Kapitel 49

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"Juli...", hauchte er, bis er plötzlich Abstand zwischen uns brachte.
"Wir ... das geht nicht."
Ich starrte ihn an: "Warum Jamal? Du hast mir gerade einen Vortrag gehalten, dass du mich vermisst und es zu tiefst bereust, dass das ganze passiert ist. Also warum sollte das nicht gehen?"
"Weil... ich kann das nicht nochmal Juli. Ich liebe dich, ich hab nie aufgehört dich zu lieben, aber ich kann das nicht nochmal durchmachen, Juli. Diese Fernbeziehung und ... das fehlende Vertrauen. Mein Rückzug, das alles hat mich zu einer Aktion getrieben, die mich zu einem widerlichen Menschen macht. Ich kann das nicht nochmal werden."
"Du machst also mich dafür verantwortlich, dass du das getan hast? Jamal, das ist nicht fair.", ich musste nichtmal heulen.
In mir war keine Enttäuschung, keine Wut, da war gar nichts.
Nichts außer dem Fakt, dass Jamal mich nicht mehr wollte.
"Nein, ich mache dich nicht dafür verantwortlich. Wärst du hier in München, dauerhaft, dann würde ich dich jetzt zu mir heranziehen und endlich wieder das tun, was ich schon längst wieder tun wollte.
Aber das bist du nicht.
Ich hab ständig Spiele am Wochenende und du musst lernen.
Ich bin erst am Anfang meiner Karriere und muss mir einen Stammplatz im Kader erst verdienen. Ich bin nicht Leon, der am Wochenende mal das Training sausen lassen kann.
Wir können nicht einfach mal kurzfristig sagen, dass wir uns treffen. Das ständige Telefonieren macht mich wahnsinnig. Ich kann dich nicht in den Arm nehmen, dich nicht berühren, nichts.
Ich will meine Freundin hier. Ich will dich jeden Tag sehen, dich von der Schule abholen, in dein Gesicht schauen, wenn das Training um ist, in deine Richtung meinen Torjubel machen, mit dir auf Dates gehen, mit dir morgens aufwachen.
All das, was man in einer Beziehung eben macht.
Diese scheiß Entfernung zieht eine Wand zwischen uns auf, die ich nicht haben will."
"Also wars das wieder?
Wir sehen uns nicht mehr?
Ich halte Abstand und gehe nicht mehr zu Leon und Mathea?
Nicht mehr ins Stadion?
Jamal, ich will das nicht.
Ich will dich, ich wollte immer nur dich. Ich weiß, eine Fernbeziehung ist scheiße, aber wir haben es schon mal hinbekommen. Und die Schule kriege ich momentan besser hin, als sonstwann.
Obwohl Leon und Mathea oft da waren, oder ich hier her gekommen bin. Ich fahre gerne übers Wochenende her und ich bleibe auch gerne die gesamten Ferien bei dir.", er legte seinen Kopf in seine Hände und sah mich dann verzweifelt an.
"Juli, nicht. Du wirst mich nicht überzeugen können. Du sagst du würdest die Schule momentan besser hinbekommen, als sonst wann, das sagt schon alles.
Ich will dich nicht von München fernhalten, schon gar nicht von Mathea und Leon.
Du darfst liebend gerne im Stadion sitzen und das am besten im Musiala-Trikot. Aber nicht als meine Girlfriend, sondern als eine Freundin.", ich lachte auf.
Schlug er mir gerade ernsthaft eine Freundschaft vor???
"Jamal, das ist gerade nicht dein Ernst, oder?"
"Doch Juli.", er sah mich niedergeschlagen an.
"Freunde lieben sich aber nicht, Jamal. Weißt du wie sehr das weh tun wird? Die letzten Wochen waren nicht so schrecklich, weil dieses dämliche Gespräch veröffentlicht wurde oder HURE vor meiner Tür stand, es war der Horror, weil du nicht da warst, obwohl ich dich gebraucht hätte!", ich wurde am Ende ziemlich laut.
"Bitte Juli.", er wirkte völlig bedrückt, aber das war nichts im Gegensatz zu dem, was gerade in mir tobte.
Es war, als würde ein Sturm ausbrechen und jede Erinnerung, jedes Gefühl, alles in mir, einfach zerstören.
Freunde.
Ich fühlte mich, als wäre ich im falschen Film.
Ich schloss die Augen und atmete einmal tief ein und aus, ehe ich von der Bank aufstand und einfach wegging.
Jamal rief meinen Namen, aber das ging mir echt am Arsch vorbei.
Ich hatte durch diese Trennung soviel Leid erfahren und mich hatte die Hoffnung, ihn zurückzubekommen am Leben gehalten.
Das war nun zerplatzt.
Nein, er wollte, dass wir Freunde werden.

"Jetzt sag mir bitte, dass ihr die Kacke endlich geklärt habt.", Leon stand im Türrahmen und sah mich hoffnungsvoll an.
"Oh ja, es ist alles geklärt. Wenn es nach Jamal ginge, wären wir jetzt Freunde.", ich lächelte zuckersüß, Leon starrte mich wortlos an, nahm dann seinen Autoschlüssel, schob mich zur Seite und ging die Treppen runter.
"Leon, was wird das? Lass es gut sein, es ist vorbei. Und ich werde ihm nicht erneut sagen, dass ich ihn zurück will!", den Spieler juckten meine Worte kein bisschen, denn er lief einfach weiter. Ich hob meine Hände hoch, ging heute eigentlich jedem am Arsch vorbei, was ich sagte?!
"Lass ihn, Süße. Wenn er was ändert, umso besser und andernfalls hat er es wenigstens versucht.", Mathea kam aus der Wohnung und legte einen Arm um mich.
"Vielleicht sollte Joshua mal ran.", Lina kam leicht grinsend ebenfalls aus der Wohnung.
"Oh, hey Lina.", ich schenkte ihr ein knappes Lächeln.
"Wenn Josh ran geht, würde Jamal Juli nicht nur zurückwollen, er würde ihr einen Antrag machen...", Mathea unterdrückte ein Lachen.
"Na dann wärst du ja die erste von uns.", lachte Lina, ich schüttelte den Kopf.
"Jamal wäre dafür doch viel zu verpeilt, der würde den schon gekauften Ring völlig vergessen und einfach ohne Kästchen auf die Knie gehen.", beide fielen in schallendes Gelächter aus und auch meine Laune hob sich allein bei dem Gedanken, ehe ich mich wieder daran erinnerte, dass Jamal ja nun ein Freund sein wollte.
"Okay, genug geträumt für heute.", Mathea wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.
"Apropos Joshua, ist er auch da?", ich sah in die Wohnung.
"Wir sind alle da."
"Wer ist 'alle'?", raunte ich leicht verängstigt in die Richtung der Mädels.
"Die coolen Bayern-Spieler.", die Stimme gehörte unverkennbar zu Serge Gnabry.
Ein Lachen ertönte und Mathea sah mich entschuldigend an.
"Die Jungs sind vorhin einfach vorbei gekommen..."
Ich fühlte mich ziemlich unwohl, als ich die Wohnung betrat.
Die üblichen Freunde von Leon, aus dem Bayern-Kader, saßen vor mir und sahen mich neugierig an.
Gott, wurde das jetzt zur Gewohnheit?!
Ich räusperte mich: "Ähm, hi.", ich lächelte ein wenig gezwungen, die Jungs hoben ihre Hand oder nickten mir zu.
"Sag mal Juli, was genau versucht Leon jetzt?", Manuel Neuer kräuselte seine Stirn.
"Das wüsste ich auch gerne...", ich seufzte und setzte mich an einen freien Stuhl.
Ich sah mich in der Runde um und schluckte.
Neuer, Gnabry, Kimmich und Sané sahen mich alle an und ich fühlte mich mehr als unwohl.
Das hatte Lina anscheinend bemerkt, denn glücklicherweise änderte sie das Thema und lenkte somit von mir ab.

Schlüsselklimpern ertönte und ein total genervter Leon kam in das Wohnzimmer.
"Juli, hast du schon gepackt? Dann bringe ich dich jetzt zum Flughafen."
"Ja, schon heute Morgen. Warte, ich hole die Tasche.", leicht irritiert ging ich nach oben, während Leon nickte und sich wortlos an den Tisch setzte.
Ich hörte, wie sie unten versuchten Leon auszuquetschen, der dem aber standhielt und das Thema mit "Ich werde mich da nicht mehr einmischen.", beendete.
Obwohl mir klar gewesen war, dass er kein Erfolg haben würde, enttäuschte es mich dennoch ein wenig.

"Es tut mir alles so unglaublich leid, Juli.", Leon sah mich bedrückt an und ich zuckte mit den Schultern.
Wir saßen in seinem Auto, auf dem Parkplatz des Münchner Flughafens.
"Er will mich nicht zurück, das ist in Ordnung. Ich kann eh nichts ändern.", Leon nickte leicht.
"Versprich mir eines, Knirps.
Veränder dich nicht, konzentriere dich auf die Schule und lese dir keine Hate-Kommentare durch.
Und bitte, besuch Mathea und mich hin und wieder, ich brauche euch zwei Mädels unbedingt Stadion!", beim letzten Satz lächelte er ein wenig schelmisch, ehe er wieder ernster wurde.
"Ich meins ernst, kümmere dich um dich und nicht darum, was andere sagen.
Wenn du irgendwas brauchst, gib Bescheid, zu jeder Zeit. Du kannst immer zu uns kommen und du bist immer bei uns willkommen!"
"Danke Leon.", ich flüsterte und nun lief mir eine Träne über meine Wange. Über die Mittelkonsole hinweg umarmte mich Leon und hielt mich einfach fest.
Die beiden waren in letzter Zeit so ein wichtiger Haltepunkt in meinem Leben gewesen.
Sie hatten sich um mich gekümmert, obwohl sie eigentlich zu Jamal halten hätten müssen.
Ich war den beiden so unendlich dankbar und ich konnte nicht fassen, was für ein Glück ich hatte, die beiden kennengelernt zu haben.
Sie waren wie große Geschwister für mich und ich hatte sie so unendlich lieb.

"Na los, ab in den Flieger.", Leon schob mich in Richtung Sicherheitskontrolle.
"Ich kann nicht glauben, dass ich schon wieder die Umwelt, und dann auch noch in Corona-Zeiten, mit einem Inlandsflug verpeste.", zweifelnd sah ich auf die Reisetasche, Leon lachte los.
"So schön ich dein Umweltbewusstsein auch finde, das Flugzeug fliegt jetzt sowieso, also ist das der falsche Moment um zu streiken."
"Ha ha.", kopfschüttelnd sah ich ihn an und umarmte ihn dann nochmals kurz.
"Bis bald, Leon."
"Bis bald.", er lächelte.
"Ah apropos, deine Aussage gestern. Jamal vermisst mich zwar, aber zurück wollte er mich trotzdem nicht, also solltest du besser das 1:0 am Samstag schießen.", ich grinste leicht, er lachte auf.
"Aye aye, Captain.", ich schüttelte grinsend meinen Kopf und lief dann in Richtung Sicherheitskontrolle.

Young Love - Jamal MusialaWhere stories live. Discover now