Nur noch ein Wort

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P.o.V. Mary

Der Tag hatte eine unverhofft genügsame Wendung genommen. In dem einem Augenblick saß ich noch im Speisesaal und trank ein äußerst genüssliches Glas Wein und im nächsten, brach Trubel innerhalb des Schlosses aus. Ein Durcheinander von Bediensteten, welche von dem Spektakel innerhalb der Stadt erfahren haben mussten und nun darüber zu diskutieren schienen, ob diese Gerüchte wahr seien, was genau vorgefallen war und ob ihnen das selbe Schicksal bevorstehen würde. Ich musste zugeben, keine schlechten Gedanken, die sie damit hegten.

Wenn es nach mir ginge, musste hier einmal grundlegend alles auf den Kopf gestellt werden. Bis zur vollkommenen Erneuerung des gesamten Personals. Man konnte sich schließlich niemals sicher sein, ob nicht doch irgendwo ein weiterer Maulwurf durch die Gänge wandert und einen erneuten Anschlag zu planen versucht. Ich erhob mich von meinem Platz an dem Tisch und wanderte gemächlich zur Tür des Raumes, hinter der die vielen chaotisch wirkenden Stimmen zu hören waren.

Nach einer kurzen Geste meinerseits, wurde mir die Tür von einer Wache geöffnet und ich blickte in die verwunderten Gesichter einzelner Bediensteter, welche nun augenblicklich verstummten und mich nervös zu mustern begannen. „Eure Hoheit, bitte entschuldigen Sie. Es war nicht unsere Absicht, Sie bei ihrem Mahl zu stören." Unterbrach Nora, die gehorsamste Zofe, die eingetretene Stille und ich reagierte mit einem akzeptierenden Nicken. „Begeben Sie sich wieder an Ihre Arbeit."

Sie brauchten keine weitere Aufforderung. Abgesehen von Calliope, setzte sich die kleine Gruppe schnell wieder in Bewegung und verschwand schon bald in den angrenzenden Gängen, um weiter ihrer Arbeit nachzugehen. „Es gibt Neuigkeiten?" fragte ich die Hinterbliebene, da ich bereits ahnte, dass sich in den letzten Stunden etwas ergeben haben musste. „Er hat sie nicht hinrichten lassen, eure Hoheit. Der König müsste schon bald wieder zurückkehren. Laut den Erzählungen, sollen die beiden Verräter jedoch nicht mehr in der Nähe der Stadt gesehen worden sein."

Der Hauch eines Grinsens breitete sich auf meinen Lippen aus. Dass sie nicht direkt hingerichtet wurden, war eine kleine Niederlage. Doch da sie seitdem nicht mehr gesehen wurden, nahm ich an, dass sie für vogelfrei erklärt worden sein mussten. Es gab nur diesen Grund, um so schnell und unbemerkt wie möglich, aus der Nähe der Stadt zu verschwinden. Diese Tatsache gab mir ein Genugtuung und erleichterte mich in vielerlei Hinsicht.

Diese beiden Verräter der königlichen Krone, würden mir ab sofort nicht mehr im Weg stehen und meine Pläne vereiteln. Somit konnte ich meine Aufmerksamkeit voll und ganz auf die Prinzen legen. „Sobald Prinz Phileas zurückkehrt, erbitte ich einen ausführlichen Bericht, was dort vorgefallen ist. Ich brauche die offizielle Bestätigung, dass sie mir nicht mehr im Weg stehen." Besser hätte dieser Tag nicht werden können. Nach einem kurzen aber durchaus respektvollen Nicken, entfernte sich Calliope wieder von mir. Ganz nach dem Sprichwort 'Wenn man vom Teufel spricht..' wurden zudem in genau diesem Moment die breiten Flügeltüren in der Eingangshalle des Schlosses geöffnet und ein aufgebrachter älterer Mann, betrat das Innere der Mauern.

„Ihr habt euch erneut meinen Anweisungen widersetzt. Solch ein Verhalten erdulde ich nicht!" Diese Worte waren an die zwei jüngeren Männer gerichtet, welche nun hinter ihm ebenfalls das Schloss betraten. „Deine Strafe war nicht gerechtfertigt, Vater. Sie haben keine dieser Vergehen begangen." Das war Phileas, der wohl angeregt mit seinem Vater über die Geschehnisse in der Stadt zu diskutieren schien. „Phileas.." kam ein ungewohnt vorsichtiger Versuch seitens Kiyan, der nach Phileas Arm griff, um ihn zum Anhalten zu bewegen.

Phileas hingegen hatte andere Pläne. Er riss sich von seinem Bruder los und folgte weiter seinem Vater durch die Eingangshalle, bis dieser schließlich vor der breiten Treppe stehen blieb und sich zu seinem Sohn umdrehte. „Jahrelang hast du dich an meine Anweisungen gehalten, Phileas. Abgesehen von den Jahren deiner Kindheit hast du dich jederzeit darum bemüht, meine Befehle zu befolgen." Ein verständnisloses Lachen verließ seine Lippen. „Doch bei dieser einen Frau machst du eine Ausnahme. Du stellst mich vor der gesamten Öffentlichkeit bloß und dankst mir nicht einmal dafür, dass ich trotz allem, dennoch ein wenig Gnade über sie habe walten lassen."

Phileas war verstummt und wirkte nun regelrecht eingeschüchtert. Er musste sich in der Vergangenheit wohl nicht oft gegen seine Vater gestellt haben. „Ihr werdet diese Menschen augenblicklich vergessen! Keiner von euch wird sie jemals wiedersehen und wenn es doch soweit kommen sollte, steche ich euch eigenhändig die Augen aus." Seine letzten Worte glichen schon eher einem bedrohlichen Knurren. Mir bereiteten diese Worte eine Gänsehaut und ich war äußerst erleichtert darüber, dass diese nicht an mich gerichtet waren.

Erich setzte sich wieder in Bewegung und lief ohne ein weiteres Kommentar die breite Treppe hinauf, womöglich in Richtung seines Schlafgemachs. „Kiyan, er kann doch nicht.." wandte sich Phileas nun förmlich verzweifelt an seinen Bruder, welcher jedoch leicht mit dem Kopf schüttelte. „Er hat es bereits getan. Wir können ihnen nicht mehr helfen." Kiyan Stimme klang seltsam bedrückt, was ich in Bezug zu den Bediensteten so nicht von ihm kannte. Ich verhielt mich unauffällig, um so viel wie möglich von diesem Gespräch mitbekommen zu können.

Mehr als diese wenigen Worte, wechselten sie jedoch nicht miteinander. Phileas, dem scheinbar ein tränengleicher Schimmer in den Augen lag, machte sich schließlich ebenfalls auf den Weg die Treppe hinauf. Kiyan folgte ihm mit ein wenig Abstand. Irgendetwas musste in der Stadt vorgefallen sein, wovon ich bisher noch nichts erfahren hatte. Mit Kiyan stimmte etwas nicht. Er war still. Zu still für das, was ich bisher von ihm kannte. Ich musste herausfinden, was geschehen war. Womöglich konnte mir dies helfen, mich den beiden ein wenig anzunähern.

Sobald die Prinzen im oberen Stockwerk verschwunden waren und sich nicht mehr innerhalb meiner Sichtweite befanden, lief auch ich schließlich weiter und folgte ihnen mit langsamen Schritten hinauf. Ich wollte mich natürlich ungerne aufdrängen, doch ich verspürte den unentwegten Drang, die fehlenden Informationen zum heutigen Tage erfahren zu müssen. Mein Weg führte mich direkt zu Kiyan, an dessen Tür ich schließlich gehorsam klopfte. Als Antwort erhielt ich jedoch lediglich Schweigen.

Obwohl ich nicht die direkte Erlaubnis hatte einzutreten, öffnete ich dennoch vorsichtig die Tür und spähte in das Innere des Raumes. Da auch bei dieser Handlung keine Reaktion von Kiyan kam, öffnete ich die Tür ein Stück weiter und betrat schließlich den Raum. Es war stockfinster. Anders, als ich es von meinem neuen Schlafgemach gewohnt war. „Ich habe Ihnen nicht gestattet, einzutreten." Kam es dann doch plötzlich murmelnd aus einer Ecke des Raumes. Aufgrund der abrupten Dunkelheit konnte ich Kiyan nicht deutlich genug erkennen.

„Es tut mir.." begann ich , wurde allerdings augenblicklich von ihm unterbrochen. „Sparen Sie sich diese Entschuldigung." Ich verstummte und blickte einen Moment in der Dunkelheit umher, konnte aber noch immer nicht erkennen, wo sich Kiyan genau aufhielt. Nicht einmal die Kerze auf seinem Schreibtisch brannte, somit wurde dieser Raum in vollkommene Dunkelheit gehüllt. „Ich habe durch Zufall dein Gespräch mit Phileas in der Eingangshalle mitbekommen. Ist etwas vorgefallen? Ich mache mir ein wenig Sorgen, dass.."

„Für Sie, eure Hoheit, haben diese Geschehnisse keinen Wert an Bedeutung. Sie sind aus einem Grund hier, den lediglich mein Vater zu wissen scheint." Kiyan wirkte zunehmend gereizter, was mir ein ungutes Gefühl bereitete. Um die Fassung zu wahren, versuchte ich dieses Gefühl jedoch zu ignorieren. „Womöglich solltest du ihn danach fragen, Kiyan. Innerhalb einer Familie, können Geheimnisse nur zu Spaltungen führen."

Es folgte ein regelrecht schauriges Auflachen seinerseits und ich hörte anhand seiner Schritte, wie er langsam durch den Raum wanderte. „Und aus irgendeinem Grund, denken Sie nun, dass Sie einen Anspruch darauf haben, solche Informationen zu erhalten?" Darauf antwortete ich nicht und Kiyan schien dies dahingehend zu deuten, dass seine Annahme korrekt war. „Ich bitte Sie nun höflich darum, diesen Raum zu verlassen. Ms. Mary Boleyn." Seine Gereiztheit wurde noch deutlicher, als er nun meinen vollständigen Namen aussprach.

„Ich habe nicht die Absicht verfolgt, dich.." „In Ordnung. Anscheinend ist Ihnen eine höfliche Bitte nicht verständlich genug." Unterbrach mich Kiyan erneut und ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Stimme. „Bitte entschuldige, Mutter.." Hörte ich ihn noch leise sagen. Ehe ich diese Worte jedoch gänzlich verstehen konnte, hörte ich etwas lautstark direkt neben mir, in der Höhe meines Kopfes, an der Wand zersplittern. Wenn ich mich in diesem Sekundenbruchteil nicht getäuscht hatte, musste es eine Vase oder Ähnliches gewesen sein. Vor Schreck zuckte ich stark zusammen und wich augenblicklich einen Schritt zurück. „Ich sagte, Sie sollen VERSCHWINDEN!"

Die ZofeOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz