33. Kapitel

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Aldrins Sicht:

Ganz ruhig lag sie da, mit so unfassbar entspannten Gesichtszügen, auf dem Bett in dem Zimmer das nun ihr gehörte. Das ich ihr gegeben hatte ohne nachzudenken als mir klargeworden war, dass sie niemanden mehr hatte, keinen zu dem sie gehen konnte.

Doch auch wenn es mich bis heute Morgen noch beruhigt hätte, Marleene so ruhig schlafen zu sehen, jetzt fand ich es nur noch gemein, geradezu ungeheuer schrecklich.

Mochte sein, dass es ihr jetzt gut ging, das sie nicht daran denken musste, aber wenn sie aufwachte würde sofort alles wieder da sein und ich war mir sicher, das sie es niemals wieder würde vergessen können.

Ich wusste nicht wie lange ich hier schon so saß, den harten Stuhl ganz dicht an jenes Bett gerückt, mit meinen Unterarmen auf mein Knie gestützt und ihre schmale Hand in meinen Händen haltend, aber ich traute mich nicht mal mich zu bewegen.

Aus Angst ich könnte sie aus ihren Träumen reißen, die bis jetzt zum Glück noch friedlich zu sein schienen, denn mir war bewusst, wie wichtig diese Pause für sie war und auf gar keinen Fall wollte ich derjenige sein, der sie vorzeitig beendete.

Deshalb gab ich mich damit zufrieden, Marleene zu beobachten. Ihre feinen Gesichtszüge erneut auf mich wirken zu lassen, ihre kleine Stupsnase, die ich insgeheim niedlicher fand, als ich es jemals vor ihr zugeben würde und zu warten.

Darauf, das ihr ruhiger Traum zu Ende sein und sie mit einem Mal zurück in die Realität katapultiert werden würde, in die grausame, schmerzhafte Realität.

Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach rechts und konnte aus dem Augenwinkel die fliederfarbenen Gardinen hinter mir sehen, durch die ganz leicht das Tageslicht viel. Wie spät es wohl inzwischen war?

Das Zucken ihrer kleinen Hand ließ mich sofort all meine Gedanken vergessen und ich wandte mich wieder zu ihr herum.

In jeder anderen Situation hätte mir ihr vorsichtiges Blinzeln und das leichte Rümpfen ihrer Nase ein Lächeln entlockt, doch heute war diese süße Geste für mich ungewohnt schmerzhaft, denn ich wusste was unweigerlich auf sie folgen würde.

Nachdem sich Marleene an das halbdunkle Licht gewöhnt zu haben schien, begann sie sich orientierungslos in dem ihr bereits vertrauten Zimmer umzusehen, bis ihr Blick mit einem Mal an mir hängen blieb.

Sie setzte sich auf und zog ohne es zu bemerken ihre Hand aus den meinen, während die Müdigkeit in ihren Gesichtszügen immer weiter verschwand.

Noch immer schien sie nicht zu begreifen was all dies zu bedeuten hatte, sich noch immer nicht an gestern zu erinnern.

„Aldrin, was machst du de...", mit einem Mal stockte sie und ich konnte den Schock den sie gerade durchlebte in ihren Augen widerspiegeln sehen, bevor er langsam Angst, Verzweiflung und Trauer wich.

„Nein!", ihr Flüstern war kaum zu hören, doch dennoch erkannte ich all den Schmerz der in diesem simplen Wort steckte, den sie gerade erneut durchleben musste.

„Sag mir...", ihre heisere Stimme brach während Tränen langsam ihre Augen füllten: „Aldrin sag mir bitte, dass das alles nicht war ist."

Vorsichtig strich ich ihr die ersten Tränen, die nun unaufhaltsam ihre Wangen hinunter kullerten aus dem Gesicht und versuchte ihr nicht zu zeigen, wie sehr mich die ganze Situation ebenfalls mitnahm.

Seit ich sie kannte hatte ich sie immer für ihre Stärke bewundert, obwohl sie wohl tausend mal stärker gewesen war, als ich es überhaupt bemerkt hatte. Jetzt lag es an mir für sie stark zu sein.

Behutsam fasste ich unter ihr gesenktes Kinn und hob es so weit an, dass sie mir ins Gesicht blicken musste.

„Es tut mir leid Marleene, aber... aber ich kann es nicht."

Sie nickte und ohne weiter nachzudenken erhob ich mich und setze mich zu ihr auf die Bettkante, bevor ich sie wie gestern in meine Arme zog.

Ganz ruhig saßen wir so da, denn wir wussten beide, dass es in diesem Moment nichts zu sagen gab und vorsichtig fuhr ich ihr über den Rücken, während sie ihr Gesicht in meinem T-Shirt verbarg.

Doch erst Minuten, oder war es bereits Stunden später fiel mir wirklich auf was gerade passiert war: Marleene hatte sich nicht gegen die Umarmung gewehrt.

Gut, das hatte sie gestern zwar auch nicht, aber gestern, die Stunden die wir an ihrer Klippe verbracht hatten, konnte man einfach nicht zählen lassen.

Jetzt war es anders und auch wenn es bis vor ein paar Stunden nichts gab, was mir wichtiger gewesen wäre, als die Tatsache, das sie sich nicht länger hinter ihren Mauern versteckte, lief mir nun ein eiskalter Schauer den Rücken hinab.

Langsam schob ich sie ein paar Zentimeter von mir weg, nicht weit, nur so dass ich in ihre Augen sehen konnte und auch wenn ich es unterbewusst schon längst gewusst hatte, traf es mich mit aller Wucht.

Ich konnte nicht länger die Stärke sehen, die mir sonst steht's als erstes an ihr aufgefallen war. Nicht mehr das verletzende Wissen, das sie alles für sich behalten musste und ganz auf sich allein gestellt war. Doch am meisten fehlte mir ihre Überzeugung, dass sie es trotz allem würde schaffen können.

Immer hatte ich Angst davor gehabt, mit aller Macht hatte ich es verhindern wollen, aber trotzdem war ich daran gescheitert: sie war zerbrochen, sah schlichtweg keinen Grund mehr noch weiterkämpfen zu sollen.

So eng wie möglich zog ich sie wieder an meine Brust, nicht sicher, ob sie das überhaupt bemerkte und strich ihr über die zerzausten Locken, während der Beschluss in meinen Gedanken immer weiter Gestalt annahm.

Ich wusste nicht was Aaron davon halten würde, doch das war mir noch nie so egal gewesen wie in diesem Moment: ich würde Marleene mit ins Schloss nehmen.

Weil ich durch dich leben lernteTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang