Kapitel 65

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Verträumt

Ge. 02- Kapitel 65

Wir fuhren eine Weile mit dem Boot und als meine Mutter weg war, taten wir wieder auf festem Boden. Mir war das ganze eigentlich ziemlich peinlich. Auf der Fahrt hatten wie auch nicht wirklich viel geredet, doch ich hatte bemerkt, dass Olcay sich ziemlich fest festgehalten hatte.

»Kannst du überhaupt schwimmen?«, fragte ich sie und sie nickte. Danach grinste sie wieder. »Das war alles total lustig!«

»Was?«, fragte ich überrascht. »Du fandest es lustig, dass wir vor meiner Mutter weggelaufen sind?«

Sie zuckte grinsend mit den Schultern. Irgendwie war sie ein komisches Mädchen und das meinte ich auf keinen Fall negativ.

»Cihan, ich muss jetzt gehen. Hier in der Nähe wohnt eine Freundin von mir, die ich gerne besuchen würde.«

»Ich begleite dich bis dorthin.«

Sie schüttelte rasch den Kopf. »Es ist ehrlich nicht weit und außerdem komme ich allein zurecht.«

Ich versuchte sie zu überreden, dass ich sie begleiten sollte, doch sie war einfach nur stur, also gingen wir getrennte Wege und irgendwie kam es mir so vor, als fehlte mir jetzt schon etwas.

[Sicht von Alev]

Eces Probleme waren lange nicht vorbei. Ich hätte sie am liebsten heute noch besucht, wollte ihren Bruder aber nicht treffen. Mir wurde klar, was für einen schweren Gewicht seine Worte hatten und ich brauchte ehrlich eine Auszeit. Ece ging früher nach Hause, weil es ihr nicht gut ging. Naja, was war denn auch zu erwarten, wenn sie solche Probleme hatte.

Olcay kam heute nicht in die Schule, deshalb rief ich sie nach Schulschluss an. Sie war schließlich meine Cousine und ich machte mir Sorgen.

»Olcay, geht es die gut?«

»Ja«, sagte sie und ihre Stimme klang irgendwie glücklich. »Und dir?«

»Es geht.«

»Aşkım (Liebling), es wird alles gut.«, sagte sie mir.

Aşkım (Liebling). So hatten wir uns schon seit der Kindheit immer genannt.

»Mach dir keine Sorgen. Diese Tage kommen und vergehen. Ich bin bei dir und Ece doch auch!«

»Ja, ich weiß, aşkım (Liebling)-«, erwiderte ich , da zog jemand das Handy aus meiner Hand. Ich sah Serkan schockiert an.

Er sah richtig wütend aus, als ob er gleich explodieren könnte. »Wer bist du, hä?! Traust du dich nicht, deinen Namen zu sagen!«, rief er in den Hörer.

»Serkan!«, schimpfte ich und versuchte ihm da Handy aus der Hand zu reißen. Es klappte nur nicht.

Ich glaube Olcay hatte aufgelegt, denn Serkan sah zornig auf den Display und zog sein Handy heraus. Ich versuchte ihm wieder das Handy aus der Hand zu reißen, als er sich die Nummer auf sein Handy speicherte und da wurde mir einiges klar. Ich war ja so dumm! Ich hatte Olcays Nummer als "aşkım (Liebling)", gespeichert und sie auch so genannt. Das hieß, er dachte, ich hätte einen neuen am Start.

»Serkan, hör mir zu!«, rief ich, als er mein Handy wegschmiss und sauer davon ging. Ich hob schnell mein Hand vom Boden, da war er auch schon weg. Scheiße, scheiße, scheiße.

Ich rannte zur Bushaltestelle, doch da war er nicht. Gestresst ging ich mit meiner Hand durch mein Haar. Das konnte nicht gut gehen.

Was sollte ich bloß tun? Ich versuchte Serkan zu erreichen, doch er lehnte den Anruf ab. Bei Olcay geschah dasselbe. Wieso machte sie nicht auf?! Bei Serkan verstand ich es ja, er war sauer auf mich, aber was war mit Olcay los? Und wieso hatte sie einfach aufgelegt und nichts gesagt, als Serkan mit ihr gesprochen hat? Dann hätte sich doch alles geklärt!

Ich seufzte und runzelte verzweifelt die Stirn. Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Ungeduldig wartete ich daraufhin auf den Bus. Ich würde zu Ece und Serkan rennen und ihm alles erklären. Genau! Da kam mir eine bessere Idee in den Sinn. Ich könnte doch Ece anrufen!

Schnell rief ich sie an, doch es war besetzt. Ich hatte also keine andere Wahl, als auf den Bus zu warten.

