56. Kapitel:

0 0 0
                                    

Marleenes Sicht:

„Na los, jetzt beeil dich schon!", über ihre Schulter warf Carla mir einen aufgeregten Blick zu, während ich den Mixer in meinen Händen noch eine Stufe höher schaltete.

„Ja ja, ich geb mir ja schon Mühe!", hektisch versuchte ich die einzelnen Zutaten, die Carla und ich vor wenigen Minuten nach Augenmaß in die große, metallene Schüssel getan hatten zu verrühren.

„Dann mach halt noch schneller."

Ich musste mich nicht zu ihr umdrehen um zu wissen, dass sie ihr Lachen nur schwer unterdrücken konnte.

„Immerhin war es ja nicht meine Idee.", ich stellte den Mixer aus und stellte ihn auf die riesige Arbeitsfläche, die nun einem Schlachtfeld zu gleichen schien, während der Teig von den Rührstäben ungeachtet auf sie hinunter tropfte.

Einfach überall schien Mehl zu liegen, dann die leeren Butter- und Zuckerpäckchen und das einzelne Ei, das es leider nicht bis in die Metallschüssel geschafft hatte.

Mit meinem Handrücken fuhr ich mir einmal über die Stirn, in dem Versuch, den Teig der an meinen Handrücken klebte nicht überall im Gesicht zu verteilen und hob die zugegebener Maßen ziemlich schwere Schüssel an, um sie zu der nächsten Arbeitsfläche, keine drei Meter von mir entfernt zu tragen, auf der Carla schon die verschiedensten Muffin- und Kuchenformen ausgebreitet hatte.

„Meine Idee war ja auch sehr gut", verteidigte sie sich, bevor sie begann mit einer Kelle den Teig in die erste Backform zu löffeln: „Allerdings hatte ich wohl vergessen zu erwähnen, dass die Küche nicht den ganzen Nachmittag, sondern nur anderthalb Stunden frei ist."

„Daran muss es gelegen haben.", ich schnappte mir einen Löffel und begann ihr zu helfen, während sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich, obwohl ich gar nicht wissen wollte, was passierte, wenn man uns entdeckte.

Schließlich befanden wir uns nicht irgendwo, sondern in der Schlossküche, die eigentlich nur die Angestellten im Schloss betreten durften, die hier auch arbeiteten.

Aber, und das war der Punkt mit dem Carla mich vor nicht mehr als einer Dreiviertelstunde überzeugt hatte, auch wenn ich jetzt gar nicht mehr so recht nachvollziehen konnte wieso, zwischen den einzelnen Arbeitsschichten gab es hier unten eine Pause.

Eine Pause, in der hier laut Carla weit und breit niemand war und damit hatte sie, zumindest bis jetzt auch vollkommen Recht gehabt, nur das diese Pause eben deutlich kürzer war, als sie vorhin noch berichtet hatte.

„Manchmal braucht man eben das Risiko.", sagte sie bloß Schulterzuckend, fast so also hätte sie erraten woran ich dachte, während sie die erste Kuchenform zu einem der großen Backöfen trug: „Dann macht alles nur noch um so mehr Spaß!"

„Klar", erwiederde ich ironisch, während ich das Chaos musterte, dass wir angerichtet hatten.

„Mach dir keine Sorgen darüber", sie musste meinen Blick aufgefangen haben, bevor sie sich dieses Mal daran gemacht hatte, ein Muffinblech mit dem dunklen Schokoladenteig zu füllen.

„Ich habe nie gesagt, dass keiner bemerken darf, dass wir hier gewesen sind, sie dürfen uns bloß nicht sehen."

„Warte Mal...", nun trug ich eine kastenförmige Form zu dem großen Ofen hinter uns.

„Wenn sie uns nicht erwischen, können sie uns nichts nachweisen...", sie überlegte einen Moment bevor sie hinterschob: „Und selbst wenn, Aldrin wird uns schon verteidigen."

Nun konnte ich mein Lachen nicht länger zurückhalten und verdrängte auch meine letzten Zweifel, denn mir war nur allzu bewusst, das sie vollkommen richtig lag.

Doch dieses zuversichtliche Gefühl hielt keine zwei Sekunden an, denn dann hörten wir, wie die große Eingangstür ins Schloss fiel.

Schlagartig drehte ich mich zu Carla um, mir nur allzu bewusst, wie sehr mir die Panik ins Gesicht geschrieben sein musste, doch diese bedeutete mir mit ihrem auf die Lippen gelegten Zeigefinger nur leise zu sein.

So verstrichen also die Sekunden, während mir mein Herz bis zum Hals schlug und ich mich noch nicht einmal traute zu Atmen.

„Marleene, Carla?", durchdrang jedoch mit einem Mal eine Stimme die Stille und ließ Carla keine Sekundenbruchteil später erleichtert neben mir aufatmen, denn uns beiden war sie nur allzu bekannt.

Keine Minute später stand Aldrin vor uns und fast rechnete ich schon damit, dass unser Chaos ihm die Sprache verschlagen hatte, doch dann begann er doch noch zu reden: „Marleene, wir müssen reden!"

Etwas an seiner Stimme ließ mich aufhorchen, etwas das ich bei ihm noch nie zuvor gehört hatte und das ein seltsam ungutes Gefühl in mir hervorrief.

„Wie hast du uns denn gefunden?", Carla kam zu mir hinüber und nahm mir den Kuchen ab, den ich noch immer in meinen Händen hielt: „Lass mich raten, du bist einfach der Verwüstung gefolgt?"

Ich erwartete, dass Aldrin ihr gleich zustimmen, oder zumindest Lächeln würde, doch nichts von dem passierte. Stattdessen stand er ganz still da und musterte mich mit einem Blick, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte und absolut nicht deuten konnte: „Kommst du?"

„Ähm... ja, ja klar", mit einem Mal war all die Aufregung und der Spaß, der noch wenige Minuten zuvor meinen Körper durchflutet hatte verschwunden und machte einen klammen Gefühl platz.

Ohne weiter nachzudenken trat ich auf ihn zu, bevor er sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und den Weg zurück ging, den er auch gekommen war.

Auch ohne mich umzudrehen konnte ich Carlas beunruhigten Blick, der auf unser beider Rücken zu haften schien, bevor wir aus ihrem Sichtfeld verschwanden und wenig später ganz die Küche verließen, spüren.

Ein Blick, der alle meine inneren Alarmglocken läuten ließ und mir eine Gänsehaut bescherte, denn er sagte mir, dass sie Aldrins Reaktion genauso merkwürdig fand wie ich.

Schweigend verließen wir die Küche und kaum fünf Meter hinter ihrer großen Tür, drehte Aldrin sich auf dem Flur, nachdem er sich vergewissert hatte, das wir auch wirklich alleine waren zu mir um.

„Was ist los?", meine Stimme klang ungewöhnlich hoch und ich konnte die Angst selber nur allzu deutlich aus ihr heraushören.

Aldrin antwortete mir nicht, trat nur stumm einen Schritt auf mich zu und blickte auf mich hinab, während ich ihm direkt in die Augen sah.

Jene Augen, die für mich sonst immer wie ein Fels in der Brandung gewesen waren, aber die nun nicht länger Ruhe und Sicherheit, sondern Verunsicherung, und etwas auszustrahlen schienen, das ich nicht deuten konnte, aber das mich urplötzlich frieren ließ.

Doch erst als ich erkannte was es wirklich war, setzte die Eiseskälte ein, die unaufhaltsam meine Glieder hinaufkroch, während ich verstand was ich gerade sah und Aldrin meinem Blick auswich.

Damit ich die Gefühle, all den Schmerz, die Angst und die pure Panik die in den seinen standen nicht länger erkennen konnte.

„Marleene...", begann er, doch seine Stimme brach und ich sah die einzelne Träne seine Wange hinab rennen bevor auch meine Sicht verschwamm: „Ich mache... ich mache Schluss."

Weil ich durch dich leben lernteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt