61. Kapitel

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Aldrins Sicht:

Ich starrte auf das Gewehr, auf seinen Finger den er immer weiter zum Abzug bewegte, während ich mit einem Mal nichts mehr um mich herum verstand.

Was hatte er vor? All das ergab doch keinen Sinn. Er wollte, dass ich sein Nachfolger, das ich der nächste König wurde.

Selbst das er dazu neigte schnell hitzig zu werden erklärte also nicht sein Handeln.

Nichts und niemand erklärte es, außer...

Nein! Diesen Gedanken konnte und wollte ich einfach nicht zu Ende denken, aber dennoch ergab nur mit ihm alles einen Sinn.

Aber das konnte, das durfte schlichtweg einfach nicht sein!

Panisch drehte ich mich nach rechts, darauf hoffend niemanden zu sehen und somit bestätigt zu bekommen, hier ganz alleine zu stehen, doch dann sah ich sie.

Sie und ihre Locken, die ihr hinterherwirbelten, während sie wie in Zeitlupe auf mich zu rannte und trotzdem viel zu schnell näherkam.

All die Verzweiflung in ihrem Gesicht, aber auch die Entschlossenheit. Die Entschlossenheit, die mit einem Mal alles erklärte.

Ohne nachzudenken streckte ich meine Hände nach ihr aus, wollte sie an der Hüfte fassen und zur Seite schubsen, egal wohin, nur aus Aarons Schusslinie. Wollte mich so drehen, dass ich vor ihr stand um sie zu beschützen, doch bevor ich auch nur meine Arme hatte erheben können, war sie schon auf meiner Höhe.

Zögerte keine Sekunde, während ich nur zusehen konnte, wie sich der Finger meines Großvaters vom Abzug löste, während sie blitzschnell vor mich sprang.

Der Knall, der keine Sekunde später ertönte, schien die Ruinen meiner sowieso schon ins Wanken geratenen Welt mit einem Mal zum Einstürzen zu bringen.

Doch ich bemerkte es gar nicht, denn alles woran ich denken konnte war Marleene, die vor mir zu Boden sank.

„Nein!", ich ließ mich auf die Knie fallen und griff panisch nach ihrer Hand, während die Welt um mich herum erneut verschwamm.

„Ist es das was du wolltest?", schrie ich Aaron an, dessen Gesicht ich nur unscharf erkennen konnte.

Panisch wandte ich mich wieder Marleene zu, die mit ihrem Gesicht auf dem roten Teppich lag und drehte sie ganz vorsichtig zu mir um.

Die Tränen raubten mir die Sicht, doch trotzdem konnte ich den noch dunkleren Fleck auf dem Teppich nur allzu gut erkennen, der sich immer weiter ausbreitete.

„Bist du jetzt zufrieden Aaron?", ich musste nicht aufsehen um zu wissen, dass der Mann, der keine drei Meter regungslos von uns beiden entfernt stand und sich gleichzeitig der König von Almelis und mein Großvater nannte noch immer nicht antworten würde.

Verzweifelt konnte ich bloß dabei zusehen, wie der rote Fleck auf ihrem dunkelgrünen T-Shirt viel zu schnell immer größer wurde.

„Ob du jetzt zufrieden bist, habe ich gefragt!", der pure Hass in meiner Stimme erschreckte mich selber, während ich zu ihm hinaufblickte.

„Denn du solltest wissen", presste ich durch meine aufeinandergebissenen Zähne hervor: „Wenn sie hiervon irgendwelche Schäden erhalten sollte... verdammt, wenn sie sterben sollte, werde ich niemals, niemals König werden!"

Ohne weiter nachzudenken legte ich meine Hände über ihre linke Brust und versuchte das Blut, dass noch immer viel zu schnell aus der Wunde floss irgendwie zu stoppen.

Aaron stand noch immer ganz still da. Er sagte nichts, stand mir nicht im Weg oder versuchte mich in meinem kläglichen Versuch Marleene zu helfen aufzuhalten, doch bot mir auch nicht das Gegenteil an, was mich mit einem Mal rasend wütend machte.

„Jetzt hol endlich Hilfe!"

„Ja... klar, mach ich!", seine zum ersten Mal seit ich denken konnte verunsichert klingende Stimme ließ mich kurz stocken, während er eilig nach rechts lief, dahin wo die Sanitäter und die gesamte Krankenstation von unserem Schloss lag, doch ich hatte keine Zeit über sein Verhalten nachzudenken.

„Und beeil dich, verdammt!"

Jede Sekunde, in der ich hier auf dem Boden saß, nachdem seine Schritte verklungen waren, kam mir vor wie mehrere Minuten.

Meine Hände lagen noch immer auf ihrer Brust, versuchten das viel zu viele Blut, das nach wie vor aus der doch eigentlich so kleinen Schusswunde trat irgendwie aufzuhalten, obwohl ich selber nur allzu gut wusste, wie aussichtslos dieses Unterfangen eigentlich war.

Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl gar nichts, rein gar nichts tun zu können, während die einzelnen Minuten immer weiter verstrichen, obwohl ich wusste, das mit jeder von ihr auch Marleenes Chancen immer weiter schwanden.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?", meine Stimme klang ungewohnt und rau, doch ich ignorierte es einfach.

Viel zu gerne, hätte ich eine meiner Hände unter ihr Kinn gelegt oder ihr über ihre wunderschönen Wangen gestrichen, doch ich traute mich nicht, aus der Angst, dass das Blut sobald ich mich bewegte wieder schneller in ihr inzwischen völlig durchnässest T-Shirt und auf den Teppich sickern würde.

Es kam mir vor, als wären Stunden vergangen, mit Gewissheit die schlimmsten in meinem gesamten Leben, als ich endlich wieder Schritte hörte, die schnell immer näher eilten, obwohl nur wenige Minuten verstrichen sein konnten seitdem Aaron verschwunden war.

Ich musste nicht aufsehen um zu wissen, dass es sich um eine Gruppe von Sanitätern handeln musste, blickte weiterhin nach unten, während die ersten Tränen meine Wangen hinab zu rennen begannen.

Ohne das ich es wirklich bemerkte, kamen sie zu uns, knieten sich nieder und begannen mit ihrer Arbeit.

Mehrmals wurde ich gebeten beiseite zu gehen, doch ich konnte einfach nicht, denn alles was ich wollte war bei ihr zu sein.

Als ich von zwei starken Armen jedoch ein paar Meter nach hinten gezogen wurde, wehrte ich mich dennoch nicht, denn mir fehlte schlichtweg die Kraft dazu und zu allem anderem auch.

„Marleene", flüsterte ich, obwohl ich nur allzu gut wusste, dass sie mich nicht würde hören können. „Ich liebe dich. Habe es, seit ich dich das erste Mal sah und werde es auch für immer tun!"

Weil ich durch dich leben lernteOnde histórias criam vida. Descubra agora