58. Kapitel

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Marleenes Sicht:

Wahllos schmiss ich ein ein paar meiner Sachen in den kleinen Koffer, der auf der Bettseite in jenem total gemütlichen Haus lag, in dem ich die letzten Wochen über geschlafen hatte.

Jenes Haus, das für mich fast schon wie ein Zuhause gewesen war, das Haus, das ich mir mit der Person geteilt hatte, die mir wichtiger gewesen war als alles andere in diesem Universum.

Doch das, das war ein riesiger Fehler gewesen. Der Fehler, den ich mir die ganze Zeit über bewusst gewesen war. Den ich zuerst hatte verdrängen, einfach vergessen wollen und von dem ich später gedacht hatte, dass dieses Mal einfach ich schlichtweg falsch gelegen hatte.

Das ich lediglich einen Fehler begangen hatte, der wahrscheinlich gar keiner gewesen war.. Das gar nicht alle Menschen so waren wie Fabi. Das es tatsächlich Personen gab, denen man vertrauen konnte. Doch nun? Nun konnte ich mir wenigstens Sicher sein, dass ich die ganze Zeit über richtig gelegen hatte.

Denn Aldrin, Aldrin hatte nur ein weiteres mal bestätigt, was ich eigentlich schon zuvor gewusst hatte: man konnte keinem vertrauen.

Und doch, doch hatte ich es so leicht bei ihm getan. Mich ihm geöffnet, ihm erzählt was mich beschäftigte und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl gehabt verstanden zu werden.

Aber zu welchem Preis?

Mit mehr Schwung als nötig ließ ich den Deckel des Koffers, den Aldrin mir neulich gekauft hatte, falls wir mal gemeinsam in den Urlaub fahren sollten nach unten fallen und schloss den wie der Rest des Koffers hellblauen Reißverschluss, bevor ich die beiden silbernen Schnallen ins Schloss schnappen schließ.

Ohne weiter nachzudenken, schnappte ich ihn mir und zog ihn hinunter vom Bett, bevor ich den Raum verließ, ohne mich noch ein einziges mal umzublicken.

Denn das hätte mir nur bewusst geraucht, wie viel ich gerade verließ. Nicht meine Sachen, die hier noch überall verstreut in unserem Schlafzimmer wie im Rest des Hauses lagen, sondern das Leben, das für die letzen Wochen meines gewesen war.

Das Leben, in dem ich zum ersten mal das Gefühl gehabt hatte, ich selbst zu sein. In dem ich Freunde gehabt hatte, akzeptiert worden war und auch verstanden. In dem ich gelernt hatte, wie schön es war, sich nicht immer vor allen anderen verstecken zu müssen, wie schön es war nicht immer allein zu sein.

Zwei Dinge, die ich nie wieder erleben würde, denn ich konnte schlichtweg nicht. Wollte nicht noch einmal enttäuscht werden, noch einmal hintergangen, oder verletzt.

Nein, ich musste hier raus, jetzt. Schnell lief ich den langen Flur bis zum Esszimmer hinab, in die gemütliche Stube mit den zwei Sofas, auf denen ich in den letzten Wochen so gerne gelesen hatte und durch den Vorflur zur Eingangstür.

Einmal, einmal in meinem Leben hatte ich auch nur davon geträumt, das alles gut werden könnte, doch schon wieder hatte ich wohl einfach falsch gelegen.

Ich griff nach dem Knauf der Tür und zog sie langsam auf. Mir war bewusst, dass es schon lange kein zurück mehr gab, dass ich von hier verschwinden musste, ohne Aldrin, ohne all das, was ich die letzten Wochen über erlebt hatte. Nur mit ein paar Erinnerung, die viel zu schmerzhaft sein würden um sich jemals an sie zu erinnern.

Doch wenn ich jetzt über diese Türschwelle trat, war es vorbei, endgültig.

Trotzdem zögerte ich nicht länger, denn mir fehlte einfach die Kraft, während ich die mir nur allzuvertraute warme Nässe spürte, die meine Wangen hinunter floss.

Denn wenn ich jetzt begann darüber nachzudenken, was ich alles zurückließ, würde mir später die Kraft fehlen, die ich brauchte um diesen unweigerlich notwendigen Schritt zu gehen.

Somit setzte ich meinen rechten Fuß nach vorne, zog meinen linken nach und hob den Koffer hoch, um die drei Stufen die zu dem Kiesweg führen hinabzugehen, während ich hinter mir die Tür ins Schloss fallen hörte.

Aus und vorbei. Mit einem mal, jetzt war alles aus und vorbei.

Ich machte mir nicht einmal die Mühe meine Tränen von meinen Wangen zu wischen, oder zu versuchen sie zu verdrängen, damit ich wenigstens den Weg klar erkennen konnte, denn ich wusste, das jeder dieser Versuche hoffnungslos sein würde.

Zudem kannte ich den Weg auch so. Den einen Weg, auf dem Aldrin mit mir vor Wochen nach Almelis gekommen war.

Eilig lief ich also nach oben zum Schloss, wollte nur zu seinem Vorplatz, von wo aus ich die schmale, nicht gepflasterte Straße, die buchstäblich zurück in meine Welt führte schon irgendwie finden würde.

Um dann zu verschwinden und hoffentlich nie wieder an all das was ich erlebt hatte denken zu müssen.

Erst als ich die gigantischen Mauern des Schlosses verschwommen vor mir aufragen sah, wurde mir bewusst, was jetzt unweigerlich folgen würde.

Ich würde es, ich würde Aldrin und auch Carla niemals wieder sehen.

Carla. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass sie von all dem was in den letzten Stunden passiert war noch gar nichts wissen konnte, außer wenn Aldrin es ihr erzählt hätte.

Doch so oder so, wurde mir mit einem mal bewusst, hatte sie eine Erklärung von mir verdient. Damit ich nicht einfach so, ohne ein Wort für immer aus ihrem Leben verschwand.

Und das war schlussendlich auch der Grund, warum ich meinen Koffer achtlos gegen die Mauer des Schlosses lehnte und so sehr es mich auch schmerzen mochte, ein letztes mal in seinem inneren verschwand. Zu dem einzigen Ort, an dem ich wusste, das ich noch immer willkommen war:

Der Waschküche, in der Carle jetzt mit Sicherheit wieder unzählige Bettlaken oder Geschirrtücher waschen und ausschlagen würde.

Weil ich durch dich leben lernteWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu