54. Kapitel

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Aldrins Sicht:

Schon den ganzen Tag über hatte ich mich davor gedrückt, einen großen Bogen um sein Büro und sogar alle Flure gemacht die zu diesem führten, doch jetzt konnte ich ihm nicht länger aus dem Weg gehen.

Ich wusste, dass es nicht richtig war, vor den Dingen die getan werden mussten wegzulaufen, aber trotzdem war diese Methode manchmal so viel einfacher, als sich ihnen zu stellen.

„Keiner hat gesagt, dass es einfach werden wird.", hallte meine eigene Stimme mir jedoch kaum eine Sekunde später durch den Kopf und versuchte mir zu verdeutlichen, was ich Marleene einst selber gesagt hatte und ich wusste, dass ich damals wie auch heute noch Recht gehabt hatte, was diesen Satz betraf.

Das war auch der Gedanke, der mich dazu bewegte schließlich doch noch nach rechts in den breiten, prachtvollen Flur abzubiegen, den ich so lange wie möglich gemieden hatte.

Schließlich konnte ich mich nicht ewig davor drücken, vor Aaron und dem was ich ihm zu sagen hatte. Ob es ihm gefallen würde, das wusste ich nicht und genau das war auch der Grund, weshalb ich so lange mit diesem Gespräch gezögert hatte.

Jetzt gab es jedoch kein entrinnen mehr, denn der Nachmittag neigte sich dem Abend zu und ich wusste, das Aaron einen Zwischenbericht von mir erwarten würde, wie jeden Tag.

Er mochte vielleicht mein Großvater sein, aber gleichzeitig war er eben auch der König von Almelis und sich seiner Pflicht, seinen Nachfolger gut vorzubereiten nur allzu sehr bewusst.

Erst als ich die breite, oben abgerundete, doppelflügelige und ebenfalls dunkle Holztür erreichte, wurde mir wieder bewusst, was ich im Inbegriff war wirklich zu tun.

Den genau weil er so erpicht darauf war, aus mir einen guten Thronfolger zu machen, würde ihm der Kernpunkt dieses Gespräches ganz sicher gegen den Strich gehen.

Trotzdem war ich mir sicher, ganz und gar und das gab mir die Zuversicht die mir noch gefehlt hatte um an der massiven Tür zu klopfen.

Schon allein wegen der Tatsache, dass ich ganz allein darüber entschieden hatte, würde er meine Entscheidung missbilligen, das wusste ich. Aber ich wusste auch, dass nichts und niemand diese würde verhindern können, denn ich war der einzige der das Recht hatte, darüber zu entscheiden.

Über Marleene und mich.

Lange Zeit hatte ich überlegt, ob ich es ihm überhaupt sagen wollte, doch war am Ende nur zu dem Entschluss gekommen, dass ich das wohl schlichtweg musste.

Aaron würde es früher oder später, so oder so bemerken und auch wenn er echt streng sein konnte, war er mein Großvater und auch wenn ich gar nicht genau sagen konnte wieso, weil die Tage der Zwangsheirat und ähnlichen in Almelis schon lange vorbei waren, wollte ich einfach seine Zustimmung haben.

Seine Zustimmung. Das was es, mir unterbewusst schon den ganzen Tag so eine Angst machte. Denn auch wenn er mir und Marleene nicht würde verbieten können zusammen zu sein, war mir bewusst, wie wütend er werden und wie viele Steine er einem mit einer Leichtigkeit in den Weg legen konnte.

Noch einmal fuhr ich mir mit meiner rechten Hand durch die Haare, obwohl ich wusste wie sehr meine Frisur darunter litt und versuchte die Anspannung, die mit jeder Sekunde in der kein „Herein" ertönte, weiter ins unermessliche stieg zu ignorieren.

Zögerlich hob ich schließlich erneut meine Hand und klopfte mit meinen Fingerknöcheln gegen das Holz, doch sosehr ich auch darauf erwartete und so langsam die einzelnen Sekunden auch verstreichen mochten, ich bekam einfach keine Antwort.

Irritiert wartete ich einen Moment vor der Tür und war mir nicht sicher, was ich nun tun sollte, bevor ich meine Hand auf das kühle Metall der kunstvoll verzierten Türklinke legte.

Immerhin waren Aaron und ich ja verabredet, da würde er doch bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich schon einmal in sein Büro ging, oder?

Für so eine große Flügeltür, ließ sich die rechte Klinke erstaunlich leicht herunterdrücken, doch trotzdem zögerte ich noch einen Augenblick, bevor ich sie aufstieß und in den Raum mit dem riesigen Schreibtisch trat.

Aaron und ich hatten noch nie darüber gesprochen, aber ich konnte mich an keine einzige Situation erinnern, in der ich alleine hier gewesen war.

Doch war er nicht früher derjenige gewesen, der mir schon als kleines Kind immer wieder gepredigt hatte, das ein guter König keine Geheimnisse vor seinem Volk hatte?

Trotzdem fühlte ich mich nicht ganz wohl als ich den Raum mit seinen alten Holzdielen und den unter dem aus edlen Holz handgeschnitzten Schreibtisch liegenden, dunkelroten Teppich durchquerte.

Über mir verbanden sich die Wände zu einer kleinen Kuppel, an deren höchster Stelle ein goldener Kronleuchter hing, dessen Kerzenlicht, gemeinsam mit den zwei Fenstern, die beste Sicht auf die Wiesen von Almelis baten, die Gemälde der früheren Könige beleuchteten, die jedes noch so kleine Fleckchen der Wände verzierten.

Ohne weiter nachzudenken ging ich auf einen der beiden weißen Ledersessel zu, die vor dem Schreibtisch standen und auf deren Linken ich wie fast immer Platz nahm.

Obwohl ich hier schon unzählige Male gewesen war, begann ich mich noch einmal umzusehen, einfach weil ich nun das Gefühl hatte, nicht dabei beobachtet zu werden und blieb schließlich mit meinem Blick an dem großen Tisch vor mir hängen, auf dem die verschiedensten Dokumenten Stapel thronten.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen nichts anzufassen, denn all dies ging mit Sicherheit nur Aaron etwas an, doch das kleine Stückchen bereits etwas vergilbte Papier, das zusammengerollt in einem der goldenen Stifte Behälter steckte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

Nicht nur, weil das Papier anders und kostbarer wirkte als all die anderen Blätter hier, sondern weil ich solches mit ziemlicher Sicherheit bis jetzt nur einmal in meinem Leben gesehen hatte.

Vor nicht allzu langer Zeit auch wenn ich dies eigentlich gar nicht hätte tun dürfen.

Eine dunkle Vorahnung beschlich mich, bevor ich mich nach vorne lehnte, nach der kleinen Papierrolle griff und sie in meinen Händen drehte.

Jedoch war es gar nicht das Papier selber, dass meine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern viel mehr seine eine Kante, an dem man die ausgefransten Enden nur allzu gut erkennen konnte und die es fast wirken ließen, als wäre es abgerissen worden.

Auch wenn mir bewusst war, wie falsch das ganze vielleicht war, konnte ich mich nicht zurückhalten und rollte das vergilbte Papier vorsichtig auseinander, nur um zwei Sekunden später gar nicht mehr verstehen zu wollen, welche Zeilen ich gerade las.

Weil ich durch dich leben lernteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt