14. Kapitel

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Aldrins Sicht:

Ziemlich frustriert saß ich auf einem der Sofas und versuchte zum ersten Mal wirklich über das nachzudenken, was Aaron mir gesagt hatte. Und obwohl meine Gedanken immer wieder abstreiften, stand ich anders als sonst nicht auf, oder widmete meine Aufmerksamkeit anderen Dingen.

Denn ich wusste, dass er recht hatte. Für jede Angelegenheit würde ich zahlreiche Berater haben, die mir, wenn ich einmal nicht weiterwissen würde, helfen würden. Sie würden auch die Verantwortung tragen, für etwas was nicht so wie geplant verlief. Wovor hatte ich also Angst?

Vielleicht weil ich es alles anders machen wollte? Weil ich nicht wollte, das andere Leute für meine Fehler geradestehen mussten? Weil ich der Bevölkerung von Almelis nicht nur etwas vorspielen, sondern ihre Welt wirklich verbessern wollte? Oder weil ich mir als einziger wirklich bewusst zu sein schien, was für eine Verantwortung ich trug, wenn ich König werden würde und ich Angst hatte, dies nicht zu bewältigen zu können?

Doch was bedeutete Verantwortung eigentlich? Seufzend ließ ich mich ohne Antwort darauf nach hinten in die weichen, ledernen Polster fallen.

Wie man es auch drehte und wendete, ich kam einfach nicht weiter. Denn ich hatte Angst nicht die Verantwortung für unsere ganze Stadt tragen und nicht jeden beschützen zu können, obwohl ich noch nicht einmal definieren konnte, was das Wort Verantwortung für mich überhaupt bedeutete.

Erneut streiften meine Gedanken ab, zu einem wunderschönen, von Bäumen und dichten Büschen versteckten Platz. Einem großen Steinvorsprung, der einer Klippe glich und den fast niemand kannte. Niemand außer ihr und mittlerweile auch mir.

Langsam stand ich auf und ging in den Flur um mir meine Sneaker anzuziehen. Ich wusste, dass sie noch gar nicht dasein würde, es eigentlich nicht einmal konnte. Es war noch ziemlich früh und ich war auch nur wach, weil ich Stunden nicht hatte schlafen können.

Ich holte mein Handy auf meiner Hosentasche. 7:45 Uhr. Sie war bestimmt gerade auf dem Weg zur Schule, oder dorthin wo sie jeden ihrer Vormittage verbringen musste.

Doch ich musste auch gar nicht sie sehen, ich brauchte nur einen ruhigen Ort zum nachdenken.

Schnell zog ich die Haustür zu und ging die drei Stufen hinab nur um wenige Meter später unseren Vorgarten zu verlassen und meine Schritte zu beschleunigen.

Eigentlich hatte ich keinen Grund dafür, schließlich war der Felsen kaum zehn Minuten von meinem Haus entfernt, doch etwas schien mich dazu bringen zu wollen, mich zu beeilen.

Obwohl ich dieses Gefühl kaum ernst nehmen konnte, verunsicherte es mich so sehr, dass ich nicht mal guckte bevor ich die größte Straße in unserer kleinen Stadt überquerte, die zu meinem Glück gerade vollkommen unbenutzt war.

Vormittags war es beinahe überall hier so leer, denn die Kinder und Jugendlichen gingen entweder in den Kindergarten oder die Schule und die Erwachsenen mussten arbeiten. Keiner hatte Zeit rauszugehen.

Ich bewunderte die schönen Blumen auf den Wiesen am Bürgersteig um mich selber zu beruhigen, doch die Unruhe in mir wurde immer größer, sodass ich ohne zu hinterfragen zu joggen begann.

Kaum hatte ich die abgelegene Straße erreicht, begann ich zu rennen, denn eine unerklärliche Angst hatte sich in mir breit gemacht und wurde immer größer, je näher ich dem kleinen Weg und meinem verborgenem Ziel kam.

Auch wenn ich es nicht begründen konnte, spürte ich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte und sprintete bis zu dem gut verborgenen Trampelpfad, ohne noch wirklich etwas um mich herum wahrzunehmen, denn meine ganze Aufmerksamkeit lag auf dem schmalen Weg.

Unruhig musterte ich ihn, doch von hier aus schien eindeutig alles wie immer. Es fiel mir unglaublich schwer, doch ich zwang mich dazu, nur langsam weiterzugehen, um das nur halb festgetretene Laub unter meinen Füßen nicht zu laut zum rascheln zu bringen.

Schon nach der Hälfte das Weges, schimmerte mir durch die dichten, tiefhängenden Äste ein vertrautes dunkelgrün entgegen und noch bevor ich es so schnell und gleichzeitig so leise wie möglich erreichte, wusste ich, dass es ihr Fahrrad sein musste.

Was war hier los?

Hektisch drehte ich mich einmal um mich selbst, während sich alles in mir vor Angst zusammenzog und verschwand dann wie sonst auch immer hinter dem dicken Stamm.

Denn egal was hier gerade vor sich ging, sie durfte mich trotzdem nicht bemerken.

Erst jetzt viel mir auf, dass ihr Fahrrad wieder umgestürzt am Boden lag, doch dieses Mal war ich mir sicher, dass es nicht meine Schuld gewesen war. Aber auch, dass sie anders als letztes Mal nicht kommen würde um es wieder hinzustellen.

Noch immer hatte ich keine Ahnung was hier gerade vor sich ging, doch das ungute Gefühl blieb und unbewusst ließ ich meinen Blick auf das Plateau vor mir gleiten.

Ich musste sie sehen, mich vergewissern, dass es ihr gut ging, aber mit einem Schreck erkannte ich, dass dort niemand war. Es dauerte eine geschlagene Sekunde, bis ich wirklich realisierte, dass der Bereich des Felsens, den ich von hier sehen konnte, tatsächlich lehr war.

Ohne weiter nachzudenken, wagte ich mich aus meiner Deckung und schlich leise zurück auf den Trampelpfad und von dort aus langsam auf die Klippe.

Erst hier bemerkte ich, dass sie sich zur linken Seite viel weiter nach vorne zog als ich es gedacht hätte. Fast schon wie ein schmaler Steg der hinten steil nach oben anstieg und somit ein kleines Plateau bildete, bevor auch dort der feste Stein urplötzlich endete.

Doch auch wenn es unendlich schön aussah, hatte etwas ganz anderes mein Interesse geweckt.

Die kleine Person, die ganz an der Spitze dort oben stand und in die Tiefe blickte, bevor sie ihre Arme zum Sprung ausstreckte und die mir nicht nur wegen ihrer roten Korkenzieherlocken auf schockierende Weise viel zu bekannt vorkam.

Weil ich durch dich leben lernteDonde viven las historias. Descúbrelo ahora