[Sicht von Serkan]

Stocksauer rannte ich weg. Diesem Kerl würde ich noch so zusammenschlagen, dass er weder Alevs Namen in den Mund nehmen noch an sie denken kann. Dafür würde ich schon sorgen.

Ich sah mir die Nummer mehrmals an, sodass ich sie schon auswendig wusste. Sie ließ in mir eine solche Wut wachsen, dass ich die Person sogar hätte töten können. Niemand fasst meine Alev an. Sie gehörte mir, nur mir.

Bei dem Gedanken an Alev, kam mir alles absurd vor. Es war einfach komisch, dass sie in zwei Tagen einen Neuen hatte. Das passte nicht zu ihr, aber sie hatte ihn mein Liebling genannt. Hatte Ece das gewusst? Hatte sie es mir verschwiegen? Wie lange lief die Beziehung? Ich war mir Alev eine ganze Zeit lang zusammen und so offen hatte sie mich nie so genannt. Wenn ja, war es dann, wenn wir allein waren, aber doch nicht so in der Öffentlichkeit. Nein, das passte nicht zu ihr. Sie war eher schüchtern und süß...

Vielleicht hatte dieser Kerl sie so verändert. Ich biss die Zähne fest zusammen.

»Serkan!«, rief jemand da und Tunç kam zu mir. Scheiße, jetzt fühlte ich mich schlecht. »Tut mir Leid, wegen gestern. Ich meine, du hattest schließlich nichts mit meiner Schwester. Du wusstest nicht einmal etwas von allem. Du hattest sie nur beschützt.«

Tunç sagte nichts dazu. Das machte alles nur noch schlimmer. Sollte er doch sagen, dass es scheiße war, dass ich falsch lag, irgendetwas halt!

»Sorry, Bruder«

»Ist schon vergessen«, erwiderte er und grinste. Ich sah wieder auf mein Hand und die Nummer erschien auf meinem Display. »Bruder, ich muss jemanden verprügeln... wegen Alev.«

»Was?«

»Heute. Gleich. Du musst nur aufpassen, dass niemand in unsere Nähe kommt, wenn ich den Typen zusammen schlage.«

»Serkan, warum?«

»Ich hab doch gesagt, es geht um Alev. Also hilfst du mir?«

Er nickte. »Auf jeden Fall.«

Ich tippte dem Mistkerl eine Nachricht:

"Komm hinter die Schule, wenn du ein Mann bist. Wenn nicht, dann finde ich dich."

[Sicht von Ece]

Als ich zu Hause war, duschte ich erst einmal. Ich hatte nur noch das im Kopf, was in der Schule passiert war. Wie geplant, war ich zu Tunç gegangen, doch seine Mutter hatte auch nichts ausgespuckt. Danach hatte ich ihm gesagt, dass wie uns eine Weile nicht sehen sollten. Es wäre besser so, hatte ich behauptet und das bereute ich zutiefst. Sein Gesichtsausdruck als ich das gesagt hatte, waren wie Schnitte in meine Brust.

Nachdem Duschen ging ich zu meiner Mutter. Ich wollte endlich Antworten haben. »Anne (Mutter), kannst du mir endlich sagen, warum ich Tunç nicht treffen soll«, fragte ich meine Mutter offen. Sie sah mich geschockt an und das regte mich langsam auf. »Ece«, murmelte sie und machte einen Gesichtsausdruck, der Berge zum Stürzen gebracht hätte. »Es- es ist kompliziert und ich weiß, du hast es satt, das von mir zu Hören, aber bitte vertrau mir. Ich bin im Moment nicht in der Lage es zu sagen. Bis jetzt habe ich es nur einmal ausgesprochen und da hatte ich es meiner besten Freundin erzählt. Sonst niemandem. Ich- ich brauche Zeit. Ja, du musst es wissen, aber bitte gib mir etwas Zeit. Vertrau mir.«

Ich nickte. Was sollte ich sonst tun? Sie zwingen? Es klingelte und meine Mutter machte die Tür auf. Ich ging ihr hinterher und als sich die Tür öffnete, staunte ich.

»Iyi günler (Guten Tag)«, sagte Olcay in einem süßen Ton und sah lächelnd zu meiner Mutter. Die Reaktion meiner Mutter verwirrte mich. Sie war irgendwie glücklich. Sie sah so aus, als hätte sie einen alten Freund wiedergefunden. Meine Mutter strahlte und sah Olcay sehnsüchtig an. »Olcay!«, rief sie und umarmte sie. Hä? Woher kannten sich die denn?

VerträumtWhere stories live. Discover now