55. Kapitel

0 0 0
                                    

Aldrins Sicht:

Jedoch liegt ihre Bestimmung nicht in dem Thronsaal eures Schlosses,
denn der Prinz wird erst König werden,
wenn sie nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Aber auch wenn ihre Prophezeiung hier endet,
während seine noch so lange weiterreicht,
wird nur sie es ihm ermöglichen können,
derjenige zu werden
auf den ein ganzes Land
für immer Stolz sein wird.

Ohne es bemerkt zu haben, musste ich irgendwann aufgesprungen sein und hatte begonnen, in dem auf einmal viel kleiner wirkenden Raum auf und ab zu tigern, der mir jegliche Luft zu stehlen schien.

Oder lag das eher an dem Stückchen Prophezeiung, das ich noch immer zwischen meinen Händen hielt, während ich zu verstehen versuchte, was ich gerade gelesen hatte, nicht sicher, ob ich das überhaupt wirklich wollte.

Meine Gedanken wirbelten mir so schnell durch den Kopf, das ich das Gefühl hatte, keinen einzigen von ihnen richtig erfassen zu können, während mein Wunsch mit jeder Sekunde größer wurde.

Mein Wunsch, das ich mit meiner Vermutung, die immer wieder kalte Schauer meinen Rücken hinab jagte falsch lag und dies nicht der Rest der Prophezeiung war, den ich neulich im Keller der Prophezeiungen gesucht hatte.

Das dies hier nicht das Ende der Prophezeiung des Mädchens war, das ich über alles liebte und für das ich mir nichts mehr wünschte als ein Happy End.

Das dies hier nicht das Ende von Marleenes Prophezeiung war.

Denn das... das würde bedeuten... ich schaffte es nicht auch nur den Gedanken daran zu Ende zu denken und ballte meine Hände zu Fäusten, bevor ich mir voller Wucht gegen den Sessel trat, der sich jedoch so schwer war, dass er sich nur ein paar Zentimeter zur Seite bewegte.

„Na, na, na, Aldrin!", hörte ich mit einem Mal eine mir nur viel zu vertraute, eiskalte Stimme hinter mir: „Solltest du inzwischen nicht gelernt haben dein Temperament zu zügeln?"

Fassungslos drehte ich mich zu Aaron herum, während dieser seelenruhig in sein Büro trat und langsam die Tür hinter sich Schloss.

„Was...", ich trat auf ihn zu, den Rest der Prophezeiung in meiner Hand und hielt erst an, als uns keine fünfzig Zentimeter mehr voneinander trennten und er mit dem Rücken zur Wand stand: „Was ist das?"

Ein scheinheiliges Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, doch ich kannte ihn so gut, dass ich wusste das seine schier unumstößliche Fassade mit einem mal zu bröckeln drohte.

Er kam mir entgegen, immer noch ganz ruhig, nahm mir das Papier aus der Hand und tat so als müsse er es erst mustern, obwohl wir beide genau wussten worum es sich handelte.

„Ach das...", erwiderte er bloß, doch ich ließ ihn nicht ausreden.

„Woher hast du diese Prophezeiung?"

„Weißt du...", begann er und jetzt lag es an mir zurückzuweichen, denn er kam immer weiter auf mich zu: „Ich denke, dass ein König manchmal ein paar Dinge tun muss, die keinen anderen etwas angehen."

„Tun müssen", ich zog meine rechte Augenbraue hoch und widerstand dem Bedürfnis laut zu werden, denn ich wusste das ich mit Ruhe bei ihm weiter kam.

„Von wem ist sie?"

„Ich denke nicht, dass dich das beschäftigen sollte."

„Das denke ich schon!", ich straffte meine Schultern und legte meinen Zeigefinger an seine Brust, bevor ich erneut auf ihn zuging und er tatsächlich ein paar Schritte rückwärts stolperte.

„Von wem ist sie?", ich wunderte mich selber über den ruhigen Ton meiner Stimme, der gleichzeitig auch eine bedrohliche Ausstrahlung zu haben schien, denn Aaron wich noch weiter zurück.

„Gehört sie...", ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich die Frage stellte vor der es mir am meisten graute: „Gehört sie Marleene?"

Aaron erwiderte nichts, doch sein leichtes Nicken war mehr als Antwort genug, denn das war alles was ich wissen musste, während meine Welt immer weiter ins Wanken geriet.

Das durfte, es durfte einfach nicht passieren!

Ohne weiter nachzudenken stürmte ich zur Tür und griff nach ihrem Knauf um sie aufzustoßen. Ich hatte erwartet, das Aaron versuchen würde mich aufzuhalten, wenigstens gewollt hätte, das ich ihm zuhörte und ihn erklären lies, doch er blieb ganz Still, was mich noch einmal zu ihm herumfahren lies.

„Warum?", es war nur ein Wort, doch Aaron wusste, was ich damit meinte.

Eine Weile lang schwieg er, sah mich einfach nur mit seinen eiskalten Augen an, die wie immer keine einzige Gefühlsregung zu zeigen schienen und die ich mit einem Mal regelrecht abstoßen fand.

„Weil du es nicht verstanden hättest.", er lächelte gefühlskalt und mir wurde bewusst, dass ihm dies alles wirklich nichts auszumachen schien: „Aber jeder hat seine Bestimmung und ihre ist es nun mal alles für uns zu geben, damit du König werden kannst."

Einen Moment lang gingen mir seine Worte durch den Kopf und ich war so perplex, dass ich zuerst gar nichts antworten konnte.

„Mag sein", zischte ich gefährlich ruhig in seine Richtung: „das du alles dafür geben würdest um König zu werden, aber ich nicht, denn das ist es mir lange nicht wert!"

Aaron kam einen Schritt auf mich zu und ein siegessicheres Schmunzeln breitete sich auf seinen schmalen Lippen aus: „Siehst du, hättest du es herausgefunden, hättest du versucht es zu verändern, auch wenn es bedeutet, dass du nicht Almelis Herrscher werden wirst und das konnte ich nicht zulassen. Hättest du ihre Prophezeiung gelesen, hättest du sie gehen lassen, damit sie sicher ist, unabhängig was das für dich bedeutet, für uns..."

Ein letztes mal blickte ich in sein Gesicht, das mir Jahre lang so vertraut gewesen war, aber jetzt so fremd wie niemals zuvor und sah ihm direkt in die Augen, die mich an die eines mörderischen Raubvogels erinnerten.

„Weißt du was?", erwiderte ich ganz ruhig und zog damit all seine Aufmerksamkeit auf mich: „Genau das werde ich jetzt auch tun!"

Weil ich durch dich leben lernteWhere stories live. Discover now