41. Kapitel

0 0 0
                                    

Aldrins Sicht:

Mit einem Mal saß ich hier, nicht mehr entspannt und die wundervolle Nacht genießend, sondern mit meiner rechten Hand meinen Teller umklammernd und froh darüber, dass es dunkel war damit Marleene nicht sehen konnte, das meine Knöchel immer weißer wurden.

Es war Jahre her und auch wenn ich mittlerweile sagen konnte, das ich es geschafft hatte es tatsächlich hinter mir zu lassen, tatsächlich weiter zu leben war es ungewohnt schmerzhaft darüber zu reden.

Denn wenn man redete, erinnerte man sich, und wenn man sich erinnerte kamen Bilder hoch. Bilder die vielleicht wunderschöne Momente wiederspiegelten, aber trotzdem ungeheuer Schmerzhaft waren.

Nicht mal mit Carla hatte ich damals darüber geredet. Klar sie war immer für mich dagewesen, nur gesprochen hatte ich nicht, denn wenn man es aussprach war es real, unweigerlich real.

Vielleicht war das heute nicht der Grund warum ich jetzt schwieg, denn mittlerweile waren all meine Erinnerungen an sie nicht mehr nur schmerzhaft, sondern überwiegend schön, aber trotzdem war es ein schwieriges Thema für mich, über das ich nur ungern sprach.

Weil ich es hasste all ihre Blicke zu sehen, ihre Blicke die ihr Mitleid ausdrückten obwohl sie noch nicht einmal im Ansatz wissen konnten wie es sich anfühlte.

Nein, aber das war es nicht was mich davon abhielt anzufangen zu erzählen. Viel mehr lag es daran, dass es Marleene war, die gebannt darauf wartete eine Antwort zu hören.

Das Mädchen mit den roten Locken dem ich alles von mir erzählen würde und es vielleicht sogar wollte, aber das selber schon mehr durchgemacht haben musste als jeder andere den ich kannte.

Das erste mal seit Tagen hatte ich sie heute Abend Lächeln sehen und auch wenn es nur im Ansatz gewesen war, war es da gewesen und damit auch meine Angst, dass ich es sofort wieder ersticken würde, würde ich ihr die Wahrheit erzählen.

Doch da war gleichzeitig auch noch eine andere Seite, denn auch wenn ich es am Anfang nie für möglich gehalten hatte, hatte sie sich mir tatsächlich geöffnet. Dinge erzählt von denen ich wusste, dass sie sich geschworen hatte sie niemals jemand anderem zu erzählen.

Hatte sie es nicht am allermeisten verdient das ich ihr die Wahrheit sagte, auch wenn ich damit vielleicht mein Versprechen brechen und einen Moment lang nicht für sie Stark sein konnte?

„Aldrin, alles okay?", ganz vorsichtig griff sie nach dem Teller den ich noch immer in meinen Händen hielt und versuchte meine Finger behutsam zu lösen.

Ohne das ich etwas gesagt hatte, hatte sie gemerkt wie schwierig es mir fiel ihr eine Antwort zu geben.

Weil sie mich kannte, weil sie die Wahrheit verdiente, wie die, die sie mir gegeben hatte. Die Realität war nicht immer schön, doch war sie nicht diejenige die das am ehesten verstehen würde?

Diejenige die in letzter Zeit so viel gelitten hatte, das ich nur hoffen konnte, das sie bei meiner Geschichte nicht erneut wieder zerbrechen würde, weil sie noch nicht einmal damit begonnen hatte ihr altes Leben wieder aufzubauen.

„Du musst mir nicht Antworten.", sie hatte den Teller auf die Decke gestellt und hielt nun meine Hand: „Ich verstehe das."

Ja das wusste ich, sie würde es verstehen, würde mir nicht böse sein trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, dass sie die Antwort einfach verdiente.

„Nein alles gut, es ist vielleicht nur nicht die Geschichte die du hoffst zu hören."

Erst als sie auch nach meiner anderen Hand griff bemerkte ich, dass ich mir schon wieder geistesabwesend durch die Haare gefahren sein musste.

„Also, ich lüge nicht wenn ich sage, dass ich wirklich die allerbesten Eltern auf der Welt hatte", begann ich und spürte wie sie mir bestärkend über die Handrücken fuhr.

„Mein Dad hat mit mir die spannendsten Abenteuer und heimliche Ausflüge gemacht, wie ein Picknick mitten in der Nacht oder auf den Mauern des Schlosses spazieren zu gehen, die eigentlich nur für die Wachen zugelassen waren. Meine Mum war immer für mich da, hat mir bei einfach allem geholfen und jeden Abend hat sie mir eine Geschichte erzählt...", ich stockte als ich die Bilder die ich seit Jahren verdrängt hatte wieder vor meinen Augen sah.

„Aber sie hatten hier im Schloss einen wichtigen Job, mussten oft Reisen und weißt du, wir haben nicht nur Freunde auf der Welt... nein es gibt auch einige, die Almelis Intressen nicht vertreten. Normalerweise läuft alles immer Friedlich ab, aber..."

Ich wusste nicht wie ich fortfahren sollte, doch Marleene ließ mir die Zeit die ich zum nachdenken brauchte und rutschte ein bisschen näher um mir zu vermitteln das ich nicht alleine war.

„Als meine Eltern dieses eine mal wegfuhren, war es anders... sie kamen, sie kamen nicht mehr wieder."

Das einzige Geräusch um uns herum war das leise Zirpen der Grillen, aber es war kein unangenehmes Schweigen das uns mit einem Mal umgab.

Marleene versuchte nicht einmal etwas zu sagen, denn sie wusste genauso gut wie ich, das es nichts auf der Welt gab, mit dem man auf so etwas Antworten konnte.

Ja, das wussten wir beide.

Noch immer fuhr sie mir über meine Handrücken, nur ganz leicht, doch trotzdem hatte diese Berührung etwas so beruhigendes, dass ich mich schließlich traute ihr in die Augen zu sehen.

In die schönsten grünen Augen die ich jemals gesehen hatten und in denen sich etwas ganz anderes widerspiegelte als ich erwartet hatte. Es war kein Mitleid, so wie ich es befürchtet hatte, nein es war Verständnis.

Sie rutschte noch näher und ohne weiter zu zögern zog ich sie zu mir heran, bevor ich mich mit ihr in meinen Armen nach hinten lehnte.

Während ich auf dem kühlen Gras lag und sie auf meiner Brust, sodass mir ihre roten Haare ins Gesicht fielen und wir beide still die Sterne beobachteten, wurde mir wieder einmal etwas klar:

Wir beiden waren uns viel ähnlicher als wir es zuerst vermutet hatten und sie stand mir mittlerweile und ohne das sie es wusste näher als irgendjemand anderes auf der gesamten Welt.

Weil ich durch dich leben lernteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt