66. Kapitel:

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Marleenes Sicht:

„Und Aldrin und du habt echt noch keine Pläne was ihr danach machen wollt?"

Ich sah kurz nach links, in die bernsteinfarbenen Augen mit den hellbraunen Sprenkeln, bevor ich mich wieder zu Carla umdrehte, die auf dem Hocker neben meinem Bett saß.

„Noch nicht wirklich", gab ich zu, während sich Carla empört zu Aldrin wandte, der neben mir in dem weißen Krankenhausbett saß.

„Also Aldrin, du musst doch eine Überraschung für unsere Heldin haben, wenn sie endlich gehen darf."

„Wer weiß", ein Schmunzeln breitete sich auf seinen Lippen aus, während ich ihm leicht auf die Schulter boxte.

„Du weißt schon, dass du das gar nicht sollst, oder?"

„Jaja, und seit wann hören wir gegenseitig auf uns?"

Ich wusste, dass er damit darauf anspielte, dass ich ihn vor dem Schuss gerettet hatte, obwohl ich mich doch laut ihm viel lieber selber hätte in Sicherheit bringen sollen, aber auch jetzt noch, knappe vier Wochen später, war ich mir hundertprozentig sicher, das richtige getan zu haben.

Auch wenn ich das Aldrin niemals so sagen würde, denn ich wusste, dass er das alles gar nicht hören wollte.

Ein Klopfen an meiner Zimmertür riss mich aus meinen Gedanken und ich sah verblüfft zu den anderen, bevor Carla „Herein" rief.

Langsam wurde die Tür geöffnet und ein paar mir nur allzu vertrauter eisblauer Augen blickte in den Raum.

Sofort spannte Aldrin, der bis jetzt ganz entspannt neben mir gesessen hatte sich an und auch Carla wirkte auf einmal viel ernster.

„Ich... ich wollte fragen, ob ich mit dir reden könnte?", ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken hinab, während der Mann mich musterte, von dem ich eigentlich gehofft hatte, ihn nie wieder sehen zu müssen.

„Aaron, was willst du?", noch nie hatte ich eine solche Schärfe und Unfreundlichkeit in Aldrins Worten gehört.

„Reden. Ich will reden, Aldrin!", er sah unschlüssig auf den Boden und wirkte seltsam verloren.

Vielleicht hatte er auf mich geschossen und war der Mensch dem ich am liebsten nie wieder begegnet wäre, doch etwas an ihm, sein so unterwürfiges Verhalten ließ mich stocken, denn es wirkte so gar nicht nach dem gefühlskaltem König, von dem Aldrin mir in den letzten Wochen immer wieder berichtet hatte.

„Sie will es aber nicht, okay?", Aldrin erhob sich langsam, doch Aaron blieb stehen.

„Hast du nicht gehört", schrie er mit einem Mal und ich konnte mich selber gerade noch davon abhalten meine Hände auf die Ohren zu legen: „Raus hier!"

Ein paar Sekunden geschah gar nichts, doch dann wandte sich der Mann, von dem ich immer noch nicht glauben konnte das er der Herrscher von Almelis war tatsächlich um und ging zur Tür.

Er hatte sie schon fast erreicht, als ich mich endlich aus meiner Schockstarre lösen konnte: „Halt!"

Überrascht drehten sich alle zu mir um.

„Marleene, was...", in Aldrins Augen spiegelte sich pures Unglauben.

„Ich möchte hören, was er zu sagen hat.

„Was?", Aldrin fuhr sich wie immer, wenn er nicht weiter wusste mit der Hand hektisch durch die Haare: „Du weißt schon noch, was er dir, was er uns allen angetan hat, oder?"

Ich wollte gerade dazu ansetzten ihm zu antworten, doch überraschender Weise war es Carla, die sich auf meine Seite schlug.

„Komm Aldrin", sie ging zu ihm herüber und hielt ihm am Arm, während er aus dem Bett stieg: „Ich glaube was die beiden zu besprechen haben, geht nur sie etwas an.", murmelte sie leise und tatsächlich folgte er ihr, als sie auf die Tür zuging und nur wenige Sekunden später mit Aldrin durch sie hindurch verschwand.

Zurück blieben nur ich und Aaron. Und eine unangenehme, mit einem Mal ziemlich bedrückende Stille.

„Danke", Aaron kam langsam auf mich zu und setzte sich auf den Hocker nahe an mein Bett, während ich so schwer es mir auch fiel dem Drang widerstand noch ein Stück nach hinten zu rutschen um mehr Abstand zwischen uns beide zu bringen.

„Also...", verzweifelt schien er nach den richtigen Worten zu suchen, während er auf das Muster der weißen Fliesen auf dem Boden blickte.

