiederhole mich nur ungerne, doch du wirst mit Kiyan darüber sprechen müssen. Was diesen Tee betrifft, teilen wir eine Meinung."

Unzufrieden wandte ich mich von ihm ab und setzte meine Schritte in Richtung der Tür fort. Ich würde nicht mit Kiyan sprechen. Nicht sofort. Dass ich mich vorerst von ihm fernhalten würde, bis ich unseren Kuss verarbeitet hatte, würde ich auch weiterhin in die Tat umsetzen. Somit musste ich wohl oder übel versuchen, ohne diesen Tee zurecht zu kommen. Einen ruhigen Schlaf zu finden, würde schwierig werden, das wusste ich bereits jetzt. Doch wenn der König höchstpersönlich der Meinung war, dass ich diesen Tee nicht brauchen würde, dann musste er damit rechnen, dass ich in Zukunft in keiner guten Stimmung mehr sein würde.

„Du musst endlich damit abschließen, Camilla!" konnte ich Phileas mir noch hinterher rufen hören, ehe ich die Tür der Bibliothek schloss und im Gang vor dieser alleine war. Abschließen. Wie konnte ich mit etwas abschließen, was mich seit Tagen.. nein, sogar Monaten verfolgte? Der ehemalige König würde, trotz seines Todes, nicht aus meinen Gedanken verschwinden. So sehr ich es auch wollte, doch er würde mich nicht in Frieden weiterleben lassen. Er würde mich Tag für Tag in meinen Gedanken verfolgen. Das einzige, was gegen diese unsagbar lauten Gedanken half, war dieser Tee.

Mein Puls raste noch immer. Wie sollte ich mich beruhigen, wenn mir gerade das einzige genommen wurde, was mir dabei helfen konnte? Ich schloss einen Moment die Augen, um mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Langsam ein und wieder aus. Es sollte ein automatischer Mechanismus sein, doch genau dieser fiel mir unglaublich schwer. Umso ruhiger ich versuchte zu atmen, desto weniger Luft schien ich zu bekommen. Noch vor wenigen Stunden war alles in bester Ordnung gewesen und nun fiel alles plötzlich in sich zusammen.

Eine Erinnerung tat sich in meinen Gedanken auf. Ein Augenblick, in dem ich dieses Gefühl des Erstickens bereits einmal erlebt hatte. Vor Monaten, als ich durch Zufall feststellen musste, was es wirklich mit diesem Schloss auf sich hatte und wer darin lebte. In diesem Moment fühlte es sich genauso an wie damals und da ich genau wusste, in welch einer Situation ich mich befand, traten mir Tränen in die Augen. Panik breitete sich in meinen Knochen aus. Wie konnte ich mir sicher sein, dass es sich diesmal nicht noch schlimmer entwickeln würde, als damals?

Die ZofeWhere stories live. Discover now