6. Kapitel

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Aldrins Sicht:

Obwohl es fast an ein Wunder grenzte schien sie mich immer noch nicht bemerkt zu haben, als sie nach links in die kleine Straße abbog, von der sie genauso gut wie ich wissen musste, dass sie mitten im Nichts endete.

Doch ich konnte ja selbst kaum glauben was ich hier gerade tat, als ihr ihr dicht an die Büsche zu meiner Rechten gelehnt folgte.

All das hier ging mich überhaupt nichts an. Ich wusste nichts über das Mädchen, das vor mir gerade hektisch ihren Lenker herumriss um nicht gegen eine der wenigen Straßenlaternen zu fahren, nicht mal ihren Namen.

Nur das da etwas sein musste. Etwas großes, von dem sie dachte das sie es keinem anvertrauen konnte. Das und noch so viel mehr hatte in ihrem Blick gelegen: unglaublich große Angst, Enttäuschung aber mit Abstand am meisten hatte mich ihre Einsamkeit und Hilflosigkeit berührt.

Denn wenn ich eines in meinem Leben gelernt hatte, dann das man mache Dinge egal wie sehr man es versuchte nicht mit sich alleine ausmachen konnte und man kaputt ging, wenn man es versuchte.

Und vielleicht hatte ich das selber gut genug erfahren um zu erkennen, dass sie dabei war an ihrer eigenen Last zu zerbrechen.

Erst jetzt viel mir auf das wir die paar Häuser auf der linken Straßenseite schon lange hinter uns gelassen hatten.

Irritiert drehte ich mich einmal um sie selbst. Ich war ihr gefolgt um mich zu vergewissern das sie sicher nach Hause kam, aber ich kannte diese kleine Stadt gut genug um zu wissen, dass hier sicher kein Haus mehr kommen würde.

Verwirrt blickte ich wieder nach vorne und suchte im schwachen Licht der Laternen nach ihrer schmalen Silhouette, die ziemlich langsam und unsicher Fahrrad fuhr, was ich aber eher ihrem momentanen Gefühlschaos als fehlendem Talent zuordnete.

Doch so sehr ich auch auf die Schotterstraße vor mir starrte, sie war nicht mehr da. Einfach verschwunden, dass konnte doch gar nicht sein.

Erneut fuhr ich mir durch die Haare, doch diesmal nicht weil ich so genervt war, sondern vor Unbehagen.

Obwohl ich meinen Schritt am liebsten beschleunigt hätte, zwang ich mich dazu weiterhin leise und dicht in dem Schatten der Bäume zu gehen.

Unsicher blieb ich an der Stelle stehen, an der ich sie zuletzt gesehen hatte und sah mich um.

Hier gab es keine Laternen mehr und das Licht, dass noch schwach hinter mir die kleinen Kiesel beleuchtete, reichte kaum aus um etwas zu erkennen.

Auch wenn sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten hätte ich den schmalen Pfad, der schon etwas hinter mir lag fast übersehen.

Obwohl er mitten in die Büsche und dicht an dicht stehenden Bäume führte, war ich mir mit einem Mal sicher, dass sie ihm gefolgt war.

Leise ging ich zu ihm herüber und bevor ich langsam meinen rechten Fuß auf das festgetretene Laub und die kleinen Äste und Stöcker setzte, betete ich still, das keiner bei meinem Gewicht zerbrechen und dabei laut knacken würde. Zu meinem Glück blieb jedoch wirklich alles still, sodass ich den zweiten Fuß nachsetzte und dann langsam immer tiefer in das dichte Unterholz schlich.

Vor mir sah ich etwas durch die dichten Blätter schimmern, während ich tief den kühlen, angenehmen und mir so vertrauten Geruch des Blätterdachs über mir einatmete.

Vorsichtig schlich ich näher und erkannte ihr Fahrrad, das achtlos an einem großem Baum lehnte.

Wusste ich es doch, dachte ich mir insgeheim, bevor ich die freie Fläche vor mir musterte.

Obwohl ich mit meiner Familie früher immer Ausflüge in diese kleine Stadt gemacht hatte, einfach da sie Almelis am nächsten gewesen war, meine Eltern hatten immer Wert darauf gelegt, dass ich mich später auch in dieser Welt zurechtfinden würde, war mir dieser Ort fremd.

Erneut sah ich mich um und entdeckte eine kleine, in sich zusammengesunkene Gestalt kurz vor dem Ende des großen Vorsprungs.

Was nach ihm kam konnte ich nicht sagen, aber mich beschlich das ungute Gefühl, dass ich das vielleicht lieber auch gar nicht so genau wissen wollte.

Mein Magen zog sich zusammen als ich realisierte wie dicht sie an dem Abgrund sitzen musste. Doch bevor ich weiter darüber Nachdenken konnte, erkannte ich was sie dort überhaupt machte.

Auch wenn sie mit dem Rücken zu mir saß, sah ich, dass sie ihren Kopf auf ihre Knie gelegt hatte. Der Wind spielte leicht mit ihren Haaren, was einfach wunderschön aussah, aber dennoch riss ich mich von diesem Anblick los, als ihr leises Schluchzen zu mir drang.

Unendlich gerne hätte ich ihr in diesem Moment geholfen, sie in meine Arme geschlossen, damit sie vielleicht nicht mehr so hilflos, verletzt und unendlich einsam wäre, aber trotzdem stand ich wie gelähmt, halb verborgen hinter dem dicken Stamm ihres Fahrrads und beobachtete nur.

Langsam hob sie ihren Kopf und sah nun gen Himmel, an dem heute Nacht unendlich viele Sterne zu schimmern schienen.

Ich wusste nicht woher sie diesen Ort kannte, aber auf einmal ahnte ich, dass nicht viele von seiner Existenz wussten und er aus welchem Grund auch immer etwas ganz besonders für sie war.

Noch immer beobachtete sie die Sterne und schien ganz in ihren traurigen Gedanken versunken, doch als ihr leises Schniefen zu mir drang, das mich auf eine Art und Weise so sehr berührte wie nichts zuvor in meinem Leben, verstand ich.

Auch wenn sie es allen erfolgreich vorspielte, immer versuchte unendlich stark zu sein, war in echt nichts gut, nein, was auch immer sie gerade durchmachte, gar nichts schien für sie so auszusehen, als könnte es jemals wieder auch nur ansatzweise gut werden.

Weil ich durch dich leben lernteWhere stories live. Discover now