„Ich weiß, das es keine Entschuldigung für das gibt was ich getan habe und ich möchte auch gar nicht, dass du mir verzeihst, denn meine Tat war so schrecklich, dass du sie mir gar nicht vergeben kannst, das weiß ich...", begann er und ich ließ seine Worte noch einmal in mir nachhallen.

„Aber ich wollte mit dir reden, wollte mich dir erklären... Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst, okay? Aber ich wollte, dass du es weißt...", scheu lächelte er mich an und auch wenn ich nicht wusste wieso, wirkte es echter als jede seiner Gesten zuvor.

„Ich habe auf Aldrin, auf meinen eigenen Enkel geschossen. Aber nicht seinetwegen, sondern weil ich sah, dass du hinter ihm standst, weil ich wusste, dass du ihn liebst und versuchen würdest ihn zu retten... weil es von Anfang an mein Ziel war dich zu treffen."

Auf seine Worte folgte ein langes Schweigen, aber meine unbändige Wut, die ich erwartet hatte, schon als ich heute zum ersten Mal in seine Augen gesehen hatte blieb aus. Stattdessen war ich ganz ruhig. Denn ich spürte, wie viel Mühe Aaron sich gerade gab. Das er selber gemerkt zu haben schien, dass er zu weit gegangen war und das er jetzt, wenigstens diesen eine Mal gänzlich ehrlich sein wollte.

„Im Nachhinein kann ich mich nicht einmal mehr selbst verstehen und glaub mir, ich hasse mich dafür, denn Aldrin hatte Recht: So ein großes Opfer, dich, sollte es niemals wert sein König zu werden und das hätte ich schon viel früher erkennen müssen.", er machte Pause, als überlegte er, was er als nächstes sagen wollte.

„Aber das habe ich nicht. In diesem Moment habe ich nur die Prophezeiung vor mir gesehen, immer wieder in meinen Ohren nachhallen hören, dass Aldrin nur König werden kann, wenn du... wenn du nicht mehr da bist. Und er wollte dich gehen lassen, damit du sicher bist, aber das konnte ich nicht, denn in diesem Moment war alles woran ich dachte, dass er sonst nicht König werden würde...", seine Stimme brach.

„Und das konnte ich nicht zulassen, denn auch wenn er es noch nicht weiß, ich...", er holte tief Luft, bevor er das aussprach, was mich selbst am meisten verblüffte: „... ich habe schon länger überlegt zurückzutreten, weshalb es mir umso wichtiger war, dass er König wird. Aber jetzt, nach allem was ich getan, was ich dir angetan habe, auch wenn es kaum einer weiß, werde ich abdanken, denn Aldrin hat Recht, ich... ich verdiene diesen Posten wirklich nicht mehr."

Die Verblüffung musste mir so sehr ins Gesicht geschrieben stehen, dass er von neuem ansetzte: „Ich weiß, du hältst mich für gefühlslos und gemein und damit hast du auch vollkommen Recht, aber dieses Mal bin ich wirklich zu weit gegangen, viel zu weit für einen guten König...", Aaron brauchte ein paar Sekunden um sich zu sammeln: „Aber deswegen bin ich heute nicht hier... ich bin hier, weil ich dir genau das erklären wollte... mir ist bewusst, dass du mir niemals wirst verzeihen können, und das sollst du auch gar nicht, aber... aber ich wollte dir die Chance geben mich wenigstens zu verstehen, denn glaub mir, wenn ich es könnte, ich würde nichts lieber tun als es alles ungeschehen zu machen."

Aaron erhob sich langsam von seinem Sessel, denn er schien gar keine Antwort von mir zu erwarten: „Doch genau das ist der Punkt, Marleene, denn ich kann es nicht... Alles was ich jetzt noch kann, ist dir zu sagen, wie unendlich leid es mir tut und mich bei dir zu entschuldigen, obwohl ich weiß, dass... das man mein Verhalten einfach nicht entschuldigen kann."

Seine Worte hallten in meinem Kopf nach, während ich sie zu verstehen versuchte und zu einem Entschluss kam, den ich vor ein paar Minuten selber niemals von mir erwartet hätte.

Ich hörte wie Aaron die Tür mit einem leisen Quietschen öffnete und wandte mich zu ihm um, als er schon dabei war wieder mein Zimmer zu verlassen.

„Warte!", ich sah die Überraschung in seinen Gesichtszügen als er sich erneut zu mir umdrehte und bevor ich das aussprach, was ich mir selber niemals zugetraut hätte: „Ich... ich verzeihe dir!"

Weil ich durch dich leben lernteWhere stories live. Discover now